Noch so schön, aber nebensächlich

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Polens Teamkapitän Jakub Błaszczykowski, gefeierter Held beim 1:1 gegen Russland, hatte als Kind mitansehen müssen, wie der Vater seine Mutter ermordete.

Warschau. Er ist zum „Man of the Match“ gewählt worden, weil er seine Mannschaft im Rennen um den Einzug ins Viertelfinale gehalten und das bisher wohl schönste Tor dieses Turniers erzielt hat. Ein richtiger „Hammer“ sei das gewesen, urteilte auch Robert Lewandowski, der eigentlich in Sachen Torjubel zuständig ist. Jakub Błaszczykowski, der Kapitän der Gastgeber, ist nun endgültig in die Reihe der polnischen Fußball-Volkshelden aufgestiegen. Von seinem Traumtor gegen Russland schwärmten die Polska-Fans auch noch am Tag nach dem 1:1. Ein Sieg gegen Tschechien am Samstag in Wrozław (Breslau) – und die Mannschaft von Franciszek Smuda hat das Minimalziel erreicht.

Jakub Błaszczykowski, der 26-jährige Dortmund-Legionär, der bei Borussia wertvolle Dienste auf dem Weg zum Double-Gewinn geleistet hat, gilt nicht gerade als Tormaschine. Umso schöner für ihn, wenn er trifft. Aber „Kuba“, wie er genannt wird, wollte sich gar nicht groß feiern lassen. Zu turbulent waren die vergangenen Wochen und Monate für ihn.

Der polnische Teamkapitän wurde in seiner Jugend nicht gerade von Fortuna verwöhnt. 1996 ist seine Mutter verstorben, erstochen von seinem Vater Zygmunt. Der kleine Jakob, damals zehn Jahre alt, musste den Mord mitansehen. In einem Interview mit er „Sun“ hat er vor der EM sein Herz ausgeschüttet. „Ich werde nie verstehen, was damals passiert ist. Ich werde mich immer nach dem Warum fragen.“

Jakub Błaszczykowski wuchs bei seiner Großmutter und seinem Onkel Jerzy, der ebenso in der Nationalmannschaft gespielt hat, auf. „Mein Leben hat sich damals um 180 Grad gedreht. Es war, als ob ein Stein auf meinen Kopf gefallen wäre“, sagte „Kuba“. Der Vater musste für 15 Jahre hinter Schloss und Riegel, im September des Vorjahres wurde er aus dem Gefängnis entlassen. Vor der Euro 2012 ist er verstorben, Jakub war beim Begräbnis, stieß etwas später zum Team.

„Ich würde alles dafür geben, wäre meine Mutter noch am Leben“, sagte Błaszczykowski im polnischen Fernsehen. Dafür würde er auch auf jedes Tor verzichten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2012)

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