Brasilien: Rassismus plagt das Fußballland

(c) APA/EPA/NecoVarella
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Auf einen Vorfall im Cup reagiert die Sportjustiz des WM-Landes hart. Klub, Fans und sogar der Referee wurden bestraft.

Rio de Janeiro. Wenige Tage vor dem 111-Jahre-Jubiläum des Erstligavereins Grêmio Porto Alegre hat Brasiliens Oberstes Sportgericht dem Klub einen Schlag versetzt. In einer so noch nie dagewesenen Entscheidung schloss die Disziplinarkommission Grêmio wegen rassistischer Vorfälle aus dem Cupbewerb aus.

Im Hinspiel der Copa do Brasil gegen Ligarivalen FC Santos Ende August, die Partie endete 0:2, wurde Gästetorwart Aranha von Grêmio-Anhängern rassistisch beleidigt. TV-Kameras hatten eingefangen, wie „Fans“ gegen Ende des Spiels Verunglimpfungen wie „stinkender Neger“ oder „Affe“ in Richtung Aranha schrien. Sechs der Täter wurden identifiziert und mit zweijährigen Stadionverboten belegt – der im brasilianischen Sportrecht festgelegten Mindeststrafe...

Der Klub, einer der namhaftesten Brasiliens mit einem Klub-WM- sowie zwei Copa-Libertadores-Titel in der Trophäensammlung, muss 22.000 Dollar Strafe zahlen. Selbst der Schiedsrichter der Partie, Wilton Pereira Sampaio, wurde bestraft. Er hatte die Vorkommnisse nicht im Spielbericht vermerkt, obwohl der Santos-Torhüter ihn darauf aufmerksam gemacht hatte. Er darf 90 Tage lang kein Spiel mehr pfeifen und muss 358 Dollar zahlen.

Die sechs Grêmio-Anhänger – einer von ihnen ist schwarz – bestritten, Rassisten zu sein und den Torwart beleidigt zu haben. Ihnen droht außer den Stadionverboten auch die Strafverfolgung. Sie könnten zu bis zu drei Jahren Haft verurteilt werden.

Sanktion mit Reichweite

Das harte Durchgreifen wurde von vielen Seiten begrüßt. „Ich habe immer gesagt, der Fußball muss noch härter gegen Rassismus vorgehen. Brasilien hat mit dem Ausschluss einer Mannschaft wegen des Fehlverhaltens seiner Anhänger die richtige Botschaft gesandt“, schrieb Fifa-Präsident Joseph Blatter in seinem Twitter-Account. „Die Entscheidung könnte Beispielcharakter haben“, sagt Gustavo Lopes Souza, Direktor des Instituts für Sportrecht, er befürchtet aber ein Glaubwürdigkeitsproblem: „Dieses Mal wurde die Sanktion für den Cup verhängt, mit sportlich nicht so großen Auswirkungen für den Klub. Wenn aber Rassismus, Fremden- oder Schwulenfeindlichkeit in der Liga auftreten, wird das Gericht dann genauso hart entscheiden?“

Die Verantwortlichen von Grêmio fühlen sich trotzdem zu hart bestraft und kündigten an, dagegen vorzugehen. „Der Klub respektiert die Entscheidung, aber er akzeptiert sie nicht“, erklärte Präsident Fabio Koff. „Ich sage nicht, dass es sich um eine Ungerechtigkeit handelt, aber das Regelwerk wurde streng interpretiert.“ Die Sanktion wäre gerechtfertigt, wenn die Beleidigungen von Mitgliedern des Klubs gekommen wären. So aber werde Grêmio für das Fehlverhalten einiger weniger Fans bestraft.

Felipão, ein Missverständnis

Doch die Anhängerschaft des von deutschen Auswanderern gegründeten Vereins ist keineswegs ein unbeschriebenes Blatt und war bereits in der Vergangenheit in rassistische Vorfälle verwickelt. Erst im März hatte der Klub eine 36.000-Dollar-Geldstrafe zahlen müssen, nachdem Grêmio-Anhänger einen Verteidiger vom Lokalrivalen Internacional mit Affenlauten beleidigt hatten.

In Brasiliens Fußball kommt es immer wieder zu rassistischen Vorfällen. Vergangene Saison wurde der unterklassige Verein Esportivo aus Rio Grande do Sul aufgrund von Beleidigungen des Schiedsrichters mit Punktabzug bestraft und stieg daraufhin ab. Der Fall hatte – wohl vor allem deshalb, weil er sich kurz vor der WM ereignete – zu einer landesweiten Debatte um Rassismus geführt. Schiedsrichter Marcio Chagas, der den Vorfall angezeigt hatte, wurde daraufhin sogar von Präsidentin Dilma Rousseff empfangen. Die Regierung richtete eine Hotline ein, über die rassistische Vorfälle im Fußball gemeldet werden können.

Aber nicht jeder hielt so viel Aufmerksamkeit für richtig. Luiz Felipe Scolari, der Ex-Teamchef ist nun Grêmio-Coach, gab die Haltung eines Teils der Öffentlichkeit wieder, als er sich dafür aussprach, „diese Idioten zu ignorieren, ihnen keine Bühne zu geben.“ Dem widersprach Chagas: „Ich respektiere die Meinung von Felipão, aber er wird nie die Notwendigkeit verstehen, diese Vorkommnisse publik zu machen, weil er nicht schwarz ist. Er wird nie in dieser Art und Weise beleidigt werden. Er weiß nicht, was es heißt, Zurückweisung zu erleiden, die Verachtung, wenn man ein Restaurant betritt? Als ob Schwarze Dreck wären.“

Es ist eine Einstellung, die Aranha teilt. „Ich habe versucht, es auszuhalten. Aber als die Affengeräusche dazukamen, konnte ich nicht mehr“, sagte er. Direkt nach nach dem Spiel erstattete er Anzeige. Statt eines ruhigen Klubjubiläums muss sich Grêmio nun mit dem rassistischen Verhalten seiner Anhängerschaft auseinandersetzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2014)

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