Champions League: Eine Nullnummer der hässlichen Art

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SPAIN SOCCER UEFA CHAMPIONS LEAGUE(c) APA/EPA/JUANJO MARTIN (JUANJO MARTIN)
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Startrainer José Mourinho handelte sich mit seiner Defensivtaktik wieder einmal scharfe Kritik ein. Ausgerechnet Atlético-Betreuer Diego Simeone zeigt dafür Verständnis.

Madrid/London. José Mourinho hat sich bei seiner Rückkehr nach Madrid keine Freunde gemacht. „Widerlich, abstoßend, abscheulich, unsympathisch. Das war kein Fußballspiel mehr“, urteilte die Zeitung „Marca“ nach der Nullnummer im Champions-League-Halbfinalhinspiel von Chelsea bei Atlético Madrid.

Der einstige Real-Trainer Mourinho verteidigte seine Mauertaktik. „Niemand geht in ein Spiel und denkt an ein 0:0“, meinte der Portugiese. Aber es sei wichtig gewesen, kein Tor zu kassieren und zu versuchen, bei einer der wenigen Chancen selbst ein Tor zu machen. „As“-Direktor Alfredo Relano meinte in seiner Kolumne: „Da wurde gegen alles getreten, was sich bewegt, und der Ball war kaum auf dem Boden. Das war eine Folter, die niemand verdient hat.“

Mourinho ließ derartige Kritik am „englischen Catenaccio“ („Marca“) kalt. „Wir hatten drei oder vier Eckbälle, ein paar Freistöße. Wenn wir aus einer dieser Situationen getroffen hätten, wäre es ein sehr gutes Ergebnis gewesen. Jetzt haben wir ein Resultat, das für das Rückspiel alles offen lässt“, sagte der exzentrische Coach.

„Frustrierendes Erlebnis“

Mourinho hatte den „Blues“ im ersten Duell um den Finaleinzug einmal mehr seine pragmatische Defensivtaktik auferlegt, bei der selbst Stürmer Fernando Torres phasenweise mehr Zeit vor dem eigenen Tor verbrachte als vor dem gegnerischen. Atlético hat in dieser Saison bereits 109 Treffer erzielt. Doch im elften Saisonspiel in der Königsklasse gelang erstmals kein Tor. „Ein frustrierendes Ergebnis, nachdem Atlético eineinhalb Stunden einen Gegner attackierte, dessen einziges Ziel es war, dass nichts passieren möge“, schrieb die Madrider Sportzeitung „As“.

Atlético-Trainer Diego Simeone blieb im Gegensatz zu den spanischen Medien fair: „Jeder spielt so, wie er will. Wir haben mit allen Mitteln versucht, mindestens ein Tor zu erzielen, aber der Gegner hat sehr gut verteidigt. Im Rückspiel werden wir sehen, für wen dieses 0:0 am Ende ein gutes Ergebnis war.“

In Großbritannien hagelte es indes nicht nur Kritik am Chelsea-Stil. „Es ist eine Schande, dass beide Teams bei so einer Gelegenheit ein so ödes Spiel zeigen“, meinte der „Guardian“. „Mourinho parkt den Bus“, titelte die „Daily Mail“.

Abgesehen von den Verletzungen von Tormann Petr Čech an der Schulter und Kapitän John Terry am Knöchel, die beide ausgewechselt werden mussten und bis zum Ende der Premier-League-Saison ausfallen werden, lief für den Trainer alles nach Plan. Mit seiner Taktik kam er seinem großen Ziel einen Schritt näher: dem Finale am 24.Mai in Lissabon.

Nach dem Gewinn der Champions League 2012 und der Europa League 2013 wäre es die dritte Endspielteilnahme der Westlondoner en suite. Um dies zu schaffen, zieht Mourinho sogar in Erwägung, die englische Meisterschaft vorzeitig abzuschreiben. Denn bereits am Sonntag steht für den Tabellenzweiten das Duell mit Spitzenreiter FC Liverpool an.

Bei fünf Punkten Rückstand ist es für Chelsea ein Schlüsselspiel im Titelkampf. Doch um seine Leistungsträger für das Rückspiel zu schonen, will er ein schwächeres Team aufbieten. „Ich weiß, was ich tun würde. Meine Priorität ist die Champions League. Aber ich bin nicht der Klub. Ich kann das nicht entscheiden.“ Eine Aussprache darüber steht an. (red.)

AUF EINEN BLICK

Drei Spieler sind für das Semifinalrückspiel gesperrt: Frank Lampard, John Obi Mikel (beide Chelsea) und Gabi (Atlético Madrid). Die Engländer müssen obendrein auf Torhüter Petr Čech (Ersatz Schwarzer ist 41 Jahre alt) und John Terry (beide verletzt) verzichten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2014)

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