Portsmouth FC: Wiedergeburt in der vierten Liga

Johannes Ertl (Archivbild)
Johannes Ertl (Archivbild)(c) APA (Helmut Fohringer)
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Der Grazer Johannes Ertl, Kapitän der "Pompeys", gibt nicht auf. Ebenso wie die Fans - schließlich gehört ihnen der Klub.

Portsmouth. „Fortress Fratton“ steht wie ein Aufschrei auf einem Schild neben dem Eingang zum Fußballstadion des Portsmouth FC. Eine uneinnehmbare Festung ist der Fratton Park, die Heimstätte des 1898 gegründeten Traditionsvereins, freilich längst nicht mehr. Noch ehe heute, Samstag, das finale Saisonspiel der dritten Liga gegen Shrewsbury angepfiffen wird, steht der Abstieg in die unterste Klasse bereits fest. Tiefer geht es im englischen Profifußball nicht mehr.

Dennoch herrscht in der Hafenstadt Aufbruchsstimmung wie seit Langem nicht. „Als die Einigung kam, wurden hier Straßenfeste gefeiert“, erzählt der Grazer Johannes Ertl der „Presse“ von der Übernahme des Vereins, der in den vergangenen drei Jahren zweimal in Konkurs gegangen ist, durch die Fangruppe Portsmouth Supporters' Trust im April. „Endlich gibt es eine Perspektive, der Verein kann sich auf die Zukunft konzentrieren“, hofft Ertl, der vergangenen Herbst von Sheffield United aus der zweiten Liga zu Portsmouth in der dritten Klasse gewechselt ist. Er sagt: „Ich habe den Schritt nie bereut.“

„Hier wird Fußball gelebt“

Einer, der das glaubhaft sagen kann, darf nicht nur auf dem Platz robust sein, wofür Ertl in seiner Rolle in Verteidigung oder Mittelfeld bekannt ist. In der dritten Profiliga, die im marketingbesessenen England nach der Premier League und der Championship als League One verkauft wird, pflegt man einen eher rustikalen Stil. Im Geiste des Kick and Rush eben. Für Ertl, dessen Engagement in Sheffield durch einen Kreuzbandriss zu Ende gegangen ist, hat sich der Wechsel dennoch gelohnt: Nicht nur wurde er zum Kapitän gemacht, die Fans wählten ihn sogar zum „Player of the Season“. „Das ist ohne Zweifel ein Höhepunkt meiner Karriere“, sagt der 30-Jährige, der 2008 mit dem Wechsel von Austria zu Crystal Palace den Sprung auf die Insel gewagt hat und seither heimisch geworden scheint. „Hier wird Fußball nicht nur gespielt. Er wird gelebt.“

Diese Leidenschaft ist es, die Portsmouth nach einer beispiellosen Talfahrt vor dem endgültigen Aus bewahrt hat. Im Mai 2008 erlebte der Klub unter Manager Harry Redknapp mit dem Gewinn des FA-Cups einen einzigartigen Triumph in seiner über hundertjährigen Geschichte. Als er aber im Oktober 2008 zu Tottenham wechselte, offenbarte sich der Scherbenhaufen. Ein überteuerter, aufgeblasener Kader machte Investitionen unmöglich. Sportlicher und finanzieller Niedergang erfolgten Hand in Hand. Im Februar 2010 schickte die Steuerbehörde den Verein erstmals in Konkurs. Die ungedeckten Außenstände betrugen 119 Millionen Pfund, ca. 141 Millionen Euro.

Nachfolgend wechselte der Klub von einem dubiosen Eigentümer zum nächsten. Darunter waren der mittlerweile in Europa per Haftbefehl gesuchte Russe Wladimir Antonow oder der Saudi Ali al-Faraj, den man in Portsmouth seitdem als „Scheich, der keiner war“, kennt. Nachdem 2012 der zweite Konkurs folgt, schließen sich eiserne Fans der „Pompeys“ zusammen und bringen drei Millionen Pfund durch Privatspenden zusammen. Sie kaufen ihren FC. Und damit ist Portsmouth nun der größte englische Fußballklub im Eigentum seiner Fans.

Für die Zukunft der „Pompeys“ bedarf es der sportlichen Erneuerung. In der abgelaufenen Saison stellten sie mit 23 Spielen ohne Sieg einen traurigen Negativrekord auf. „Wir waren verunsichert, Spieler kamen und gingen, und im Jänner ging das Geld aus“, meint Ertl. Der Bann wurde ausgerechnet mit einem 3:0-Heimsieg gegen seinen Exverein Sheffield United gebrochen. „Es war eine Befreiung“, sagt Ertl, der, wie so oft, zum „Man of the Match“ gekürt worden ist.

Harter Spieler, kluger Kopf

Ob er in Portsmouth bleiben wird, will sich Ertl in der Sommerpause überlegen. Er scheint jedenfalls nicht abgeneigt zu sein. „Kapitän in einem englischen Klub zu sein, das ist schon die Erfüllung. Und wir haben jetzt die richtigen Leute beisammen.“ Er fühlt sich im Süden Englands wohl, zudem feiert Lebensgefährtin Selma Adzem gerade Erfolge als Popstar. Ihr Song „Feel the Rhythm“ begrüßt die Portsmouth-Spieler beim Einzug. Ihre erste CD erscheint in Kürze.

Sicherheitshalber hat Johannes Ertl, den sie nur „Johnny“ nennen, für das Leben nach dem Fußball schon vorgebaut. Vor wenigen Wochen beendete er sein MBA-Studium. Er ist zwar ein harter Spieler, aber ein zuvorkommender Mensch, ein kluger Kopf. Deshalb ist ihm Neid fremd. Er freut sich für Aston-Villa-Star Andreas Weimann, er sei die „Entdeckung des Jahres“. Auch drückt er dem ÖFB-Team unentwegt die Daumen. „Es macht mich stolz, sie spielen zu sehen.“ Aber, was soll Ertl denn anderes sagen? In Portsmouth ist die Fußballleidenschaft grenzenlos. Auch in der vierten Liga.

Zur Person

Johannes Ertl (*13.November 1982 in Graz) ist Profifußballer, seit 2012 spielt er für den ehemaligen FA-Cupsieger Portsmouth in der Football League Championship.

Seine Karriere begann er 2002 bei Sturm Graz. Er hat für Austria gespielt (2006–2008) und kickt seitdem auf der Insel. Nach Engagements bei Crystal Palace und Sheffield United ist der ehemalige Teamspieler (sieben Länderspiele) im Vorjahr in Portsmouth gelandet.
Der Mittelfeldspieler ist Kapitän des Traditionsklubs, der sich heute nach dem Spiel gegen Shrewsbury Town in die vierte Liga verabschiedet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2013)

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