Wolfsburg: Die hungrigen Wölfe der Autostadt

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Der VfL Wolfsburg träumt von Europa und ist in der deutschen Bundesliga der Bayern-Jäger.

Wolfsburg. Jenseits des Mittellandkanals und der Eisenbahntrasse, in Sichtweite der Innenstadttristesse beginnt in Wolfsburg die VW-Welt, doch noch heller als die auf Hochglanz polierten Pavillons strahlt derzeit die Fußballarena. VfL Wolfsburg, einst graue Maus der Bundesliga und nun gespickt mit Stars, ist die Mannschaft der Stunde in Deutschland und der Stolz des VW-Chefs Martin Winterkorn. Aber auch in der Europa League heulen die „Wölfe“ laut auf. Doch das schwer erarbeitete 0:0 gegen Sporting Lissabon und der Achtelfinaleinzug waren letztlich nicht mehr als nur ein Fitnesstest.

Der Klub schmückt VW, der Automobilhersteller steht als Vorzeigekonzern da, als umsatzstärkstes Unternehmen des Landes und als zweitgrößter Autoproduzent der Welt. Mit André Schürrle, Kevin De Bruyne und Bas Dost hat der Klub Spieler engagiert, um die sie der Rest der Liga beneidet. Man träumt von Europa, im Viertelfinale der Europa League wartet aber mit Inter Mailand ein Großkaliber.

In der Bundesliga gelang Wolfsburg jedenfalls ein Auftakt nach Maß in die Rückrunde. Beim 4:1-Triumph führten die „Wölfe“ die dominanten Bayern nach allen Regeln der Kunst vor. Vor Spielbeginn hatten sich indessen die Emotionen auf der Tribüne entladen: Fans und Team trauerten um Junior Malanda. Der Jungstar, 20, war in der Weihnachtspause bei einem Autounfall ums Leben gekommen.

95 Mio. Euro jährlich von VW

Wenige Wochen später präsentierte der Klub eine neue Galionsfigur. 32 Millionen Euro hatte Manager Klaus Allofs in Chelsea-Spieler Schürrle investiert – eine Summe, die in Deutschland sonst nur die Bayern zu zahlen bereit sind. De Bruyne war im Vorjahr für 22 Mio. Euro von Chelsea gekommen, der Däne Nicklas Bendtner vor sechs Monaten von Arsenal. Mit diesen spektakulären Neueinkäufen hat Wolfsburg das Image einer langweiligen Truppe in der niedersächsischen Provinz abgestreift.

Jährlich pumpt VW 95 Millionen Euro in den Klub, und Schürrles Verpflichtung – er war Deutschlands WM-Joker in Brasilien – hat sich rentiert. Beim 5:4 in Leverkusen bot Wolfsburg Offensivfußball, Stürmer Bas Dost profitierte von genialen Pässen und erzielte vier Tore. Er hält derzeit bei neun Treffern nach fünf Spielen der Frühjahrssaison, dazu schoss er noch zwei in der Europa League im Heimspiel gegen Lissabon. Der 25-Jährige ist ein Mittelstürmer der alten Schule, der im Strafraum auf seine Chance lauert.

Das Saisonziel, die Qualifikation für die Champions League, ist so gut wie geschafft. In der Bundesliga rangiert Wolfsburg als Zweiter acht Punkte hinter den Bayern (in München firmiert VW-Tochter Audi als Sponsor), aber zehn Zähler vor Gladbach, dem Dritten. Der Klub ist nach dem Titelgewinn unter Trainer Felix Magath 2010 wieder im Topsegment angekommen.

In Bremen geht Wolfsburgs Aufholjagd am Sonntag derweil munter weiter. Das Nordderby beim einstmaligen Renommierklub ist dabei nicht ganz ohne Pikanterie. Nicht nur ist die Mannschaft um die Austrolegionäre Zlatko Junuzović und Sebastian Prödl in der Rückrunde noch ungeschlagen – Klaus Allofs hat Bremen im Gespann mit Thomas Schaaf in den 2000er-Jahren neuerlich in der Spitze etabliert und bei Transfers oft ein goldenes Händchen bewiesen. Bei Wolfsburg ist sein Gespür wieder zurückgekehrt, sehr zur Freude der „hungrigen Wölfe“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2015)

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