(Eigen-)Tor im Endspiel um Hoeneß

Bayern Munich President Hoeness arrives for his trial for tax evasion at a regional court in Munich
Bayern Munich President Hoeness arrives for his trial for tax evasion at a regional court in Munich(c) REUTERS (POOL)
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Der Präsident des FC Bayern tritt zu Prozessbeginn die Flucht nach vorn an: Er habe um 15 Millionen Euro mehr an Steuern hinterzogen, als die Staatsanwälte ihm vorwerfen.

Berlin. Die Bombe platzte kurz vor der Mittagspause. Nicht deshalb, weil Uli Hoeneß zum Start seines Prozesses am Landgericht München ein Geständnis ablegte – das hatte der Präsident des FC Bayern schon im Jänner 2013 durch eine Selbstanzeige beim Finanzamt getan. Sondern weil er nun darlegte, dass er noch weit mehr an Steuern hinterzogen hat, als ihm die Staatsanwaltschaft zur Last legt. „Ich will ohne Wenn und Aber reinen Tisch machen“ – eine riskante Flucht nach vorn.

Auf 33 Mio. Euro summierte die Anklageschrift die Kapitalerträge auf einem Nummernkonto der Zürcher Privatbank Vontobel, das der legendäre Fußballmanager dem deutschen Fiskus verheimlicht hatte. Damit habe er zwischen 2003 und 2009 in Summe 3,5 Mio. Euro an Steuern hinterzogen. Diese Zahl war schon öffentlich bekannt.

„Echter Kick“ beim „Zocken“

Aber für eine erste Überraschung sorgte der Staatsanwalt mit einem neuen Vorwurf: Bei seinen Steuererklärungen habe Hoeneß dem Staat durch zu hohe Verlustvorträge weitere 5,5 Mio. vorenthalten.

Wer das schon für die Meldung des Tages hielt, hatte die Rechnung ohne die schonungslose Offenheit des Angeklagten gemacht. Hoeneß gab zu: Er habe mit immensen Beträgen auf den Devisen- und Aktienmärkten „gezockt“ und bei diesem „echten Kick“ den Überblick verloren. Sein Anwalt hat ihn wieder: Allein die waghalsigen Spekulationsgeschäfte mit dem Schweizer Spielgeld ergäben eine Steuerschuld von 18,5 Mio. Euro – also 15Mio. mehr als laut Anklage.

Der richtig reine Tisch wirft düstere Schatten. Denn nach den Leitlinien des Bundesgerichtshofs muss ein Steuersünder „in der Regel“ ins Gefängnis, wenn er mehr als eine Million hinterzogen hat – bis zu fünf Jahre lang. Von dieser Grenze liegt der Patriarch im wirtschaftlich erfolgreichsten Fußballklub der Welt nun sehr weit entfernt. Zwar musste bisher noch kein Deutscher, dessen Name auf einer Steuer-CD auftauchte, tatsächlich hinter Gitter.

Aber die meisten Fälle laufen auf Deals hinaus, mit denen Betroffene ein öffentliches Verfahren vermeiden. Hier aber ist das Tribunal schon im Gang, der Medienrummel riesig. Ganz Deutschland blickt gebannt auf den rigorosen Richter Rupert Heindl, der schon im Vorfeld jeden Deal ausgeschlossen hat. Keine guten Aussichten also für Hoeneß. Es sei denn, er kann sich Bewährung oder Straffreiheit durch „besonders gewichtige Milderungsgründe“ erkämpfen. Ein „überschießendes Geständnis“ zählte bisher nicht dazu.

Damit hat der auf nur vier Tage anberaumte Prozess noch weit spannender begonnen, als zu erwarten war. Die vier geladenen Zeugen, allesamt Fiskalbeamte, sollen eigentlich eine andere Frage klären: War die Selbstanzeige des 62-Jährigen rechtzeitig, vollständig und damit strafbefreiend? Nicht für die Staatsanwälte, die schon vor einem Jahr einen Haftbefehl ausstellten. Dass Hoeneß nicht längst in U-Haft sitzt, verdankt er einer Kaution von fünf Mio. Euro. Für die Verteidigung aber hat er sich mit seiner Anzeige steuerehrlich gemacht und „tätige Reue“ gezeigt.

Statt Wortgefechte über diese Streitfrage schwirren nun irritierende Zahlen durch den Gerichtssaal. Aber beide Themen hängen zusammen. Und zwar so: Die Vontobel-Bank informierte Hoeneß im Jänner 2013, dass „Stern“-Reporter dem Konto einer „Sportgröße“ auf der Spur seien.

Der Name Hoeneß fiel nicht. Der Vereinspräsident und Aufsichtsratschef aber brach umgehend in Panik aus und forderte von seinem Steuerberater in Windeseile eine Selbstanzeige. War damit zum Zeitpunkt der Anzeige die Tat bereits entdeckt, wusste dies der Betroffene, oder musste er damit rechnen? Dann befreit die Reue nicht vor Strafe. Fest steht: Die 33.000 Kontobewegungen eines besessenen Spielers lassen sich nicht über Nacht für sieben Jahre rekonstruieren und für den Fiskus sauber belegen. Damit war die Anzeige nicht vollständig. Tatsächlich brauchte es bis vorige Woche, um den Behörden ein 70.000-Blatt-Konvolut mit allen Belegen vorzulegen. Wohl deshalb hat es die Anklage nicht mehr berücksichtigt.

Schwindelerregende Verluste

Bitter für Hoeneß: Anders als die nun beglichene Steuerschuld suggeriert, habe sich seine wilde Zockerei „unter dem Strich nicht gelohnt“. Er sei mit „einem Millionenverlust“ ausgestiegen. Nicht das erste Mal: In einer Steuererklärung wies er vor einigen Jahren einen Verlustvortrag aus „Veräußerungsgeschäften“ über schwindelerregende 119 Mio. Euro aus.

Hoeneß war Spitzenfußballer in den Siebzigerjahren, Vereinsmanager und Gründer einer Wurstfabrik. Wie kann jemand mit dieser stattlichen, aber ökonomisch nicht spektakulären Biografie solche Verluste verkraften? Vielleicht wird der Prozess in München auch dieses Rätsel noch lösen.

DIE CAUSA

Der Hoeneß-Prozess ist für vier Tage anberaumt, am Donnerstag soll in München das Urteil fallen. Dem Präsidenten des FC Bayern wird vorgeworfen, dass er dem Fiskus ein Konto in der Schweiz verheimlicht hat. Mit dem dort geparkten Geld spekulierte der legendäre Fußballmanager auf den Devisen- und Aktienmärkten. Im Jänner 2013, als die Zeitschrift „Stern“ schon darüber recherchierte, zeigte sich Hoeneß selbst beim Finanzamt an. Für den Staatsanwalt erfolgte die Anzeige zu spät und zu unvollständig, um strafbefreiend zu wirken. Hoeneß drohen bis zu fünf Jahre Haft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2014)

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