Sierra Leone: Wegen Ebola aus der Fußballfamilie verstoßen

Spectators hold up a sign during the 2015 African Nations Cup qualifying soccer match between Ivory Coast and Sierra Leone in Abidjan
Spectators hold up a sign during the 2015 African Nations Cup qualifying soccer match between Ivory Coast and Sierra Leone in AbidjanREUTERS
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Seit dem Ausbruch von Ebola hat Sierra Leones Nationalteam mit Vorurteilen zu kämpfen. Heimspiele gibt es keine mehr, Reisen werden zur Odyssee und von Fans hagelt es Schmährufe.

Es sind die immer gleichen Gesänge, die die Nationalspieler Sierra Leones in den vergangenen Wochen von den Tribünen zu hören bekommen. „Ebola, Ebola“, rufen die gegnerischen Fans und die sind in der Qualifikation für den Afrika-Cup 2015 zuletzt stets in der Mehrheit. Nach dem Ausbruch der Viruserkrankung im westafrikanischen Staat müssen die „Leone Stars“ ebenso wie Teams der ebenfalls betroffenen Länder Guinea und Liberia (bereits ausgeschieden) ihre Heimspiele auf fremdem Boden austragen. „Wir wurden zu Aussätzigen eines ganzen Kontinents“, befand Mittelfeldspieler Michael Lahoud. Der Afrikanische Fußballverband (CAF) rechtfertigte die Maßnahme indes mit dem Schutz der Spieler, die fast ausnahmslos im Ausland unter Vertrag stehen und dem Ansteckungsrisiko nicht ausgesetzt werden sollen. Über 4000 Tote und rund 8400 Infizierte hat die bislang größte Ebola-Epidemie bereits gefordert. Die Sorge ist allgegenwärtig, Unwissenheit befeuert die Angst zusätzlich.


Pass als Stigma. Die Furcht der Menschen bekommen Sierra Leones Nationalspieler seit Wochen hautnah zu spüren, der Weg durch die Qualifikation wurde zu einem Spießrutenlauf zwischen Erniedrigungen und falschen Vorwürfen. Und das einzig aufgrund ihrer Nationalität, denn nicht ein einziger Spieler hat seit der CAF-Entscheidung im August einen Fuß auf den Boden seiner Heimat gesetzt. „Man fühlt sich wie der letzte Dreck. Niemand will Ebola in seiner Heimat haben. Sierra Leone leidet. Und sie reiben dir das noch unter die Nase“, kritisierte Ersatztorhüter John Tyre.

Vergangene Woche absolvierte Sierra Leone ein Länderspiel-Doppel gegen Kamerun, beide Partien fanden infolge des Austragungsverbots auswärts statt. Die gesamte Delegation stand unter Polizeischutz und ständiger Beobachtung, wohnte in einem isolierten Hotel und musste täglich bei Frühstück und Abendessen zur Temperaturmessung antreten. Auf dem Heimweg zogen Spieler eine vierstündige Busfahrt dem halbstündigen Inlandsflug vor, nur um einem weiteren Medizin-Check zu entgehen.

Noch weniger willkommen fühlte sich Sierra Leone Anfang September in der Demokratischen Republik Kongo. „Sie haben uns behandelt wie Aliens“, sagte Mittelfeldspieler Khalifa Jabbie. Ein Teamkollege reiste in der Business-Class an, weil sich Mitpassagiere geweigert hatten, neben ihm zu sitzen. Am Tag der Rückreise mussten sich Spieler bis zu vier Untersuchungen unterziehen. Vor Ort wurden „Ebola“-Rufe zum ständigen Begleiter, auf dem Platz verweigerten dann die kongolesischen Spieler den obligatorischen Handschlag. „Das ist eine Frage des Respekts“, echauffierte sich Jabbie. Selbst als einige Teamspieler während des Aufenthalts Kindern Essen schenken wollten, nahmen die Reißaus. „Es war erniedrigend. Die blanke Panik in ihren Augen, weil sie glauben, dass allein ein Blick von dir reicht, um sie mit Ebola anzustecken“, erzählte der in den USA spielende Lahoud der „New York Times“. „Diese Erfahrung hätte jeden verstört, sogar Mutter Theresa.“

Bereits zuvor hatte die Elfenbeinküste eine Absage des Duells mit Sierra Leone in Erwägung gezogen, doch der CAF blieb strikt: spielen oder ausscheiden. Die Ivorer traten an, im Gegensatz zu den Seychellen. Diese nahmen in der Vorrunde zur Gruppenphase lieber das sichere Aus in Kauf, als das Rückspiel im eigenen Land auszutragen – die Delegation aus Sierra Leone informierte niemand darüber. Erst als Spieler und Funktionäre im kenianischen Nairobi ihren Verbindungsflug antreten wollten, wurden sie aufgehalten. „Die Regierung der Seychellen hatte jeden Einzelnen von uns mit einem Einreiseverbot belegt. Unsere Fotos wurden überall in den Nachrichten gezeigt und Kenia gewarnt, dass wir sofort wieder des Landes verwiesen werden würden“, berichtete Lahoud.


Hoffen auf Beckham. Die Angst vor der Epidemie hat inzwischen auch Turnierveranstalter Marokko erreicht. Der Afrikanische Fußballverband lehnte den Antrag auf Verschiebung des für Mitte Jänner angesetzten Afrika-Cup jedoch letzte Woche ab. Man habe die WHO und diverse Experten konsultiert und wisse um Bedrohung und Vorsorgemaßnahmen, hieß es in der offiziellen Aussendung. „Seit 1975 ist der Afrika-Cup noch nie verschoben worden.“ Und das soll so bleiben.

Als Gruppenletzter mit nur einem Punkt hat Sierra Leone vor den beiden abschließenden Spielen nur noch sehr geringe Qualifikationschancen. Im Kampf gegen Ebola will der Verband aber eine führende Rolle einnehmen und erhält prominente Unterstützung. David Beckham führt als Unicef-Botschafter eine Info-Kampagne an. „Wir sind ihm unglaublich dankbar. Sein Mitwirken ist ein Segen, jeder kennt ihn, denn Fußball ist hier Religion.“

Zwei Tickets sind vergeben

Algerien und Kapverde sind zwei Runden vor Schluss bereits für den Afrika Cup 2015 (17. Jänner bis 8. Februar) qualifiziert. Neben Gastgeber Marokko sind jeweils die beiden Tabellenersten sowie der beste Dritte der sieben Gruppen dabei.

Salzburgs Naby Keïta ist mit Guinea noch im Rennen. Die Mitspieler wurden über Ebola informiert. „Es ging darum, aufzuklären und Sensibilität zu schaffen“, betonte der Klub gegenüber der „Presse“. „Es gibt keinen Grund zur Sorge oder Panik.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2014)

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