Okotie: Wandervogel wider Willen

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Rubin Okotie war in den vergangenen vier Jahren bei sechs verschiedenen Vereinen unter Vertrag. Der 27-jährige Stürmer hofft, bei 1860 München endlich sein Glück zu finden. Gegen Ingolstadt schoss er sein fünftes Saisontor, 1:1.

Der Traum vom Engagement im Ausland ging für Rubin Rafael Okotie tatsächlich in Erfüllung. Ende Mai 2010 unterschrieb der Angreifer einen Dreijahresvertrag beim deutschen Bundesligaklub 1. FC Nürnberg. Die Erwartungen der Franken an das damals 22-jährige Juwel waren groß, Trainer Dieter Hecking bezeichnete Okotie sogar als „eines der größten Talente des österreichischen Fußballs der letzten Jahre“. Doch Okotie, zuvor seit 2001 bei der Wiener Austria und somit ein waschechter Violetter, brachte es in Nürnberg nur auf sechs Pflichtspieleinsätze. Das Knie streikte. „Bei jedem Training habe ich gehofft, dass es bald vorbei ist. Ich hatte Schmerzen, konnte nie richtig sprinten, wollte den Vereinsverantwortlichen etwas vormachen“, erinnert sich Okotie an seine lange Leidenszeit, die im September 2009 begann.

Damals wurde ein Knorpelschaden im rechten Knie diagnostiziert – ein brutaler Rückschlag auf dem Weg nach oben. Die Austria stärkte ihrem Schützling während der langen Phase der Therapie den Rücken, hoffte, den Vertrag mit Okotie verlängern zu können. Doch dieser entschied sich für das Angebot Nürnbergs, die Anziehungskraft des Auslands war zu groß. Den Wienern waren die Hände gebunden, weil Okoties Kontrakt 2010 auslief, sie somit nichts am Wechsel verdienten. Manch Austria-Fan ist deshalb noch heute schlecht auf Okotie zu sprechen. „Ich kann den Unmut in gewisser Weise schon nachvollziehen“, sagt der Stürmer im Gespräch mit der „Presse“, „aber in dieser Causa wurde nicht immer alles richtig dargestellt.“ Nachträgliche Aufklärungsarbeit möchte er allerdings keine leisten. „Es sind mittlerweile vier Jahre vergangen. Es gibt zu diesem Thema nichts mehr zu erzählen.“

Nürnberg war der Beginn einer langen und beschwerlichen Reise. Über etwaige Eventualitäten, wie seine Karriere hätte verlaufen können, wäre er gesund geblieben, will sich Okotie nicht mehr den Kopf zerbrechen. „Mit solchen Gedanken“, bemerkt er, „komme ich doch auch nicht weiter.“ Nach nur einem Jahr in Deutschland folgte der leihweise Wechsel nach Belgien zum VV St. Truiden. Das Knie zwickte nach wie vor, erst durch regelmäßige Behandlungen bei einem Spezialisten in Antwerpen besserte sich der Zustand wesentlich. Neun Stunden am Tag wurden der Heilung gewidmet, „ich konnte endlich wieder Hoffnung schöpfen“. Einem Muskelfaserriss, neun Spiele und ein Tor später musste Okotie seine belgischen Zelte aber doch wieder abbrechen.

Abgeschrieben. Während vieler frustrierender Monate und Jahre wurde das einstige Talent in der Öffentlichkeit kaum noch beachtet, Okotie war regelrecht von der Bildfläche verschwunden. „Viele hatten mich komplett abgeschrieben. Es war wirklich nur eine Handvoll Menschen, meine engsten Familienmitglieder, die immer an mich geglaubt haben.“ Die nächste Chance auf Besserung tat sich in Graz auf. Bei Sturm kam Okotie eineinhalb Jahre zu regelmäßigen Einsätzen, auch mit dem Toreschießen klappte es nun wieder besser. Ein Umstand, der auch der Austria nicht verborgen blieb.

Die Wiener lotsten ihren verlorenen Sohn 2013 zurück an den Verteilerkreis, um ihn unter Trainer Nenad Bjelica schon nach einem halben Jahr wieder an den dänischen Klub Sönderjyske zu verleihen. Eben dort blühte Okotie aber endgültig auf. Elf Tore in 15 Spielen ließen nicht nur Trainer Lars Söndergaard, der bereits Salzburg, Austria, GAK und Innsbruck betreut hatte, jubeln. Okoties Treffer sicherten Sönderjyske sogar den Klassenerhalt. Eine Rückkehr zur Austria, bei der er noch ein Jahr einen Vertrag gehabt hätte, lehnte der Torjäger im Sommer ab. Er wollte es sich und seinen Kritikern beweisen, dass er im Ausland dauerhaft erfolgreich sein kann.

Fünftes Tor beim 1:1 gegen Ingolstadt

Sein aktueller Arbeitgeber, 1860 München, scheint die richtige Adresse zu sein. In sechs Ligaspielen schoss er fünf Tore, am Samstag rettete er den „60ern“ das 1:1 gegen Ingolstadt mit Trainer Ralph Hasenhüttl. Im Cup gelang ihm ein Doppelpack, in den sozialen Netzwerken liegen ihm die Fans zu Füßen. Trainer Ricardo Moniz, einst bei Salzburg, sieht Okotie am Scheideweg seiner Karriere. Er müsse endlich sein gesamtes Potenzial abrufen, ansonsten sei „alles vorbei“. Okotie, der gegen Schweden nach zwei Jahren Absenz sein Comeback im Nationalteam gab, würde nichts lieber tun. „Im Fußball“, sagt er, „bekommt man immer wieder eine Chance. 1860 ist aber eine besonders wichtige Station für mich.“

Kaffee mit Alaba. Der viel gescholtene Wandervogel würde München gern für längere Zeit zu seinem Hauptwohnsitz machen. Gelingt den „Löwen“ die Rückkehr in die Bundesliga (Abstieg 2004), würden auch wieder Derbys zwischen 1860 und Bayern die Stadt dominieren. Dann könnte es zum Duell Alaba gegen Okotie kommen. „Ich sehe David nicht als Bayern-Spieler, sondern in erster Linie als Freund. Wir können uns in der Stadt treffen, ohne seltsame Blicke zu ernten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2014)

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