Champions League: Ein Team erfindet die Leidenschaft

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Atlético Madrid wird längst gefürchtet, und eigentlich will gegen die „Rojiblancos“ gar niemand mehr spielen. Nur José Mourinho wagt es mit Chelsea gerne.

Wien/Madrid. Man soll im Fußball mit Urteilen nicht voreilig sein, das hat sich immer schon gerächt und daran hat sich nichts geändert. Den spanischen Fußball, den wollen einige seit zwei, drei Jahren bereits zu Grabe tragen – dass die spanische Nationalmannschaft noch immer zu den besten der Welt gehört, passt da so gar nicht ins Bild. Und dass mit Atlético Madrid und Real Madrid zwei absolute Topteams im Semifinale der Champions League stehen, das haben beide Klubs doch nur den hervorragenden Legionären zu verdanken. Lieber wühlt man in den Wunden des FC Barcelona, der das Cupfinale verloren hat, in der europäischen Königsklasse im Viertelfinale gescheitert ist. Aber Meister können die Katalanen irgendwie immer noch werden. Weil Athletic Bilbao geschlagen wurde und der abgeschriebene Lionel Messi hin und wieder doch noch trifft (26 Liga-Tore).

An der Tabellenspitze thront weiterhin Atlético Madrid. Der Arbeiterklub, bei dem einst nach der WM 1990 in Italien der Österreicher Gerhard Rodax unter Vertrag gestanden ist, hat zuletzt acht Ligasiege in Serie gefeiert, drei Erfolge fehlen noch zum ersten Triumph in der Meisterschaft seit 1996. Aber nun dreht sich wieder alles um die Champions League, schließlich wartet im heutigen Halbfinal-Hinspiel der FC Chelsea.

Ganz Madrid liegt im Fußball-Fieber, denn am Mittwoch gastieren dann die Bayern in der Metropole. Und es ist nicht auszuschließen, dass das Finale heuer ein Madrider Derby wird, am 24. Mai in Lissabon könnten durchaus Atletico und Real aufeinander treffen. Da werden die Münchner allerdings ein gewaltiges Wörtchen mitreden, der Trainer ist mit den spanischen Verhältnissen jedenfalls bestens vertraut. Aber nicht nur Pep Guardiola genießt einen gewissen Heimvorteil, auch José Mourinho hat in Spanien schon seine Spuren hinterlassen.

Qualität – Wille

„Das wird ein echtes Spektakel. Chelsea ist ein fantastisches Team, aber die Chancen stehen 50:50“, freut sich Atléticos Clubchef Enrique Cerezo auf das Gastspiel der Londoner. Und Mittelfeldspieler Gabi ist sich sicher: „Atlético hat vielleicht nicht mehr Qualität, aber auf jeden Fall den größeren Erfolgswillen. Wir wollen einen großen Schritt Richtung Finale machen.“

Die jüngsten beiden Sieger der Europa League, Atlético und Chelsea, greifen in dieser Saison nach dem wertvollsten Pokal im europäischen Fußball. Die Spanier wollen gegen die Engländer ihren erstaunlichen Höhenflug unter Trainer Diego Simeone fortsetzen. Chelsea-Coach Mourinho, der als erster Trainer mit drei verschiedenen Vereinen die Champions League gewinnen könnte, hat keine guten Erinnerungen an die Madrilenen.

Denn Atlético hat vor einem Jahr im spanischen Cupfinale Real Madrid mit 2:1 n.V. bezwungen und damit dafür gesorgt, dass sich Mourinho von den „Königlichen“ mit einer titellosen Saison Richtung Chelsea verabschieden musste. Am Ende titellos könnte nun auch Chelsea im Falle eines Scheiterns gegen Atlético dastehen.

In den englischen Cup-Bewerben längst out, haben die „Blues“ in der Premier League mit dem 1:2 daheim gegen Sunderland auch einen herben Dämpfer im Meisterschaftsrennen kassiert. Mourinho gratulierte daraufhin sarkastisch dem Referee Mike Dean zu einer „fantastischen Leistung“, da dieser im Finish den Gästen einen Elfmeter zusprach.

Spektakuläres Wachstum

Der gefährlichste Mann von Chelsea ist an sich Samuel Eto'o. Der Torjäger ist so erfahren, dass er immer noch zum Matchwinner werden kann. Im laufenden Bewerb hat er bisher dreimal getroffen, insgesamt hat er in 70 Spielen der Königsklasse 33 Mal eingenetzt. In der Liga hat er in 21 Spielen neun Tore erzielt.

Bei Atletico Madrid ist die Frage noch einfacher zu beantworten, bei den Spaniern dreht sich alles um Diego Costa. Mit 27 Treffern in 31 Liga-Spielen steht er auf Platz zwei der Torschützenliste. Auch in der Champions League hat er bereits sieben Tore erzielt, in nur sechs Partien. Nur beim 1:1-Remis in Barcelona gelang ihm kein Treffer.

Der Tabellenführer trägt klar die Handschrift von Diego Simeone. „Marca“ attestiert dem Klub mittlerweile „das spektakulärste Wachstum im europäischen Fußball seit Borussia Dortmund.“ Der argentinische Trainer ist kein Jürgen Klopp, aber er hat eine klare Linie. Und er predigt vor allem eines – Leidenschaft. Schon als Spieler war er in Madrid eine Art Galionsfigur des Vereins gewesen, er war immer bereit für den Kampf. Geändert haben sich nur die Mittel. Er hat Atletico vor zwei Jahren während der Saison übernommen, seither geht es schier unaufhaltsam bergauf. Gleich im ersten Jahr triumphierte man in der Europa League, dann holte man den spanischen Pokal – was in den nächsten Wochen im ärmeren Süden der Stadt („Colchoneros“ – „Matratzenmacher“) noch alles passiert, das lässt sich noch nicht abschätzen. Aber es kann durchaus nahezu Fußball-Historisches werden.

Gegen Atletico Madrid will längst keiner mehr spielen, weil der Gegner einfach zu unangenehm geworden ist. Gerne überlässt man dem Gegner den Ball – um selber die Tore zu erzielen. Meistens ist es Diego Costa. Und mittlerweile spielt der gebürtige Brasilianer für – Spanien. Unterschätzt wurde er einige Jahre, an kleinere Klubs wie Vigo, Albacete, Valladolid oder Rayo Vallecano verliehen.

Heute reißen sich Millionenklubs um ihn. Einer davon ist ausgerechnet der FC Chelsea.

PROGRAMM

Champions League. Halbfinale, Hinspiele, Dienstag: Atlético Madrid – Chelsea FC (live Puls4 und Sky). Rückspiel am Dienstag, 29. April.

Mittwoch: Real Madrid – FC Bayern München (Alaba). Rückspiel am Mittwoch, 30. April (live auf Puls4, ZDF) .

Europa League: Halbfinale, Hinspiele: Donnerstag: Benfica Lissabon – Juventus Turin, FC Sevilla – Valencia CF. Rückspiel am Donnerstag, 1. Mai.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2014)

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