Real Madrid bejubelt „La Decima“ und feiert die Väter des Sieges bis in die Morgenstunden. Trainer Carlo Ancelotti hat als Anti-Mourinho die Basis geschaffen.
Lissabon/Wien. Wie viele Kaugummis ein Carlo Ancelotti durchschnittlich während eines Fußballspiels braucht, weiß man nicht genau. Es ist auch nicht überliefert, wie viele es während des Finales der Champions League in Lissabon gegen Atletico Madrid waren. Aber es gab bestimmte Momente, da war er genau zu sehen, der gierige Griff in die Tasche des Sakkos, um der Nervosität Abhilfe zu schaffen. Dabei ist Ancelotti üblicherweise die Ruhe in Person. Und der Trainer von Real Madrid war das auch beim 4:1-Triumph nach Verlängerung gegen den Stadtrivalen – aber was ist in so einem Spiel schon normal. Am Ende nämlich verwandelte sich das Stadion, an sich Heimstätte von Benfica, in ein Tollhaus. Und Ancelotti war mittendrin. Ob er wollte, oder nicht. „La Decima“ war Wirklichkeit geworden.
Für Ancelotti, der mit dem AC Milan zweimal als Spieler und ebenso oft als Trainer die europäische Eliteliga gewonnen hat, darf sich nun über den dritten großen Titel freuen. Das ist vor ihm lediglich Bob Paisley mit dem FC Liverpool (1977, 1978, 1981) gelungen. Gleich in seinem ersten Real-Jahr ist die Krönung erfolgt, dabei hat er im vergangenen Sommer erst die Scherben zusammenkehren müssen, die sein Vorgänger José Mourinho hinterlassen hat. Aber Ancelotti ist ein Anti-Mourinho, kein Selbstdarsteller oder Exzentriker, sondern ein ruhiger Arbeiter und Tüftler. Und Psychologe. Ein anderer Trainer wäre in der Schlussphase des Finales wohl nur schwer zu bremsen gewesen. Der Italiener hingegen meinte nur: „Das war eine ganz spezielle Nacht. Man konnte etwas Magisches in der Luft spüren. Wir haben den wichtigsten Klubbewerb der Welt gewonnen – und wir haben ihn verdient gewonnen.“
„Wichtiger als die WM“
Real Madrid war eigentlich schon auf der Verliererstraße, Sergio Ramos aber verhindert ein vorzeitiges Ende. Per Kopf und mit einer Wucht erzielt, aus der man die ganze Entschlossenheit hat erkennen können. „Das Tor gehört nicht nur mir, sondern allen Real-Fans und meiner Frau und meinem Kind.“ Bei der Siegerehrung wurde der Teamverteidiger dann ganz speziell von König Juan Carlos geherzt. Er ist ein Anhänger der „Königlichen“, die nach dem Spiel noch nach Madrid reisten, um dort die Nacht dann wirklich zum Tag zu machen.
Zwölf Jahre musste Real Madrid auf „La Decima“ warten, die Fans in der Hauptstadt bekamen ihre Helden erst in den Morgenstunden zu sehen. Auf einem offenen Bus ging es zur Sache, beim Cibeles-Brunnen gab es kein Halten mehr. Iker Casillas, der in der Champions League (und im Pokalbewerb) das Tor hüten durfte, ein echtes Real-Urgestein, meinte sogar: „Der zehnte Champions-League-Titel ist genauso wichtig oder wichtiger als die WM. Darauf haben wir alle so lang gewartet. Casillas ist der einzige Profi, der schon 2002 mit dabei war.
Den zweiten Triumph in der Eliteliga feierte Cristiano Ronaldo, aber der portugiesische Superstar war lange Zeit nur ein Mitläufer. Im Finish gelang ihm dann aus einem Elfmeter doch noch sein obligatorischer Treffer. Es war das 17. Tor im laufenden Bewerb – absoluter Rekord. Noch dazu daheim in Lissabon, wo er einst die Sporting-Nachwuchsakademie besucht hat. Heute ist er der erste Spieler, der in Champions-League-Endspielen für zwei verschiedene Vereine getroffen hat. 2008 war er für Manchester United (gegen Chelsea) erfolgreich.
Nach seinem Treffer verwandelte sich Cristiano Ronaldo in eine Art Bestie, er riss sich das Leiberl herunter, zeigte seine Muskeln – und machte einen auf Mario Balotelli. Jede Sehne war zu sehen, der Portugiese muss froh sein, dass er sich dabei nicht verletzt hat. Und obendrein – es gibt nur einen Balotelli. Imitationen gibt es schon genug. Das Original ist auch im Fußball in jedem Fall besser.
Kopie und Original
Große Sprüche durfte auch Gareth Bale (Tor zum 2:1) klopfen. Der teuerste Spieler der Welt (rund 100 Mio. Euro Ablöse) sollte sich nun bezahlt machen. „Aber ich wäre auch für einen Penny hergekommen, um große Titel zu gewinnen“, schwärmt der Waliser, der seinen Verein vor einem Monat schon zum Cup-Titel geschossen hat.
Ein weiterer Held des Abends war Angel Di María. Der Argentinier setzte Glanzlichter – in königlicher Manier. Ein Original eben. Und keine Kopie.