Fußball: Chefin – inmitten lauter Männer

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Corinne Diacre wird am Montag als Trainerin des französischen Zweitligisten Clermont Geschichte schreiben. Ihre Pionierrolle interpretiert die Ex-Nationalspielerin völlig unaufgeregt.

Clermont/Wien. Clermont Foot 63 zählt nicht zu den großen Namen im französischen Fußball. Dennoch ist dem Zweitligaklub aus der 500.000-Einwohner-Stadt im Zentrum Frankreichs bei seinem Ligaauftakt am Montag gegen Brest das Medieninteresse über die eigenen Landesgrenzen hinaus gewiss. Die Aufmerksamkeit gilt jedoch nicht den Spielern, sondern der Frau an der Seitenlinie. Corinne Diacre wird Geschichte schreiben: Sie ist die erste Trainerin eines Männerteams in einer zweithöchsten Spielklasse in Europa.

Seit Ende Juni ist die 39-jährige Französin beim Tabellen-14. der abgelaufenen Saison im Amt, sie trat die Nachfolge von Helena Costa an. Die Portugiesin hatte ihren Vertrag nach dem ersten Trainingstag wieder aufgelöst. Sie nannte persönliche Gründe, inoffiziell wurde über Unstimmigkeiten bei Transfers und über Mobbing seitens der männlichen Stabskollegen gemunkelt. Präsident Claude Michy aber ließ sich nicht beirren. 45 Männer und Diacre hätten sich daraufhin beworben, er zögerte keine Sekunde. „Die Welt verändert sich. Sachen anders zu machen, macht das Alltägliche interessanter. Es ist ein Luxus, solche Entscheidungen treffen zu können“, erklärte Michy. Als Marketing-Gag wollte er das Engagement der 121-fachen französischen Nationalspielerin jedoch keinesfalls verstanden wissen: „Man sollte sie anhand ihrer Resultate beurteilen und sonst nichts.“

Diacre dürfte daher auch kein Schicksal wie Carolina Morace drohen. Die italienische Rekordnationalspielerin und -torschützin betreute 1999 den Drittligisten Viterbo nur zwei Spiele lang. Nach einem Sieg und einer Niederlage beendete Morace die Show vorzeitig, denn der Präsident zeigte für das von ihr eingeforderte Mitspracherecht keinerlei Verständnis.

Ganz ohne Glanz und Glamour erfolgte die Vorstellung von Diacre. Sie verspüre weder „Furcht noch eine besondere Verantwortung“, erklärte sie der versammelten Journalistenschar. „Ich weiß, warum ich hier bin und was ich zu tun habe.“ Nach ihrer aktiven Karriere arbeitete sie sechs Jahre als Trainerin ihres Stammklubs ASJ Soyaux sowie als Assistentin des französischen Frauennationalteams. Anfang des Jahres erhielt sie als erste Frau das DEPF-Zertifikat, das sie berechtigt, Fußballmannschaften in Frankreichs zwei höchsten Spielklassen zu trainieren. Der nächste Karriereschritt war vorgezeichnet.

Dusche einziger Unterschied

Drei Testspiele wurden unter der Ägide der Französin bereits absolviert, dabei dem Erstligisten Bastia ein 0:0 abgerungen. „Diacre legt Makelele an die Leine“, betitelte die Sportzeitung „L'Equipe“ das Trainerduell mit dem Ex-Internationalen. Weniger spektakulär lasen sich die Zusammenfassungen von Diacres Auftritten an der Seitenlinie: Sie machte Notizen, bejubelte Tore und kritisierte Fehlentscheidungen der Schiedsrichter. „Der Druck kommt von den Medien, nicht von mir. Ich stelle mir nicht mehr Fragen als bei meinen anderen Stationen als Trainerin“, versuchte sie Normalität zu vermitteln.
Schließlich sehe sie in der täglichen Zusammenarbeit mit Männern nichts Besonderes. „Außer, dass sie mehr Muskeln haben, kann ich keinen Unterschied erkennen“, scherzte Diacre. „Und ich glaube nicht, dass meine Verpflichtung die Spieler traumatisiert hat.“

Auch für Co-Trainer Emmanuel Gas gibt es keine Zweifel an der Aufgabenverteilung: „Corinne ist die Chefin. Sie hat ihre Methoden und weiß, wie man sich Respekt verschafft. Es gibt keinen Unterschied zu einem männlichen Trainer, außer der Tatsache, dass wir nicht gemeinsam duschen gehen.“ Ein häufig aufgebrachtes Thema, das Diacre überhaupt nicht nachvollziehen kann: „Es gibt so viele Männer, die Frauenteams trainieren – da fragt niemand danach, wie die das machen.“ Gänzlich will sie ihre besondere Rolle aber nicht abstreiten. „Wenn ich dem Klub zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen kann, dann ist das in Ordnung. Noch lieber wäre es mir aber, wenn wir das in Zukunft durch gute Ergebnisse schaffen.“

ZUR PERSON

Corinne Diacre, 39, ist seit Ende Juni Trainerin des französischen Zweitligisten Clermont. Zum Ligaauftakt wird somit erstmals eine Frau ein Männerteam in der zweithöchsten Spielklasse betreuen.
Diacre selbst war bis 2007 bei ASJ Soyaux in der französischen Frauenliga aktiv und fungierte dort zuletzt auch als Trainerin. Als Kapitänin des Nationalteams brachte sie es auf 121 Einsätze.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2014)

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