Serbien-Albanien: Klagende Sieger, empörte Verlierer

Ablanischer Protest in Pristina.
Ablanischer Protest in Pristina.(c) APA/EPA/VALDRIN XHEMAJ
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Nach dem abgebrochenen Skandalspiel zwischen Serbien und Albanien hat die Uefa schwere Sanktionen verhängt. Beide Seiten müssen sich als Verlierer fühlen.

Wenn zwei sich streiten, freut sich am Ende oft nur deren Konkurrenz. „Mit dieser Entscheidung haben wir keine Gerechtigkeit erhalten“, jammerte am Freitag Albaniens italienischer Trainer Giovanni de Biasi: „Uns wurde genommen, was wir auf dem Feld errungen haben.“ Freude kam trotz der 3:0-Wertung des abgebrochenen Skandalspiels gegen Albanien beim vermeintlichen Sieger Serbien wegen des gleichzeitigen Abzugs der drei Punkte keine auf. „Serbien hart bestraft, und die Albaner beklagen sich!“, titelte nach Bekanntgabe des Urteils empört die Website des Boulevardblatts „Kurir“.

Tatsächlich müssen sich bei den nun verhängten Uefa-Sanktionen beide Seiten als Verlierer des abgebrochenen Trauerspiels am Dienstag vergangener Woche in Belgrad fühlen. Eine ferngesteuerte Drohne mit einer großalbanischen Fahne im Schlepptau hat in der 41. Minute heftige Schlägereien und den Abbruch des bis dahin torlosen Spiels ausgelöst: Die in ihre Kabinen geflüchteten Albaner weigerten sich, im Hooligan-Tollhaus des Belgrader Partizan-Stadions weiterzuspielen. Verbandsfunktionäre und Würdenträger beider Seiten gossen hernach noch kräftig Öl ins Feuer: Sowohl in Serbien als auch in den albanischen Regionen des Kosovo gingen anschließend nicht nur Flaggen, sondern auch Häuser der jeweiligen Minderheit in Flammen auf.

Heimspiele ohne Publikum

Die für die Reaktionen auf beiden Seiten eigentlich verdiente Maximalstrafe des Rauswurfs aus der EM-Qualifikation ist den Protagonisten des Skandalspiels erspart geblieben. Doch die nun von der Uefa verhängten Sanktionen treffen Serbien und Albanien gleichermaßen. Das ist trist für den Sport: Doch den eingebrockten Schaden haben sich die Beteiligten selbst zuzuschreiben. Die Geldstrafe von jeweils 100.000 Euro dürften die beiden Fußballverbände wohl noch am leichtesten verkraften. Wegen des gleichzeitigen Punkteabzugs ist der offizielle 3:0-Erfolg für Gastgeber Serbien jedoch ein Pyrrhussieg ohne jeglichen Wert.

Wegen der katastrophalen Sicherheitsvorkehrungen und des sehr langen Kerbholzes der Hooligans in den vergangenen Jahren muss Serbien die nächsten Heimspiele gegen Dänemark und Armenien ohne Publikum bestreiten: Mit nur einem Punkt aus zwei Spielen haben sich die EM-Aussichten der Truppe des niederländischen Trainers Dick Advocaat damit schon früh auf ein Minimum reduziert.
Für Albaniens Fußballverband wiederum hat sich wohl vor allem die ausbleibende Distanzierung von dem zunächst verteidigten Drohnenstreich als fatal erwiesen. Mit einem überraschenden Auswärtssieg in Portugal und einem Unentschieden gegen Dänemark war das Team so gut wie nie zuvor in die Qualifikation für ein großes Turnier gestartet. An einem Spielabbruch hatten die Albaner als Tabellenführer der Qualifikationsgruppe I eigentlich das geringste Interesse.

„Entscheidung ist ein Skandal“

Die Uefa-Strafe hätte der Gerechtigkeit keinerlei Genüge getan, klagte am Freitag Albaniens Premier, Edi Rama. Nach dem Punkteverlust, der auf dem grünen Tisch entschieden wurde, kündigte Albaniens Fußballverband FShF denn auch umgehend Revision gegen das Uefa-Urteil an: „Wir sind nicht zufrieden und legen Berufung ein. Unser gerechter Kampf geht weiter. Unsere Argumente sind stärker, wir verdienen drei Punkte.“ Von einer „politischen Entscheidung zugunsten Serbiens“ sprach empört Fadil Vokrri, Präsident des Fußballverbands in Kosovo: „Die albanischen Spieler wurden angegriffen. Diese Entscheidung ist ein Skandal.“

Nicht nur wegen der angespannten Lage in der Region hatte die Uefa bei der Verhängung der fälligen Strafen kein leichtes Amt. Beschuldigungen, wer die Drohne gesteuert und in Marsch gesetzt haben soll, gibt es zwar von beiden Seiten genug, doch es fehlen bislang Beweise. Anfängliche Vorwürfe serbischer Sicherheitskreise, dass der Bruder des albanischen Premiers den Drohnenflug von der Ehrenloge gesteuert habe, wurden nie verifiziert. Die Uefa hielt sich darum bei ihrem Urteil mit Interpretationen der Geschehnisse zurück – und strikt an ihre Statuten. Die an sich nicht ganz unverständliche Weigerung weiterzuspielen lastete die Uefa den Albanern an. Umgekehrt haben die Serben für die fatale Organisation des Hochrisikospiels geradezustehen.
Zumindest bis zur Berufungsverhandlung vor der Disziplinarkommission der Uefa stehen vorläufig beide Seiten ohne Punkte da. Und eher selten pflegt die Uefa ihre Entscheidungen zu revidieren.
Das Mitleid von Europas Fußballgemeinde hält sich in Grenzen. An einer Wiederholung des Belgrader Trauerspiels bei der EM in Frankreich hat ohnehin niemand Interesse.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2014)

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