Polen - Russland: Ein Spiel, das besonders Angst macht

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Symbolbild(c) EPA (SERGEI CHIRIKOV)
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Vor dem Spiel Polen gegen Russland herrscht in Warschau Alarmstufe eins. Die Behörden sind alarmiert, die Exekutive ist gewarnt. Der Countdown war von Provokationen, aber auch wilden Spekulationen geprägt.

Warschau. Polen gegen Russland, das ist nicht nur ein Fußballspiel, das ist nicht nur das Duell zweier Mannschaften, die bei der Euro 2012 vielleicht sogar schon um eine Vorentscheidung in der Gruppe A rittern. Polen gegen Russland, da steckt jede Menge Zündstoff drin. Es sind die historischen Begleitumstände, die dieses Match im Warschauer Nationalstadion zu einem Hochsicherheitsspiel machen. Die Behörden sind alarmiert, die Exekutive ist gewarnt und optimistisch, der Fans Herr zu werden. Polnische Boulevardzeitungen sprechen seit Montag vom „Krieg um Warschau“ und von Provokationen. Es wird Öl ins Feuer gegossen, als ob die Lage nicht schon angespannt genug wäre.

Mit Vorliebe: „Fuck You!“

Das Verhältnis zwischen Polen und Russland ist nicht konfliktfrei, es ist geprägt von Unterdrückung, Krieg und unterlassenem Beistand. Die polnische Nationalmannschaft, die im „Hyatt“ residiert und rund um die Uhr hermetisch abgeriegelt und gut bewacht wird, blickt täglich auf die Fahnen der russischen Botschaft. Die Fans, die dort auf Autogramme ihrer Lieblinge warten, erzürnt dieser Anblick. Oft reagieren sie mit Gesten der Gewalt, die geballte Faust ist das Mindeste. „Fuck you“, schreien sie mit Vorliebe.

Der Konflikt mit den Russen ist nach dem Flugzeugabsturz am 10. April 2010 nahe der russischen Stadt Smolensk, bei dem Polens Staatspräsident Lech Kaczyński und 95 weitere Menschen ums Leben kamen, wieder ausgebrochen. Immer am 10. des Monats, zuletzt am vergangenen Sonntag, wird in Warschau gegen Russland demonstriert. „Präsidentenmord in Russland“ und „Gebt uns das Wrack zurück“ bekam man auf Transparenten zu lesen. Die Russen legten dennoch ihren Kranz nieder. Niemand kann Kritik so ausblenden und ignorieren wie sie.

Russland beeindrucken polnische Aggressionen wenig, es plant von den Umständen völlig unbeirrt den traditionellen Marsch an seinem Nationalfeiertag. Vorgesehen ist der Marsch quer durch die Warschauer Innenstadt. „Dieser Marsch hat und ist Tradition“, behauptet der Sprecher der russischen Fan-Organisatoren. „Normalerweise wird er sogar von Trommeln und Gesängen begleitet.“ Polnische Medien berichten nun aber davon, dass an der Spitze dieses „Umzugs“ eine Fahne aus Zeiten der UdSSR wehen soll – Hammer und Sichel würden eine weitere intolerable Provokation bedeuten. Fan-Chef Ivan Kuznetsov versucht die Aktion herunterzuspielen. „Wir planen keine politische Botschaft . . .“

Verhöhnung mit Papierfliegern

In den Medien geistern vor dem Marsch geschätzter 10.000 russischer Fans über eine der Weichsel-Brücken ins Stadion auch die wildesten Spekulationen herum. Erwartet werden am Spieltag in der Stadt weit über 50.000 Russen.

Am Dienstag machten fast stündlich immer wieder neue Gerüchte die Runde. Zu verifizieren waren sie alle nicht. Auch die Meldung der Zeitung „Moskowskij Komsomolez“ nicht, wonach russische Fans ein Transparent mit der Aufschrift „Smolensk“ im Warschauer Nationalstadion anbringen wollen. Andere Quellen berichteten davon, „Sbornaja“-Anhänger würden im Zusammenhang mit dem tragischen Flugzeugabsturz bereits an Papierfliegern basteln.

Der polnische Innenminister Jacek Cichocki hat sich am Dienstag sehr besorgt geäußert, er fürchtet schwere Ausschreitungen. „Das wird die größte Herausforderung für sämtliche Ordnungskräfte in der Hauptstadt. Wir werden die Situation ständig auf mögliche Gefahrenherde hin analysieren. Und wir hoffen, dass unsere pessimistischen Szenarien nicht eintreten.“



Dass die Beziehung zwischen den beiden Ländern belastet ist geht historisch betrachtet weit zurück. In Erinnerung wird gerufen, dass in Katyn bei einem Massaker der sowjetischen Geheimpolizei im Zweiten Weltkrieg tausende Polen ermordet worden waren.

Gegen Russland läuft nach Vorfällen gegen Tschechien (4:1) bereits ein Disziplinarverfahren wegen des Werfens und Abbrennens von Feuerwerkskörpern sowie Zeigens „unerlaubter Plakate“.

Die Teamchefs beider Länder betonen, sich auf die rein sportlichen Aufgaben konzentrieren zu wollen. „Wir wollen gewinnen“, sagt Polens Trainer Smuda. Will der Gastgeber im Rennen bleiben, darf er gegen Russland nicht verlieren. Auch ohne Stammtorhüter Szczesny, der nach der Roten Karte im Eröffnungsspiel für ein Spiel gesperrt wurde. Auch Verbandschef Lato versucht, die Situation zu kalmieren: „Man darf Sport und Politik nicht vermischen.“

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