Abramowitsch: Fußballklub nur ein Spielzeug

Abramowitsch Fussballklub Spielzeug
Abramowitsch Fussballklub Spielzeug(c) EPA (Paul Kingston)
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Porträt des Tages: Seit dem 1. Juli 2003 regiert der Russe Roman Abramowitsch den Londoner Traditionsklub Chelsea. Jetzt wagt er mit Startrainer José Mourinho einen Neubeginn.

[LONDON/WIEN/FIN] Roman Abramowitsch ist kein Mann der großen Worte. Über Geld spricht er gar nicht. Auch äußert er sich selten über Fußball, sein Privatleben ist für die Öffentlichkeit tabu. Dennoch kursieren in London zahlreiche Anekdoten über den Milliardär, der am 1. Juli 2003 den FC Chelsea für 165 Millionen Euro in seinen Besitz brachte. Damit revolutionierte ein einziger Mann den Fußball – nicht nur in der Premier League.
Als der Russe kurz vor der Übernahme glaubte, das Stadion des Klubs aus seinem Helikopter heraus zum ersten Mal zu sehen, soll er einen Angestellten angeblafft haben: „Was, diesen Mist kaufen wir?“ Es war aber die Heimat des FC Fulham, die im Westen Londons nicht weit entfernt von Chelseas Stamford Bridge liegt . . .
Wigans Boss Dave Whelan erzählt über den Oligarchen, dass er bei seinem einzigen Besuch im Stadion der Latics den berühmten Wigan Pie verschmähte und eigenes Wasser mitbrachte. Wohl aus Angst, man könne ihn vergiften. Die wenigen Meter vom Hubschrauberlandeplatz zum Stadion sei er in einem mit Panzerglas gesicherten Auto gefahren. Sicher ist sicher. Augenzwinkernd erinnert sich auch Chelseas Exstürmer Franco di Santo an den Landeanflug vor zehn Jahren. „Er hat damals noch viel mehr gesehen, was er kaufen wollte, aber das meiste gehörte der Queen.“

Abramowitsch kam aus dem Nichts. Auch den Chelsea-Verantwortlichen war er unbekannt. „Ich habe ihn gegoogelt, aber er erschien nicht. Niemand wusste etwas über ihn. Ich war nicht sicher, ob ich es mit der versteckten Kamera zu tun hatte“, erinnerte sich Exvorstand Trevor Birch im „Standard“ an die damaligen Verhandlungen. „Wir haben den Deal in zehn Minuten gemacht.“ Seitdem sollte bei Chelsea kein Stein mehr auf dem anderen bleiben.
Chelsea war zwar schon vor dem Einstieg des 46-Jährigen ein Topklub mit ausländischen Stars, hatte aber über seinen Verhältnisse gelebt. Unter Vorgänger Ken Bates waren 80 Millionen Pfund Schulden aufgelaufen. 2003 qualifizierte man sich gerade so für die Champions League, finanziell sah es aber eher nach Armenhaus als nach Königsklasse aus. Hätte der Russe nicht den Rubel rollen lassen, der Konkurs hätte gedroht.

Elf ausländische Investoren

Abramowitschs Einstieg zwang auch alle Gegner, nach neuen Einnahmequellen zu suchen und ebnete den Weg für weitere ausländische Besitzer. Vor 2003 war Fulham der einzige Verein der Liga in Händen eines fremden Mäzens. Heute sind es elf. Unter dem laut „Forbes“ 10,2 Milliarden Euro reichen Russen kaufte Chelsea 64 Spieler, zuletzt André Schürrle von Bayer Leverkusen. 874 Millionen Pfund (1,02 Milliarden Euro) hat die „Mail on Sunday“ an Ausgaben für Transfers addiert. 1,5 Milliarden Pfund habe Abramowitsch zudem an Gehältern lockergemacht.
13 Titel, darunter 2005 die erste Meisterschaft seit 1955, der Gewinn der Champions League 2012 und der Europa League 2013, reichen ihm als Gegenleistung aber offensichtlich nicht. Neun Trainer hat der Russe hochkant gefeuert und gerade erst den zurückgeholt, mit dem 2004 die erfolgreiche Zeit begann: José Mourinho.
Mourinho soll dafür sorgen, dass das Spielzeug des siebenfachen Vaters im gleichen Glanz erstrahlt wie seine Jachten, seine Boeing oder seine Kunstwerke. Die Perfektion, die diese Besitztümer auszeichnet, hat ihm bei Chelsea zuletzt gefehlt. Um sie auch auf dem Rasen wieder zu erreichen, wird Abramowitsch auch im elften Jahr die Schatulle öffnen, obwohl auch er seit seinem Landeanflug auf Chelsea gelernt hat, dass selbst er nicht alles kaufen kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2013)

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