Der Erfolg der Nationalelf hat viele Gründe. Warum eine Teilnahme an der EM 2016 realistischer denn je erscheint.
Wien. Auf höchst souveräne Art und Weise hat Österreichs Nationalmannschaft Freitagabend seine vermeintliche Pflichtaufgabe erfüllt, Liechtenstein wurde beim 5:0 nicht zum Stolperstein. Es war der erhoffte nächste Schritt in Richtung EM 2016 und „ein Spiel, bei dem es nie Zweifel gab, wer der Chef auf dem Platz ist“, wie Marc Janko sagte. Nach fünf von zehn Spieltagen thront die ÖFB-Elf ungeschlagen an der Spitze der Qualifikationsgruppe G, vier Pflichtspielsiege in Folge glückten zuletzt auf dem Weg zur WM 1998. Fünf Faktoren erklären den Aufschwung.
Der Faktor Qualität
Forciert durch gute Leistungen bei der Heim-Europameisterschaft 2008 fanden viele Teamspieler den Weg ins Ausland. Die deutsche Bundesliga stellt den Löwenanteil an Legionären, die in der Fremde entscheidende Fortschritte machten. Der österreichische Fußballer ist gefragter denn je – und er nimmt im Ausland vermehrt eine Führungsrolle ein. Beste Beispiele dafür sind David Alaba (Bayern München), Zlatko Junuzović (Werder Bremen) oder etwa auch Marc Janko (Sydney FC). Die gehobene Qualität spiegelt sich im Nationalteam wider. „Jeder Einzelne ist reifer und besser geworden“, bemerkt der Stuttgarter Martin Harnik. Dabei scheint der Leistungszenit bei vielen noch nicht erreicht. „Wir stecken immer noch in einer Entwicklung“, meint Junuzović.
Von Qualität zeugt auch die Tatsache, dass in der laufenden Qualifikation das bisherige Punktemaximum gegen die kleineren Fußballnationen Moldawien und Liechtenstein eingefahren wurde. „Früher haben wir speziell in solchen Spielen gepatzt und den Gegner unterschätzt“, gesteht Robert Almer. Gegenwärtig ist der Fokus der richtige. Christian Fuchs: „Wir haben Liechtenstein genauso ernst genommen wie Russland oder Brasilien.“
Der Faktor Teamgeist
Die Nationalmannschaft ist eine eingeschworene Truppe. Die Spieler sind stolz, Teil dieses Teams zu sein, bei jeder Gelegenheit wird die exzellente Stimmung hervorgehoben. Das mag in der Vergangenheit unter Kollers Vorgängern nicht immer so gewesen sein. Der Teamgeist wird gelebt wie nach dem Treffer von Marko Arnautović, als kollektiver Jubel ausbrach. „Solche Kollegen hat man nicht immer“, diktiert der Torschütze später. Die Mannschaft vermittelt einen homogenen Eindruck, Störfaktoren wie etwa Paul Scharner einst einer war, gibt es nicht mehr. „Wir sind elf Freunde auf dem Platz und noch mehr auf der Bank“, sagt Harnik. Der gegenseitige Respekt sei groß, „da wird auch nicht abgewinkt, wenn einer einen Fehler macht.“ Und Aleksandar Dragović stellt fest, dass es „noch nie so viel Spaß gemacht hat, im Team zu spielen“.
Der Faktor Koller
Bei seiner Bestellung war die Skepsis groß, heimische Fußballlegenden äußerten mehr oder weniger laut ihre Zweifel. Mittlerweile hat Marcel Koller alle von sich und seiner Arbeit überzeugt. Er hat dem Team eine verloren geglaubte Identität eingeimpft, die oft zitierte Handschrift des Trainers ist unverkennbar. Der Schweizer ist kein Freund von Experimenten, er hält an seinem Personal genauso wie an seinem Spielsystem fest. Der Erfolg gibt ihm recht, er bietet Kritikern keine Angriffsfläche. Koller ist für die Spieler eine Respektsperson, wie sie ein Teamchef sein soll. Er sorgt auch dafür, dass Alaba und Co. nicht in verfrühte Euro-Euphorie verfallen. Seine charmant-seriöse Art verfehlt auch in der Öffentlichkeit nicht seine Wirkung.
Der Faktor Fans
Das Nationalteam spielt derzeit gefälligen und erfolgreichen Fußball, es ist nicht zuletzt deshalb in. Heimspiele im Happel-Stadion sind innerhalb kürzester Zeit ausverkauft, die Zuschauer erweisen sich immer wieder als der erhoffte zwölfte Mann. Für die Spieler sind die Auftritte vor 48.000 Fans ein elektrisierendes Erlebnis. Die Euphorie ist groß wie zuletzt bei der Heim-EM, die Hoffnung auf eine erfolgreiche Qualifikation spürbar. In Vaduz verwandelten tausende Österreicher das Auswärtsspiel in ein Heimspiel. „Die Fans waren ein großer Rückhalt“, lobt Janko.
Der Faktor Glück
Wer sich für ein Großereignis qualifizieren will, der benötigt auch das sprichwörtliche Quäntchen Glück. Dieses hatte Österreich in der Vergangenheit nicht allzu oft, man erinnere sich etwa an die Heimspiele gegen Deutschland. Doch auf dem Weg nach Frankreich ist dem ÖFB-Team einstweilen auch Fortuna gewogen. In Moldau hätte man kurz vor Schluss beinahe den Ausgleich erhalten „und im Heimspiel gegen Montenegro waren wir einem Gegentreffer nah. Das wollen wir nicht vergessen“, betont Harnik in der Stunde des Erfolgs. „Glück muss man sich auch erarbeiten, das haben wir“, ergänzt Almer.
GRUPPE G 5. SPIELTAG
1.Österreich541010213
2.Schweden5230739
3.Russland4121635
4.Montenegro4121325
5.Liechtenstein51131114
6.Moldau5014281
Liechtenstein – Österreich 0:5 (0:2)
Moldau – Schweden 0:2 (0:0)
Montenegro – Russland abgebrochen.
Bisherige Österreich-Spiele: Österreich – Schweden 1:1, Moldau – Österreich 1:2, Österreich – Montenegro 1:0, Österreich – Russland 1:0.
Nächstes Spiel: Russland – Österreich (14. Juni).
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2015)