Die sportliche Wiederbelebung des Marc Janko

MIXED-ZONE OeFB-TEAM: JANKO
MIXED-ZONE OeFB-TEAM: JANKOAPA/ROBERT JAEGER
  • Drucken

Marc Janko hat nach trostlosen Tagen in der Türkei am anderen Ende der Welt den Spaß am Fußball wiedergefunden. In Sydney liegen ihm Fans wie Medien zu Füßen.

Als Marc Janko vergangenen Sommer seinen Wechsel nach Sydney publik machte, lachten sich etliche Kritiker ins Fäustchen. Australien gilt nicht gerade als das Mutterland des Fußballs, internationale Karrieren nehmen in Down Under häufiger ihr Ende denn ihren Anfang. Doch Janko traf seine Entscheidung voller Überzeugung – auch, weil es zum damaligen Zeitpunkt an Alternativen mangelte.

Sein vorangegangenes zweijähriges Engagement bei Trabzonspor glich einer Odyssee. 2,34 Millionen Euro war Janko dem türkischen Klub wert, den Fans wurde er als Heilsbringer verkauft. Doch Trabzonspor war nichts als ein Missverständnis. Janko kam selten zu Einsätzen, wechselnde Trainer ließen ihn häufig auf der Bank oder gar der Tribüne schmoren. Sein Standing hatte an der Schwarzmeerküste nachhaltig gelitten, Janko sehnte sich nach Veränderung, danach, den Spaß am Fußball wiederzufinden.

In Sydney, weit weg von Europa, bot sich dem 31-Jährigen im letzten Drittel seiner Karriere die Chance zu einem Neuanfang. Janko bekam von Trainer Graham Arnold die Zeit, die er benötigte. Sein Fitnesszustand war nach der fehlenden Spielpraxis in der Türkei mangelhaft, gleich verhielt es sich mit dem Selbstvertrauen. Mittlerweile ist Janko in der Hafenstadt angekommen, wie es im Fachjargon heißt. Die Anhänger der Sky Blues, der Himmelblauen, liegen dem groß gewachsenen Torjäger zu Füßen. Mit 16 Toren in 19 Spielen führt Janko die Schützenliste der australischen A-League an. Zuletzt sorgte er für Schlagzeilen, als er in sieben aufeinanderfolgenden Spielen traf und damit einen Ligarekord markierte. Erst beim 0:1 gegen Melbourne City Freitagabend endete der unheimliche Erfolgslauf des „Austrian Ibrahimović“, wie Janko in Anlehnung an den schwedischen Stürmerstar von dem Medien getauft wurde.


Alessandro wer? Der ÖFB-Nationalspieler trat in Sydney kein leichtes Erbe an. Niemand Geringerer als Weltmeister und Champions-League-Sieger Alessandro del Piero war sein unmittelbarer Vorgänger, der Italiener hatte immerhin in jedem zweiten Spiel getroffen. Doch von Del Piero spricht in der Millionenmetropole heute niemand mehr, Janko hat den nach Indien abgewanderten Altmeister längst in den Schatten gestellt. Der Österreicher wird nicht nur aufgrund seiner Tore geschätzt, auch seine Art des Spiels, die hierzulande regelmäßig kritisiert wird, findet Anklang. „Er stellt die Leistung der Mannschaft immer in den Vordergrund, denkt als Stürmer nicht nur an sich“, sagt Coach Arnold, der mit Wohlwollen auch die körperliche Präsenz seines Schützlings registriert. „Janko scheut sich nicht davor, auch die Drecksarbeit zu erledigen“, schrieb die „Herald Sun“, Australiens auflagenstärkste Tageszeitung. Tatsächlich kann der Legionär auf beeindruckende Werte verweisen. Kein Spieler der A-League gewinnt mehr Zweikämpfe in der Luft, insgesamt ist Janko mit 82 Prozent gewonnener Duelle die Nummer zwei der Liga.

Marc Janko genießt den Augenblick, die Momentaufnahmen des Erfolgs. In Sydney fühlt er sich ein klein wenig zurückerinnert an vergangene Tage, als er für Twente Enschede und Salzburg zeitweise wie am Fließband traf. Wie damals ist auch heute das Spiel des Klubs auf ihn zugeschnitten. Der Mittelstürmer wird von seinen Teamkollegen fleißig mit Flanken „gefüttert“. Er sagt: „Ich bin eben abhängig von den Bällen, die ich bekomme.“

Janko spürt und rechtfertigt das in ihn gesetzte Vertrauen. An seinen Qualitäten hat er trotz aller Tiefschläge nie gezweifelt. „Ich wusste, dass ich mir in Australien ein bisschen Zeit geben muss. An meine Stärken aber habe ich immer geglaubt. Auch wenn das vielleicht eingebildet klingen mag, aber wenn man mich richtig einsetzt, kann ich für jede Mannschaft der Welt wertvoll sein.“ Das Risiko, den Schritt nach Australien zu wagen, habe sich letztlich gelohnt. „Ich wurde sportlich wieder wachgeküsst und wiederbelebt.“

Seine Tore haben Jankos beinahe schon aussichtslos gewordene Position auf dem Stürmermarkt drastisch verbessert. Die Nummer 21 ist wieder ein gefragter Mann. Dass Sydney FC den Einjahresvertrag verlängern möchte, liegt auf der Hand. „Sydney ist mein erster Ansprechpartner, aber noch hat es keine Gespräche gegeben“, sagt Janko und spielt auf Zeit. Die sommerlichen Transferplanungen europäischer Klubs sind im März noch nicht allzu weit fortgeschritten, eine Rückkehr möchte er keineswegs ausschließen. Sollte er einen neuen Vertrag in Sydney unterschrieben, dann definitiv zu weit besseren Konditionen als bisher. Doch unabhängig davon, wo Jankos Zukunft liegt: Nach Europa zieht es ihn immer wieder zurück. Für das österreichische Nationalteam fliegt der 45-fache Teamspieler regelmäßig um die halbe Welt, 16.000 Kilometer Luftlinie liegen dabei zwischen Sydney und Wien.


Kollers Nummer eins. Janko gilt als Patriot, für den gemeinsamen Traum von der erfolgreichen EM-Qualifikation scheint ihm kein Weg zu weit. „Für mich ist es eine riesengroße Ehre, Nationalspieler sein zu dürfen. Deswegen nehme ich die Strapazen der langen Anreise immer wieder auf mich. Ich will diese Qualifikation mit jeder Pore“, sagt Janko, der wie in Sydney auch im ÖFB-Team das Vertrauen seines Vorgesetzten spürt. Unter Marcel Koller ist Janko in der internen Stürmerhierarchie die Nummer eins, gegen Liechtenstein am Freitag (20.45 Uhr, live in ORF eins) fehlt es mit dem verletzten Rubin Okotie noch dazu an der favorisierten Alternative. Das Spiel in Vaduz werde zwar „kein Selbstläufer“, drei Punkte müssen allerdings das klare Ziel sein, um der Europameisterschaft in Frankreich nächstes Jahr einen Schritt näherzukommen. „Das wäre ein absolutes Highlight.“

Torjäger

Marc Janko, geboren am 25. Juni 1983 in Wien, stand bislang bei sechs Klubs unter Vertrag. Seit seinem Wechsel zu Twente Enschede 2010 ist Janko im Ausland beschäftigt, in der laufenden Saison geht er für Sydney FC auf Torjagd.

Nach 19 Spielen hält Janko bei 16 Treffern. Für das Nationalteam traf der Mittelstürmer in 45 Spielen 18-mal.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Fussball EM-Quali: Liechtenstein - Montenegro
Fußball-International

Das Liebäugeln mit der Sensation: "Wir haben Blut geleckt"

Liechtensteins österreichischer Teamchef Rene Pauritsch spricht vor dem EM-Quali-Duell mit dem ÖFB-Team über Visionen und Träume.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.