„Der Auserwählte“ ist wieder im Schoß der Chelsea-Familie

José Mourinho
José Mourinho(c) EPA (EMILIO NARANJO)
  • Drucken

Real Madrid ist Geschichte, Startrainer José Mourinho kehrt mit Saisonende nach London zurück. „The Special One“ dementiert zwar, hat aber Klubeigentümer Roman Abramowitsch bereits getroffen.

London. Der verlorene Sohn steht vor der Rückkehr. Sechs Jahre nach seiner Entlassung als Trainer des Chelsea FC soll José Mourinho am 1. Juli wieder das Kommando an der Stamford Bridge übernehmen. Wie das für gewöhnlich gut informierte Boulevardblatt „The Sun“ gestern weiter berichtete, soll der Portugiese ein Jahresgehalt von zehn Millionen Pfund (11,8 Millionen Euro) erhalten. Zudem habe ihm Klubeigentümer Roman Abramowitsch ein Transferbudget von 100 Millionen Pfund zugesagt, will der „Daily Mirror“ wissen.

Die beiden Herren sollen sich bei einem gemeinsamen Mahl im Londoner Restaurant „La Famiglia“ einig geworden sein. Der Ort hätte nicht passender gewählt worden können. Chelsea und Mourinho, das ist wie eine große Familie. „Ich möchte an einem Ort sein, wo mich die Menschen lieben“, sagte Mourinho nach dem Ausscheiden von Real Madrid aus der Champions League. „Ich weiß, dass man mich in England liebt. Ich werde von einigen Vereinen geliebt, besonders aber von einem.“

Welcher das sein könnte, ist das wohl am schlechtesten gehütete Geheimnis der englischen Premier League. Das Europa-League-Semifinale Chelsea gegen Basel war gerade neun Minuten und sieben Sekunden alt, als eine riesige Welle von „José's coming home“-Rufen durch das Stadion an der Stamford Bridge schwappte. Der von den Fans abgelehnte Interimstrainer Rafael Benitez konnte nach dem 3:1-Sieg seiner Mannschaft nur gequält lächeln: „Ich bin hier, um professionelle Arbeit abzuliefern“, sagte er. Von Liebe sprach er nicht.

Paradoxerweise dürfte aber gerade die gute Arbeit des ungeliebten Benitez den Ausschlag für die Rückkehr des geliebten Mourinho gegeben haben. Denn Chelsea wird eine verkorkste Saison noch halbwegs zufriedenstellend abschließen und auch im kommenden Jahr um Meisterschaft und Champions League spielen: Der dritte Ligaplatz und damit die Champions-League-Teilnahme scheinen sicher, zudem steht das Team um Frank Lampard, John Terry und Petr Cech im Finale um die Europa League gegen Benfica (15. Mai in Amsterdam). Was in den kommenden Jahren noch mehr zählen wird: Mit Mata, Oscar, Luis, Hazard, Ba hat er einige der vielversprechendsten Talente des europäischen Fußballs zu Fixpunkten des Chelsea FC gemacht.

Sieben Trainer in sechs Jahren

Mourinho könnte damit einmal mehr genau das machen, was ihm Kritiker vorhalten: ernten, was andere gesät haben. Seine beiden Titel mit Chelsea 2005 und 2006 hätte er nicht ohne die Vorarbeiten eines Claudio Ranieri gewonnen, wenngleich dem Italiener sowohl Sendungs- als auch Selbstbewusstsein des Portugiesen fehlten. Bis heute prägend in Erinnerung geblieben ist Mourinhos erste Pressekonferenz nach seiner Bestellung zum Chelsea-Manager am 2. Juni 2004: „Nennen Sie mich bitte nicht arrogant. Aber ich bin ,The Special One‘.“ Was durchaus mit „der Auserwählte“ übersetzt werden kann und darf.

Nach seinem Rausschmiss bei Chelsea bewies Mourinho nachfolgend bei Inter Mailand und nun bei Real Madrid, wo er noch einen gültigen Vertrag bis 2016 hätte, dass er einer der größten Fußballtrainer der Gegenwart ist. Mit Inter gewann er das Triple, mit Real jagte er Barcelona den Meistertitel ab. Aber er bewies auch, dass er einer der schwierigsten Charaktere im heutigen Fußball ist.

Chelsea verließ er am 20. September 2007 im Streit, nachdem er die Einmischungen von Abramowitsch endgültig satthatte. Danach verbrauchte der russische Oligarch sieben Trainer in sechs Jahren, selbst Champions-League-Gewinner Roberto Di Matteo arbeitete nur ein paar Monate. Die unheilvolle Verbindung aus einem nie zufriedenen Eigentümer, einem berüchtigt aufmüpfigen Spielerkader und einer überheblich-verwöhnten Fangemeinde konnte bisher keiner so schultern wie „The Special One“. Daher ist er auch der Erste und Einzige, der es bei Chelsea ein zweites Mal versuchen darf. Solange es Roman Abramowitsch gefällt.

Auf einen Blick

José Mourinhos Rückkehr zum FC Chelsea soll beschlossene Sache sein. Der Portugiese hatte London 2007 verlassen, gewann seitdem mit Inter Mailand das Triple und führte auch Real Madrid zum Titel. In London soll der 50-Jährige zwölf Millionen Euro pro Jahr verdienen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Zeitlupe

Großer Helfer in kleiner Not

Der englische Fußball wird von José Mourinho profitieren.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.