Daniel Royer: "Ich war fast am Verzweifeln"

Daniel Royer fast Verzweifeln
Daniel Royer fast Verzweifeln(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Christian Ort)
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Nach zwei lehrreichen Jahren in Deutschland spielt Royer, 23, seit dem Sommer bei Austria Wien. Vor dem Champions-League-Auftakt gegen den FC Porto spricht er über mediale Löwengruben und ein Gerichtsverfahren.

Sie sind erst zwei Monate Spieler der Wiener Austria und schon gibt es zu Ihren Ehren einen eigenen Fangesang. „Ein Schuss, ein Tor, der Royer . . .“

Daniel Royer: Damit machen es mir die Fans eigentlich richtig schwer. Ich muss ja schon mit dem ersten Schuss treffen.

Hatten Sie denn keinerlei Zweifel, als Sie im Sommer aus Köln kommend zu einer homogenen und funktionierenden Mannschaft gestoßen sind?

Viele Leute haben mir davon abgeraten, nach Österreich zurückzukehren, aber die Austria hat mir eine Perspektive geboten. Hier kann ich um nationale Titel kämpfen, auch international mitspielen. Dass ich mich einem großen Konkurrenzkampf stellen muss, war mir bewusst. Badkicker gibt es keine mehr.

Gab es Optionen, weiterhin in Deutschland zu bleiben?

Ich hätte, wie es der Vertrag vorgesehen hat, noch zwei Jahre in Hannover bleiben können, wollte aber nach dem Jahr in Köln nicht dorthin zurück. Hannover war meine Erstliga-Option. In der zweiten Liga hatten zwei, drei Klubs Interesse signalisiert, aber mit keinem dieser Vereine hätte ich wohl um den Aufstieg mitgespielt.

Sehen Sie sich in Deutschland als gescheitert?

Ich würde nicht sagen, dass ich gescheitert bin, aber der große Durchbruch ist ausgeblieben. Aber mit 23 Jahren zähle ich noch nicht zum alten Eisen, vielleicht ergibt sich in der Zukunft nochmals ein Auslandsengagement. Es bleibt jedenfalls mein Ziel. Nur, weil ich in den letzten beiden Jahren nicht groß durchgestartet bin, höre ich nicht auf zu träumen.

Sie sind nach nur einem Jahr in Ried nach Hannover gewechselt. War dieser Schritt zu groß, kam er zu früh?

Das kann schon sein. Ich tat mir von Anfang an damit schwer, in Hannover Fuß zu fassen. In der Europa League war ich für den Klub nicht spielberechtigt, weil ich zuvor schon für Ried gespielt hatte. Und in der Meisterschaft waren schon einige Runden gespielt. Weil das Team sehr erfolgreich war, wurden kaum Änderungen vorgenommen. Aber wenn ich ehrlich zu mir bin: Ich wäre damals nicht bereit gewesen, Stammspieler in Hannover zu sein.

Woran hat es gefehlt?

Vor allem an der Physis. In Deutschland sind alle Spieler Maschinen. Da gibt es keinen, der beim Training auch nur ein bisschen zurücksteckt. Es gibt nur Vollgas, jeder hat die richtige Einstellung. An diese Qualität des Trainings musste ich mich erst gewöhnen.

Gewöhnen müssen sich viele Spieler auch an den deutschen Boulevard.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendwo noch schlimmer als in Köln ist. So etwas habe ich noch nie erlebt. Dort muss jeden Tag ein ganz besonders interessanter Artikel über den FC in der Zeitung stehen, meist ein negativ behafteter. Wenn du in Köln einmal ein schlechtes Wort verlierst, stürzen sich die Medien wie die Löwen auf dich. Dann wird aus einer Mücke gerne ein Elefant gemacht.

Lassen Sie uns über die Champions League sprechen. Welche Gedanken sind Ihnen durch den Kopf geschossen, als gegen Dinamo Zagreb der Einzug in die Gruppenphase realisiert wurde?

Ich habe für gewöhnlich immer etwas zu sagen, aber nach dem Schlusspfiff haben mir einfach die Worte gefehlt. Vor dem Rückspiel gegen Zagreb habe ich darüber nachgedacht, wie geil dieser Moment sein muss, wenn der Schiedsrichter abpfeift und es tatsächlich vollbracht ist. Ich habe mir selbst gesagt: „Realisiere es, du bist in der Champions League“, aber irgendwie blieb dieser Moment aus. Es ist ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen.

Wie haben Sie die Auslosung mitverfolgt?

Im Viola Pub mit ein paar Kollegen. Ich hätte das im Vorfeld nicht für möglich gehalten, aber ich war total nervös, habe fast Schweißausbrüche bekommen. Wir sind als letztes Team gezogen worden, lieber wäre mir aber das vorletzte Los gewesen. Dann hätten wir uns mit Bayern messen dürfen . . .

Unmittelbar nach der Auslosung war im violetten Lager eine gewisse Enttäuschung festzustellen. Es fehle der „Kracher“.

Ich glaube, es ist normal, dass, wenn man sich einmal für die Champions League qualifiziert hat, von Duellen mit Manchester United, Barcelona, Milan oder Chelsea geträumt wird. Aber wir dürfen angesichts unserer Gegner nicht unverschämt sein. FC Porto, Atletico Madrid und Zenit St. Petersburg sind drei Topmannschaften, die ganz klar über uns zu stellen sind, vor denen wir großen Respekt haben.

Was dürfen die Fans am Mittwoch von der Austria gegen Porto erwarten?

100 Prozent Leidenschaft und Herz. Wir müssen alles in die Waagschale werfen, uns mit Händen und Füßen wehren. Damit nach 90 Minuten Zählbares herausschaut, muss aber alles zusammenpassen. Die wenigen Chancen, die wir bekommen, müssen wir nutzen. Der FC Porto steht für mich für eine grandiose Transferpolitik. Aus der aktuellen Mannschaft haben vielleicht noch nicht alle Spieler einen großen Namen, aber in den nächsten Jahren werden wieder einige von ihnen um viel Geld an einige Kaliber verkauft werden – dann kennt sie jeder. Vielleicht haben wir Glück und Porto unterschätzt uns ein wenig.

Gibt es Gegenspieler, auf die Sie sich besonders „freuen“?

Hulk von St. Petersburg und David Villa von Atletico. Hulk ist jedem ein Begriff, eine solche Maschine wie ihn gibt es kein zweites Mal, auch nicht in Deutschland oder England. Und Villa hat auf Vereins- und Nationalteamebene schon alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt.

Fürchten Sie schon die Doppelbelastung, die durch Europacup und Meisterschaft auf Sie zukommt?

Überhaupt nicht. Für einen Spieler ist es doch eigentlich das Schönste, zweimal pro Woche aufs Feld zu laufen. Mir persönlich taugt das total. Wir haben einen großen und guten Kader, der es erlaubt, in Englischen Wochen zu rotieren, das haben wir gegen Wolfsberg und Innsbruck auch schon bewiesen. Wir sind alle bereit – und wir wollen diese Doppelbelastung, schließlich ist das internationale Geschäft eine Belohnung.

Sie haben sechs Einsätze im österreichischen Nationalteam vorzuweisen. Teamchef Marcel Koller vertraut fast ausschließlich Legionären. Sehen Sie eine realistische Chance, bald wieder dem Team anzugehören?

Ich will bei der Austria mit guten Leistungen auf mich aufmerksam machen, der Rest liegt nicht in meinen Händen. Die Legionäre haben sich das Vertrauen des Teamchefs absolut verdient, aber die Einberufung von Rapid- und Austria-Spielern zeigt mir, dass vom Teamchef alle Leistungen honoriert werden. Egal, bei welchem Klub sie erbracht werden.

2011 wurden Sie nach einem Vorfall in einer Schladminger Diskothek wegen falscher Beweisaussage, Begünstigung und Verleumdung zu einer Geldstrafe von 180.000 Euro verurteilt, letztlich aber in allen Punkten freigesprochen. Wie sehr hat Sie dieses Thema belastet?

Ich wusste, dass ich unschuldig bin. Die ganze Geschichte hat sich über zweieinhalb Jahre gezogen, mich viel Substanz gekostet. Das war die schwierigste Zeit meines Lebens.Aber das Wichtigste ist, dass ich in allen Punkten freigesprochen wurde.

Haben Sie diese Probleme mit auf den Fußballplatz begleitet?

Die Geschichte wurde publik, als ich gerade nach Hannover gekommen bin. Ich bin allein in einer fremden Umgebung gesessen, habe die Zeitungen aufgeschlagen und nur Blödsinn über mich gelesen. Sie können sich vorstellen, wie es mir ging. Ich war fast am Verzweifeln.

Haben Sie sich von der Justiz im Stich gelassen gefühlt?

Ich habe damals den Glauben an sehr, sehr viele Dinge verloren.

Daniel Royer fast Verzweifeln
Daniel Royer fast Verzweifeln(c) Die Presse / GK

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2013)

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