Das Liebäugeln mit der Sensation: "Wir haben Blut geleckt"

Fussball EM-Quali: Liechtenstein - Montenegro
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Liechtensteins österreichischer Teamchef Rene Pauritsch spricht vor dem EM-Quali-Duell mit dem ÖFB-Team über Visionen und Träume.

Herr Pauritsch, kommenden Freitag empfängt Liechtenstein in der EM-Qualifikation Österreich. Wie schätzen Sie die Chancen Ihrer Mannschaft ein?

Rene Pauritsch: Wir Liechtensteiner sind sehr realistisch. Österreich ist eine Topmannschaft, vergleichbar mit einem Team der deutschen Bundesliga. Wir kennen unsere Rolle, sind in den meisten Spielen Außenseiter und können gut damit umgehen. Aber wir sind ein sehr motivierter krasser Außenseiter. Die Charakterstärke ist wahrscheinlich unser größter Trumpf, wir geben einfach nie auf. Und in den jüngsten Spielen konnten wir uns Selbstvertrauen und Respekt erarbeiten. Wir haben Blut geleckt.

1:0 in Moldau, 0:0 gegen Montenegro. Wird Liechtenstein denn wirklich immer noch unterschätzt?

Diesen Status des Unterschätztwerdens haben wir überstanden. Leider, denn so werden die Aufgaben für uns doppelt schwer. Aber es ist unbestritten, dass wir nach vor das kleine Liechtenstein sind.


Der Erfolg in Moldau war ihr erster als Cheftrainer. Ein unvergesslicher Moment?

Mein absolutes Karriere-Highlight, noch dazu war es der erste Auswärtssieg Liechtensteins seit 14 Jahren. Dieses Resultat war die Folge der Entwicklung in den vergangenen Jahren. Wir hatten davor schon gute Resultate, etwa gegen die Slowakei oder Lettland unentschieden gespielt. Die Niederlagen haben sich größtenteils im Rahmen bewegt, oft sind wir als moralischer Sieger vom Platz gegangen.

Aktuell rangiert Liechtenstein auf Rang fünf der Qualifikationsgruppe G, nur einen Punkt hinter den drittplatzierten Russen, zwei hinter Schweden. Wagen Sie zu träumen?

Die Sensation zu schaffen, ist immer im Hinterkopf. Aber es wäre verfrüht, wir denken in kleinen Schritten. Unser Hauptziel ist es, nicht Letzter in dieser Gruppe zu werden, diesbezüglich sieht es momentan gut aus. Wenn noch etwas nach vorn möglich ist, wäre das wie Weihnachten und Ostern zusammen.

Kann es in einem Team wie Liechtenstein so etwas wie Starallüren geben?

Bei uns ist das jedenfalls nicht so. Hier zieht jeder an einem Strang, man kennt und respektiert sich. Anders würde es zwischen Amateuren, die im Berufsleben stehen und Profis, die sich in Länderspielen präsentieren möchten, auch nicht funktionieren.

Wie ist das Verhältnis zwischen Profis und Amateuren im Nationalteam?

Sieben Profis sind in der höchsten Spielklasse aktiv, fünf davon beim FC Vaduz. Dahinter gibt es durchaus talentierte Spieler, die Vision von einer reinen Profimannschaft ist nicht illusorisch. Aber ohne unsere Amateure ginge es derzeit einfach nicht. Da reicht die Palette vom Mechaniker und Maurer hin zum Installateur und Bankangestellten. Sie nehmen sich für das Nationalteam Urlaub, sofern die Frau nichts dagegen hat (lacht).

Welche Art von Fußball lassen Sie in Liechtenstein praktizieren? Mauern und auf Konter lauern?

Nein, in der Praxis sieht das ganz anders aus. Ich bin hier als Teamchef angetreten, um meine Spieler Fußball spielen zu lassen. Ich will in jeder Situation mit dem Gegner mitspielen. Wenn ich dann sehe, dass wir in einem Pflichtspiel gegen Griechenland 50 Prozent Ballbesitz haben, weiß ich, dass die Jungs diese Idee annehmen. Klar gibt es Gegner wie Russland, Schweden oder Österreich, gegen die wir weniger Ballbesitz haben, dann gilt es, unser Defensivverhalten zu perfektionieren. Aber kein Liechtensteiner geht mit dem Grundgedanken in ein Spiel, nur hinten die Null zu halten. Meine Spieler dürfen Fehler machen, dieses Vertrauen haben sie und es macht ihnen Mut, etwas auszuprobieren. Wenn es uns der Gegner erlaubt, wollen wir guten Fußball spielen.

In Liechtenstein gibt es knapp 2000 Fußballer. Die Gefahr, dass Sie ein Talent übersehen, dürfte überschaubar sein.

Das wäre schlimm (lacht). Bei uns gibt es keinen, der durchfallen kann. Das ist das Positive am Dasein einer kleinen Fußballnation.

Verfolgt der Liechtensteiner Fußballverband eine Vision?

Wir wollen ein Nationalteam stellen, das sich ausschließlich aus Profis zusammensetzt. In nächster Zeit wird es uns noch nicht gelingen, aber wir haben derzeit wieder drei, vier Spieler mit der Ambition, Profi zu werden. Früher gab es im Nationalteam noch Spieler aus der fünften Klasse, das ist heute nicht mehr so. Ein Nationalspieler muss nun zumindest in der Regionalliga aktiv sein, am besten in der höchsten Spielklasse. Das ist ganz entscheidend punkto Trainingsintensität und Trainingsumfang. Wir sind auf dem richtigen Weg.

Sie sind derzeit der einzige österreichische Teamchef. Verspüren Sie etwas Stolz?

Schon, ja. Aber es ist auch eine gewisse Verpflichtung, Österreich zu repräsentieren. Ich freue mich ehrlich über die österreichischen Vereinstrainer im Ausland, die einen super Job machen, etwa Peter Stöger in Köln oder Ralph Hasenhüttl in Ingolstadt. Und ich hoffe, dass wir alle zusammen das Image des heimischen Fußballtrainers in ein gutes Licht rücken. Wir haben gute Leute in Österreich, aber in den vergangenen Jahren wurden wir etwas unter Wert verkauft.

Abschließend, von Österreicher zu Österreicher. Wie beurteilen Sie die Entwicklung des ÖFB-Teams?

Sehr positiv. Der ÖFB hat wichtige und richtige Schritte gesetzt, etwa mit der Bestellung von Marcel Koller zum Teamchef. Die Spieler haben viel internationale Erfahrung und bringen etwas deutsche Mentalität mit. David Alaba marschiert vornweg, aber auch viele andere nehmen bei ihren Klubs Führungsrollen ein. Die Euphorie ist berechtigt.

Sie gehen also davon aus, dass sich Österreich für die EM-Endrunde 2016 in Frankreich qualifiziert?

Ja, ich denke schon. Die Österreicher werden die nötigen Punkte sammeln, selbst wenn wir ihnen in Liechtenstein ein paar abnehmen.

Steckbrief

Rene Pauritsch wurde am 4. Februar 1964 in Graz geboren.

Nach zwei Jahren als Ko-Trainer bei Austria Lustenau übernahm er 2008 die U21 Liechtensteins. Diese coachte er viereinhalb Jahre, ehe er zum Teamchef der Nationalmannschaft berufen wurde.

Im 16. Spiel glückte Pauritsch der erste Sieg, Liechtenstein gewann im November 2014 mit 1:0 in Moldau. Neben seiner Tätigkeit als Teamchef ist der Steirer auch technischer Leiter des Verbands.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2015)

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