Euro 2008: Angst vor den Engländern

(c) AP (Gregorio Borgia)
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Skurille Ergebnisse: Die Uni Wien erforschte die Gemütslage vor der Fußball-EM in der Studie "Euro 2008 – Befürchtungen und Erwartungen"

WIEN. Die EM-Skepsis treibt wenige Monate vor der Fußball-EM seltsame Blüten. Die Wiener fürchten sich am meisten vor englischen Fußballfans; obwohl England bei der EM gar nicht dabei ist.

Das ist aber nur ein Detail der Studie „Euro 2008 – Befürchtungen und Erwartungen“ der Universität Wien, die der „Presse“ vorliegt. 1500 Menschen haben Claus Ebster und Reinhard Grohs vom Institut für Betriebswirtschaftslehre für die repräsentative Studie befragt, um die Gemütslage der Wiener vor der EM zu ergründen. Und diese Gemütslage ist zwiespältig.

Die größten negativen Auswirkungen der Fußball-EM erwarten die Wiener im täglichen Leben. Überfüllte öffentliche Verkehrsmittel (91 Prozent), Probleme mit Alkoholisierten (85 Prozent), Müll und Stau (84 Prozent) regen bereits heute fast jeden Wiener auf.

Votum für liberale Öffnungszeiten

Überraschend: Die Angst vor Terrorismus während der Europameisterschaft liegt mit 31 Prozent nur auf Platz zwölf. „Das ist interessant“, meint Ebster, „dass große Themen wie Terrorismus für die EM keine Rolle spielen.“

Es gibt auch positive Erwartungen: Gastronomie (92 Prozent), Tourismus (91 Prozent) und der Handel (84 Prozent) werden profitieren, meinten die Befragten.

Ein brisantes Detail: 58 Prozent erwarten sich durch die Euro 2008, bei der Geschäfte auch Sonntags öffnen dürfen, eine nachhaltige Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten. Ebster: „Das Verhältnis der Österreicher dazu ist ambivalent. Sie sind gegen eine sofortige Ausweitung der Öffnungszeiten. Aber im Bereich der Sonntagsöffnung gibt es ein gewisses Potenzial.“ Wobei: Dass die Mehrheit der Wiener für eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten ist, hatte den Wissenschaftler selbst überrascht: „Das ist interessant. Einen so hohen Zuspruch hätte ich vorher nicht erwartet.“

Trotzdem: Grundsätzlich sind die Wiener noch sehr EM-skeptisch. Negative Folgen wurden öfters artikuliert als positive Folgen. „Es geht um die persönliche Betroffenheit“, meint Ebster. Während volle U-Bahnen, Staus und Randale die Wiener direkt betreffen, seien positive Effekte wie Zuwächse im Handel für die Menschen deutlich weiter weg.

Sind die Wiener grantige EM-Muffel? „Nein“, erklärt Studienautor Ebster. Obwohl fast alle Wiener negative Folgen befürchten, geben 76 Prozent an, im Juni zumindest sporadisch EM-Spiele verfolgen zu wollen. 23 Prozent deklarieren sich dezidiert als Fußball-Verweigerer und würden im Juni am liebsten auswandern.

Fußball als soziales Event

Eine Erklärung: Die Euro 2008 wird auch ein soziales Event: 72 Prozent der Befragten wollen sich die EM-Spiele mit Freunden im TV ansehen. Bis dahin ist Zeit, den EM-Slogan zu lernen. Der lautet nicht „Dabei sein ist alles“, wie 15 Prozent der Befragten behaupten, sondern „Erlebe Emotionen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2008)

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