Sportler-Scheinwelt: Am Beispiel des Fußballers Reus

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Der Dortmunder Marco Reus hat sich nichts dabei gedacht, jahrelang als Verkehrssünder und ohne Führerschein unterwegs zu sein. Der Imageschaden ist groß, und der Fall zeigt, in welcher kuriosen Scheinwelt viele Sportler leben.

Man soll nicht alle Sportler in einen Topf werfen, Birnen mit Äpfeln nicht vergleichen oder verwechseln. Aber die Geschichte, die Deutschlands Star Marco Reus da in diesen Tagen geliefert hat, die wirft kein gutes Bild auf den Sport. Im Speziellen natürlich auf den Fußball. Der 25-jährige Profi ist ein begnadeter Spieler, er steht auf der Wunschliste von den ganz großen Klubs in Europa, manchmal gewinnt man den Eindruck, er könnte es sich in der Sekunde aussuchen, wo er künftig dem Ball nachjagt. Wird es tatsächlich Bayern München, wie viele sagen, oder doch Real Madrid? Mit seinem Klub steckt er jedenfalls seit Monaten in einer Krise – und die Dortmunder konnten vor dem letzten Spiel des Jahres in Bremen gegen Werder neue Negativschlagzeilen so dringend brauchen wie Zahnschmerzen.

Marco Reus besitzt keinen Führerschein. Das hat ihn nicht daran gehindert, sündteure Autos zu lenken. Besser gesagt, diese Autos über den Asphalt zu prügeln. Mehrmals wurde Reus wegen erhöhter Geschwindigkeit zur Kasse gebeten, Mitte März aber ist der Dortmunder gleichsam als blinder Passagier aufgeflogen. Bei einer Routinekontrolle am Dortmunder Friedensplatz. Der Westdeutsche Rundfunk berichtet davon, Reus habe einen gefälschten holländischen Führerschein vorgelegt. Fakt ist, dass der Superstar keine gültige Lenkerberechtigung besitzt, es wurde Anzeige erstattet. Die Höhe der Strafe – 540.000 Euro.

Die Staatsanwaltschaft ist auf diese Summe gekommen, weil sie von einem Netto-Monatseinkommen von 180.000 Euro ausgeht. Aufgebrummt bekommen hat Reus 90 Tagsätze, eine Vorstrafe wird ab 91 Tagsätzen fällig. Er sei mit dem üblichen Tarif davongekommen.

Sein Arbeitgeber reagiert gelassen. Und macht dem Straftäter die Mauer. „Ich war auch überrascht“, sagte Trainer Jürgen Klopp. „Marco Reus ist maximal einsichtig. Er ist als junger Kerl im Leben falsch abgebogen. Es kommt der Punkt als Marco Reus, wo es schwierig ist, mit dem Auto bei der Fahrschule vorzufahren und zu sagen: Ich möchte den Führerschein machen. Eine dumme Geschichte, wo es keinen richtigen Ausweg gibt, bis man erwischt wird. Das wurde er, gut so, er kriegt dafür eine außergewöhnlich hohe Strafe, in Ordnung. Er hat einen Fehler gemacht, von dem sonst offenbar niemand wusste, sonst hätten wir ihn ja beraten können.“

Fußballer und schnelle Autos, diese Leidenschaft ist bekannt. Die Rede ist von Ferraris, Bentleys, Lamborghinis, Aston Martins etc. Reus fährt auch einen Range Rover. Und Opel wirbt mit den Dortmundern. Aus heutiger Sicht eine eher unglückliche Kombination. Den Führerschein wollte Marco Reus irgendwann einmal schon machen. Er war 18, war auch schon bei einer Fahrschule angemeldet, auch Fahrstunden hatte er genommen. Aber er hat die Prüfung nie abgelegt. Reus: „Ich habe mich damals leider entschieden, diesen Weg zu gehen. Die Gründe kann ich heute selbst nicht mehr nachvollziehen.“

Ein Vorbild?

Mit der Causa Reus hat der Fußball wieder einem gewaltigen Image-Schaden erlitten. Die Dortmunder werden von Medien aufgerufen, über Sanktionen nachzudenken, auch der DFB (Bundestrainer Joachim Löw hat heuer den Führerschein wegen Raserei abgegeben) müsse sich darüber Gedanken machen. Rein sportlich gesehen ist Reus einer der Pechvögel des Jahres, die Verletzungsmisere wollte auch nach der WM nicht enden. Und jetzt das auch noch. Ganz Deutschland diskutiert jedenfalls darüber, ob Spitzensportler auch Vorbilder sein müssen.

Die Fußballstars von heute leben in einer eigenen Welt. In einer Scheinwelt, in der schier irrwitzige Summen bezahlt werden, in der Vereine für ihre besten Spieler sicherheitshalber auch gleich das Kindermädchen dazu bestellen. Spielintelligenz, die auf dem Rasen demonstriert wird, hat jedoch mit den Herausforderungen des Alltags nichts zu tun. Wem jedes auch noch so kleine Problem abgenommen wird, der darf sich nicht wundern, wenn einem Spieler die wirklichen Spielregeln des Lebens fremd sind.

Marco Reus ist die vielleicht heißeste Aktie der deutschen Bundesliga. Mit und ohne Führerschein. So ist das Geschäft.


Programm Samstag: Schalke (Fuchs) – HSV, Augsburg (Manninger) – Mönchengladbach (Stranzl), Werder (Junuzovic, Strebinger, ohne Prödl/verletzt) – Dortmund, Stuttgart (Harnik, Klein) – Paderborn, Leverkusen – Frankfurt, Wolfsburg – 1. FC Köln (Trainer Stöger, Wimmer). Sonntag: Hertha BSC – Hoffenheim, Freiburg (Zulechner) – Hannover.

SCHWARZFAHRER

Debatte. Die Führerschein-Affäre von Marco Reus sorgt teils für harsche Kritik in den Medien und sozialen Netzwerken. Das Verhalten des 25-Jährigen wird als verantwortungslos angeprangert. Auch Konsequenzen durch den Verein und den DFB werden gefordert. Hauptschulabsolvent Reus wuchs im Dortmunder Stadtteil Körne auf. Sein Vater war Betriebsschlosser, seine Mutter Bürokauffrau.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2014)

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