Ballack – der lange Abschied des „Capitano“

SWITZERLAND SOCCER EURO 2008
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Michael Ballack galt bis zu seiner harten Ausmusterung durch Teamchef Joachim Löw als der Spielmacher Deutschlands. Alle Differenzen sind bereinigt, in München stand er zum letzten Mal im Rampenlicht.

München/Ww. Es war inszeniert – und diese Geschichte hätten sich die beiden Fußballer noch vor Kurzem, bei aller Vorstellungskraft, wirklich nicht erwartet. Am Tag des 100. Länderspiels von Philipp Lahm, dem Duell in der WM-Qualifikation gegen Lieblingsgegner Österreich, erhielt just der ehemalige „Capitano“ Michael Ballack seinen offiziellen Abschiedsblumenstrauß vom Deutschen Fußball-Bund. Lange ist über den Abschied des ehemaligen Leistungsträgers gestritten worden, am Freitag war es in München soweit.

Also standen die beiden einst verfeindeten Kapitäne vor dem Anpfiff nebeneinander auf dem Platz. Sie lachten, erhielten ihre Ehrungen. Und als Draufgabe, als hätte es nie auch nur ansatzweise irgendwelche Unstimmigkeiten gegeben, erhielt Ballack auch noch die Ehrenmitgliedschaft im Klub der Nationalmannschaft.

98 Länderspiele – und das Ende

„Ballack hat viel für den DFB geleistet und war immer ein Botschafter unseres Fußballs“, fand DFB-Präsident Wolfgang Niersbach Lobesworte über den einst gefeierten, und dann, weil widerspenstig, verteufelten Star. Die Differenzen zwischen Ballack und Teamchef Joachim Löw hatten zu einer Lagerbildung in Deutschland geführt. Aus Anhimmelung wuchs Ablehnung und ein für deutsche Verhältnisse unrühmliches Aus.

98 Länderspiele, 42 Tore, Vizeweltmeister 2002, EM-Zweiter 2008, viermal deutscher, einmal englischer Meister, dreimal Cupsieger, ein Ligacup-Triumph in England, dreimal FA-Cup-Sieger, zweimal Champions-League-Finalist – Ballack hatte eine große Karriere, obwohl ihm die Krönung mit einem großen internationalen Titel verwehrt geblieben ist.

„Er war der Erste, der Abräumer und Spielmacher zugleich war– und Torjäger“, sagt der einstige Teamchef Rudi Völler. Mit ihm erlebte Ballack bei der WM 2002 auch die besten, zugleich bittersten Stunden. Mit einem Foul im Halbfinale gegen Südkorea (1:0) und der damit verbundenen Gelb-Sperre für das Finale „opferte“ sich Torschütze Ballack sogar für seine Mannschaft. Den Titel aber gewann Brasilien, Ballack weinte allein auf der Tribüne.

Die letzten Jahre in Ballacks Profikarriere, die 1994 in Chemnitz begonnen hatte, waren noch schmerzhafter. Ein brutales Foul von Kevin-Prince Boateng beendete 2010 nicht nur die WM-Hoffnungen des Görlitzers, sondern in Wahrheit auch seine Teamkarriere. Ballack verlor die Kapitänsschleife an Lahm, der sie nach der WM nicht mehr hergeben wollte.

Ballacks Ära war damit vorbei. Auch Löw reagierte, er verzichtete ab der Saison 2011 auf ihn. Zu viele Anfeindungen und Missverständnisse waren entstanden. Der von Verletzungen geplagte Star lehnte sogar das Angebot für zwei Einsätze in Freundschaftsspielen ab. Das sei eine „Farce“, auf den „Hunderterklub“ hatte er „keinen Bock“ mehr. Seine Worte klangen hart, er fühlte sich betrogen, verkannt. Heute sagt der 36-Jährige: „Im Fußball gibt es schwierige Zeiten, wie im normalen Leben auch. Wichtig ist, dass man wieder zusammenkommt. Ich habe mit Löw geredet, mit Fußball abgeschlossen und den Absprung geschafft.“

Krieg und Frieden

Löw und Lahm waren Anfang Juni sogar bei Ballacks Abschiedsspiel in Leipzig dabei. Der Wirbel ist vergessen, die Wogen sind geglättet und medial verschickte Bosheiten vergessen. Lahm sagt: „Wir werden uns nie mehr bekriegen.“

Was aber macht Ballack nun? Pläne habe er keine, im Stadionmagazin für das Österreich-Spiel berichtete er vom Urlaub, einem Besuch bei Michael Essien in Ghana. „Für den Schritt in einen neuen Lebensabschnitt ist Motivation wichtig, die muss wachsen. Ich will und muss mein Leben ja nicht mehr minutiös durchplanen.“ Der „Capitano“ hat etwas länger gebraucht, aber er hat es geschafft. Er hat Gefallen daran gefunden, nicht mehr im Rampenlicht zu stehen.

Auf einen Blick

Michael Ballack wurde vor dem Österreich-Spiel in München vom DFB verabschiedet.
Der ehemalige DFB-Spielmacher (98 Länderspiele), Vizeweltmeister (2002) und viermalige deutsche Meister war 2011 „ausgemustert“ worden. Ballack lehnte Abschiedsspiele lange als „Farce“ ab, erst heuer hat er sich mit Joachim Löw und Philipp Lahm versöhnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2013)

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