Alexander Zorniger: "Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht"

SOCCER - 2. DFL, Fuerth vs RB Leipzig
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Wie geht man damit um, Feindbild der Liga zu sein? Leipzig-Trainer Alexander Zorniger hat seine Antwort darauf gefunden.

In Deutschland wird die Fußballsaison für heuer mit der Zweitligapartie am Montag zwischen Rasen-Ballsport Leipzig gegen 1860 München beendet. Das von Red Bull finanzierte Team ist mittlerweile bekannt, weil rotes Tuch. Der Trainer, der Leipzig zum dritten Aufstieg in Serie führen soll, eher weniger. Wie würden Sie Ihre Trainerphilosophie erklären?

Alexander Zorniger: Ich war vor zweieinhalb Jahren noch Trainer in der Regionalliga bei Großaspach. Dann hat mich Ralf Rangnick angerufen, ich habe hier große Möglichkeiten gesehen. Da habe ich gleich zugesagt. Ich denke, man muss wissen, wie man mit Menschen umgehen soll und kann. Ich will mit Leuten zusammenarbeiten, sie begeistern, neue Dinge entwickeln – und etwas erreichen.

Was die Spielweise betrifft, spielt Salzburg die Rolle des Vorbilds?

Für mich war frühzeitig sehr klar, wie ich den Knackpunkt in dem Spiel, die Pause zwischen eigenem Ballbesitz und Spiel gegen den Ball oder Spiel gegen den Ball und eigenem Ballbesitz, auflösen kann. Diese Pause gibt es bei uns nicht mehr. Bei uns gibt es Aktion, Aktion, Aktion. Aktion mit dem Ball, Aktion gegen den Ball. Und nicht Aktion, Pause, Aktion. Bevor ich im Profibereich gearbeitet habe, habe ich das System schon bei meinen Mannschaften gespielt und habe das dann bestätigt gesehen, als Jürgen Klopp als Trainer aufgekommen ist. Diese Spielweise hat sich für mich an dem orientiert, was ich unter Fußball verstehe.

Prinzipiell ist die Spielidee von Leipzig und Salzburg gleich, wir wollen den Ball so hoch wie möglich erobern, wollen so schnell wie möglich vor das gegnerische Tor kommen. Aufgrund des Spielermaterials sind wir hier aber noch ein bisschen davon entfernt. Wir arbeiten uns in der Regel sehr schnell über die motorische Geschwindigkeit nach vorn. Salzburg hingegen versucht die Geschwindigkeit über Ballbesitz nach vorn zu bringen, über Tempodribblings, über Ballstafetten. Das ist nicht unser Ziel.

In Leipzig scheinen alle den Aufstieg zu fordern. Ist das überhaupt realistisch?

Wir müssen ständig unsere Ansprüche reflektieren. Wir denken nicht zu sehr an die Tabellensituation, sondern wie wir Fußball spielen wollen. Da war es nicht so überraschend, wie die Mannschaft gespielt hat, sondern eher, wie sie sich in der Liga festgesetzt hat. Aber man hat auch gesehen, dass wir noch vor Denksportaufgaben stehen, die uns gestellt werden, die uns fordern bzw. auch überfordern. Wir orientieren uns nicht daran, ob wir Dritter oder Achter sind, sondern welche Aufgaben uns die Gegner stellen und wie wir damit umgehen. Wir müssen uns immer kritisch hinterfragen, wir kennen unsere Ziele wie 1. Liga oder Champions League. Aber im Moment helfen uns diese Ziele wenig weiter. Wir müssen uns auf unsere tägliche Arbeit konzentrieren. Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Zuletzt hatte ich das Gefühl, wir ziehen wieder mehr daran, statt das Gras zu düngen.

Es gibt immer wieder Gerüchte, Red Bull könnte Sie noch um die Früchte Ihrer Arbeit bringen – und den Trainer wechseln.

Es ist schon so, das sage ich mit allem Selbstvertrauen: Besser als mein Trainerteam und ich als Cheftrainer hat hier den Job noch niemand gemacht. Zwei arriviertere Trainer haben das Ziel Aufstieg nicht geschafft. Es muss sich keiner Gedanken über meine Qualität machen – die habe ich mehr als ausreichend nachgewiesen. Wenn mir dieser Moloch Profifußball nicht zuwider wird, habe ich durchaus Ambitionen, diesen Weg weiterzugehen.

Wie gehen Sie mit den Anfeindungen in der Liga um? Schmerzt das?

Der Fan begleitet das Thema Fußball fast nur emotional. Kein Verein, der Qualität haben will, kann sich ausschließlich daran orientieren, was die eigenen Fans sagen. Wenn Spiele gegen uns abgesagt werden, die vorher noch zugesagt waren – darüber rege ich mich auf. Die Vereine fragen an und sagen dann ab. Wenn es dann dazu kommt, dass derartige Spiele wegen ein paar Fans abgesagt werden, hat sich dieser Verein von der sportlichen Entscheidungsfähigkeit entfernt.

Ich war jetzt schon bei einigen Vereinen und ich kann sagen, dass die Menschen hier mit so viel Herzblut dabei sind, wie ich es noch bei keinem anderen Verein erlebt habe. Es kann sich nicht nur Leipzig bei Red Bull bedanken, dass sie hierhergekommen sind, sondern Red Bull auch, dass sie Leipzig als Standort bekommen haben. Die Emotionalität und die Dankbarkeit der Menschen hier ist viel, viel wichtiger. Wir müssen uns weiter die Dinge erarbeiten, über die Weise, wie wir Fußball spielen, wie wir uns als Menschen präsentieren und vieles mehr.

Wir werden hier nicht nur respektiert, sondern wir haben auch viel Zuneigung bekommen. Es hat in den letzten 16 Jahren in einem Umkreis von 100 Kilometern keinen professionellen Fußball gegeben, bevor RB Leipzig angetreten ist. Diesen Respekt bekommen wir aber in absehbarer Zeit niemals von den Fans der anderen Mannschaften.

Steckbrief

1967
Alexander Zorniger wurde am 8. Oktober 1967 in Mutlangen geboren.

Vom 1. Juli 2004 bis 30. Juni 2009 war er Trainer beim 1. FC Normannia Gmünd und schloss die Saison 2008/09 mit dem neunten Platz in der Oberliga Baden-Württemberg ab. Er wurde von Lothar Mattner abgelöst wurde, um Ko-Trainer beim VfB Stuttgart zu werden.

Ein halbes Jahr später, im Dezember 2009, verließ er Stuttgart wieder und fing am 1. Juli 2010 beim Regionalligisten SG Sonnenhof Großaspach an, um den damaligen Ko-Trainer Rüdiger Rehm zu unterstützen. Dort schaffte er in der Saison 2011/12 fast den Aufstieg in die 3. Liga.

2012
Am 3. Juli 2012 löste er Peter Pacult als Trainer von RB Leipzig ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2014)

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