Fußball-Nationalteam: Eine Zitterei, die sich lohnt

(c) ORF (Roman Zach-Kiesling)
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Österreichs Mannschaft hat sich in der EM-Qualifikation nach drei Spieltagen gut positioniert. An der eklatanten Abschlussschwäche wird sich so schnell nichts ändern.

Wien. Es gibt vielleicht Fußballfans, die sich die aktuelle Tabelle der Gruppe G der EM-Qualifikation am liebsten ausschneiden würden. Österreich ist nach drei Spieltagen Erster, der Vorsprung auf den ersten Verfolger, Russland (nur 1:1 gegen Moldau), beträgt zwei Zähler. Sollte die Mannschaft von Marcel Koller nun auch das Duell mit dem WM-Gastgeber 2018 gewinnen, dann würde die ganze Sache freilich noch besser aussehen. Denn dann wäre es fast schon unwahrscheinlich, dass Rot-Weiß-Rot in den weiteren Spielern 2015 noch aus den Top drei rutscht.

Das sind Dinge, die Teamchef Marcel Koller gar nicht mag. Er lehnt Spekulationen ab, er hasst Hochrechnungen. „Das bringt gar nichts.“ Vielmehr legt er Wert darauf, dass nicht schon wieder aus einem Pflänzchen ein Baum wird, der in den Fußballhimmel wächst. „Wir würden alle gern nach Frankreich reisen. Aber es ist noch zu früh. Es wird noch ein harter, steiniger Weg für uns.“ Vor allem, wenn man bedenkt, dass beim russischen Fußballverband einige Funktionäre bereits ungeduldig werden. Startrainer Fabio Capello steht unter Druck. Sportminister Witali Mutko: „Wir müssen das ganze Fußballsystem in Russland überdenken. Wir haben wieder vier oder fünf Jahre verloren.“

Auch Österreichs Fußball hat viele verlorene Jahre im Fußball zu beklagen gehabt, der Anschluss wurde komplett verpasst. Auch heute sind die ganz großen Talente rar gesät, in Summe aber ergeben die Besten dieses Landes eine Nationalmannschaft, die wieder konkurrenzfähig ist. Zumindest gegen Nationen wie Schweden, die Republik Moldau oder Montenegro. Das kann aber auch schon genügen, um sich für die aufgestockte EM 2016 zu qualifizieren.

Ob Österreich reif dazu ist, endlich wieder einmal ein Turnierticket zu lösen, das wird sich erst weisen. „Das waren jetzt sehr wichtige Punkte, und die Tabelle sieht hervorragend aus, aber das ist nur ein Zwischenschritt. Wichtig ist, dass wir auch am Schluss vorn stehen“, sagt Marcel Koller. Er sieht eher das Gesamte, ist nicht so sehr auf den Moment fixiert. Und die Entwicklung des Teams ist mitunter doch deutlich sichtbar. Die Mannschaft ist jedenfalls mittlerweile seit acht Spielen ungeschlagen. Seit der Niederlage in Stockholm vor zwölf Monaten.

Die Personalhoheit

Vor allem vor der Pause haben die Österreicher ansehnlichen Fußball praktiziert, das kann nicht einmal Koller schmälern. „Es hat schon sehr gut ausgesehen, was die Jungs da auf den Platz gebracht haben“, musste er zugeben. „Und wir haben ja unzählige Möglichkeiten herausgespielt...“

Unzählige Möglichkeiten, die nicht genützt wurden. Die Ineffizienz vor des Gegners Tor ist die größte Schwäche dieser Mannschaft. Rubin Okotie war zwar einmal zur Stelle, die restlichen Chancen wurden allerdings so großzügig vergeben, dass es schon an Fahrlässigkeit grenzte. Hätte Torhüter Robert Almer kurz vor Schluss nicht mit einer Glanzparade einen Vučinić-Schuss pariert, dann hätte das große Wehklagen eingesetzt.

Koller geht in Sachen Personalpolitik seinen Weg. Bisher mit Erfolg. Almer spielt bei seinem Klub nicht, patzt aber im Team nicht, Arnautović bringt manche zur Weißglut, beutelt aber Pässe wie kein anderer Österreicher aus dem Fußgelenk. Und Marc Janko, bereits wieder in Australien, war der Matchwinner in Chisinau. Er dürfte auch gegen Russland fehlen.

Echte österreichische Torjäger gibt es nicht, verhinderte Torschützen hingegen zur Genüge. Auch Lukas Hinterseer gehört dazu. Zu seiner Entschuldigung muss jedoch erwähnt werden, dass er bald nach seiner Einwechslung eine Gehirnerschütterung erlitten hat. Und dennoch weitergespielt hat. Von der Chance, die er vergeben hat, wusste er nach Schlusspfiff gar nichts. Koller: „Verrückt. Wir haben das auf der Bank gar nicht mitbekommen. Eigentlich ein Wahnsinn!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2014)

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