Polen will auf die Dortmunder Erfolgswelle aufspringen

(c) EPA (AIDAN CRAWLEY)
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Das Rückgrat der polnischen Heimmannschaft bildet ein Trio vom deutschen Meister. Das gibt Hoffnung.

Warschau. Die polnische Landeshauptstadt hat sich herausgeputzt, sie ist bereit für ein großes Fußballfest. „Creating history together“, steht auf vielen bunten Bannern zu lesen. Jede größere Straße ist mit Fahnen geschmückt, die polnischen Flaggen sind in den vergangenen Tagen auch auffallend mehr geworden. Die Warschauer selbst, die liegen schon längst im Euro-Fieber. Aber sie warten noch auf den großen Ansturm, bei der Auslosung der Vorrunde hatten sie aus heutiger Sicht nicht ganz das große Los gezogen. Die Griechen, die am heutigen Abend den Gegner im Eröffnungsspiel mimen, die haben derzeit andere Sorgen. Die russische Mannschaft wiederum lässt Wladimir Putin mit eigenen Chartern nur an den Matchtagen einfliegen. Und die polnische Mannschaft übersiedelt einmal nach Breslau. Das große Geschäft, das winkt daher vermutlich erst im Viertelfinale. Oder gar erst im Semifinale.

„Wir werden sehen, wie weit uns die Füße tragen“, sagt Robert Lewandowski, der Starstürmer von Borussia Dortmund. Am liebsten würden die Polen natürlich nach der Vorrunde wieder zurückkehren nach Warschau, da müsste man aber schon Gruppensieger werden. Daran wollte der 23-jährige Torjäger aber vorerst nicht denken. Die volle Konzentration galt zunächst dem Duell mit Griechenland. „Die hatte 2004 niemand auf der Rechnung – und dann sind sie Europameister geworden. Es wäre natürlich ein Wahnsinn, wenn uns etwas Ähnliches gelingen würde.“

Bei der polnischen Nationalmannschaft, die im Süden der Stadt ein Nobelquartier bezogen hat, dreht sich alles um ein Trio, das eine traumhafte Saison hinter sich hat. Die Rede ist von Lewandowski, Team-Kapitän Jakub Blaszczykowski, von den Fans einfach nur „Kuba“ gerufen, und Lukasz Piszczek. Sie haben im Ruhrpott triumphal den deutschen Meistertitel geholt, obendrein auch noch den DFB-Pokal.

Der polnische Kapitän, der blickt von vielen Hausfassaden herunter. Er wirbt für Parfum, hat sich als perfekter Götzen-Ersatz zu einem der neuen Lieblinge gemausert. Abwehrspieler Piszczek wiederum – das hat zumindest die Statistik ausgespuckt – war der beste rechte Verteidiger der Liga. Bei Hertha BSC war er bestenfalls Mitläufer. Auch das zeigt, welche explosionsartige Entwicklung hier vonstatten gegangen ist. Der polnische Teamchef, Franciszek Smuda, will sich die Dortmunder Euphorie zunutze machen und auf dieser Welle so lange reiten, so lange das bei dieser Euro nur möglich ist.

„Unser Ziel ist es, dass wir von dieser Euro schöne Bilder machen“, sagt Lewandowski, der in den vergangenen Wochen hermetisch abgeschottet wurde. Auch beim Trainingslager in Österreich war er unnahbar. Interview-Wünsche wurden ausnahmslos abgelehnt. Auf Transfergerüchte reagiert er angeblich gereizt. Der Topstürmer hat einen Vertrag bis 2014, sein Marktwert soll zwischen 15 und 20 Millionen Euro betragen. Das schreckt aber angeblich Juventus Turin nicht ab.

In Warschau ist Lewandowski, der 22 Ligatore erzielt hat, im Cupfinale gegen die Bayern einen Hattrick bejubeln durfte, allgegenwärtig. Er wirbt heute für Coca Cola oder Nike, ist ein Star, an den sich die Hoffnungen einer ganzen Fußball-Nation klammern.

Beim Blick aus seinem Hotelzimmer wird er sich wehmütig daran erinnern, wie man ihn einst bei Legia Warschau wieder weggeschickt hat. Zu klein, zu schwach, zu schmächtig lautete die damalige Einschätzung der Trainer. Also flüchtete er zu einem Vororteklub – für eine Ablöse von 5000 Zloty. Den Manager von Legia Warschau reißt es heute noch, wenn er an diese Tage zurückdenkt.

Robert Lewandowski scheint der geborene Schützenkönig zu sein. Er war es in der dritten Liga, in der zweiten Liga – und in der ersten polnischen Liga. Für die Fans steht fest, dass nur er den goldenen Euro-Schuh gewinnen kann. Für Polen ist er aber auch eine Art sportliche Lebensversicherung. siehe Seite 46

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2012)

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