Selbst Joachim Löw ist nicht unfehlbar

(c) Dpa/Andreas Gebert (Andreas Gebert)
  • Drucken

Die Titelmission ist erneut gescheitert. Diesmal hat auch der Teamchef seinen Anteil daran.

Warschau. Der Aufprall für den „Überflieger“ war hart. Für sein goldenes Händchen war Joachim Löw nach den vier EM-Siegen gelobt worden, doch gegen Italien verzockte sich der Taktik-Tüftler. Das abrupte Ende seiner Titelmission setzte dem 52-Jährigen mehr zu, als er in seinen ersten Kommentaren nach dem 1:2 gegen Italien zugeben mochte.

„Im Nachhinein hätten wir dieses oder jenes machen können“, antwortete Löw auf die Frage, ob er mit seinen Umstellungen bei der letzten Hürde vor dem Finale womöglich ein bisschen zu viel gewollt hatte. Miroslav Klose, Marco Reus, Andre Schürrle raus, dafür der fehlgeschlagene Überraschungsplan mit Toni Kroos. „Man kann die Taktik vorschieben, aber am Ende stehen wir auf dem Platz und müssen das regeln“, sagte Gomez. Kein Spieler äußerte öffentlich Kritik am Matchplan.

Bei den vier Siegen zuvor hat Löw alles richtig gemacht, stets die richtige Taktik gefunden und das richtige Personal ausgewählt. Gegen die Italiener aber lag der Stratege daneben – die Korrekturen zur Pause halfen nicht mehr. Was blieb, war ein positives Gesamt-Resümee. „Es gibt keinen Grund, etwas anzuzweifeln. Wir haben die jüngste Mannschaft, wir haben trotz allem ein starkes Turnier gespielt.“ Unterstützung kam von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach: „Jogi, du hast einen Klasse-Job gemacht. Wir sind unheimlich froh, dich als Bundestrainer zu haben.“

Mit durchschnittlich 2,22 Punkten pro Match bleibt Löw der beste aller zehn Bundestrainer – was fehlt, ist ein Titelgewinn. Teammanager Oliver Bierhoff gab zu, dass Löws Plan diesmal nicht aufgegangen war. „Es ist bitter, auch ärgerlich. Man plant so etwas zwei Jahre, denkt sich tausend Dinge aus, man plant das Detail – und dann erscheint es in so einem Moment nutzlos. Deutschland hat immer den Anspruch zu gewinnen.“

Zweimal war für Löw und sein Team Spanien die Endstation, im Finale der EM 2008 und im Halbfinale der WM 2010. Jetzt kam das Aus wieder vor dem letzten Schritt. Löw bat um Geduld und Realitätssinn: „Man kann den Titel jetzt nicht immer herbeireden“, sagte er, nachdem auch intern monatelang nur davon gesprochen worden war. „Spanien hat lange darauf gewartet“, sagte er mit Blick auf die lange Durststrecke des Welt- und Europameisters.

„Bei den letzten vier Mannschaften ist die Luft ganz dünn“, betonte Löw. „Grundsätzlich haben wir eine gute Entwicklung, das dürfen wir nicht vergessen“, warnte Löw vor Aktionismus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.