Fußball-Fieberträume in New York

SOCCER - MLS, Orlando vs New York
SOCCER - MLS, Orlando vs New YorkGEPA pictures
  • Drucken

Die Scheichs von Abu Dhabi wollen mit dem New York City FC ihren Erfolg aus der Premier League kopieren. Doch die Regeln der Major League Soccer verhindern Spitzenfußball in den USA.

Genau 27.545 Zuschauer, volles Haus: Von solch einer Kulisse können österreichische Bundesligisten nur träumen. Und auch von so einem dankbaren Publikum. Samstagabend, Anfang April tanzen Schneeflocken durch den Himmel über der Bronx. Auf dem Spielfeld wird bemühtes Kick-and-Rush geboten, und dennoch ist die Stimmung bei diesem Heimspiel des New York City Football Club in der Baseballarena des Yankee Stadium ausgezeichnet.

Wer die Augen schließt, könnte meinen, in einem englischen Stadion zu sitzen. Sobald man allerdings die Augen öffnet, wird das fundamentale Problem der neuesten und anspruchsvollsten Mannschaft der Major League Soccer (MLS) deutlich: Der Fußball ist grottenschlecht. Technisch und taktisch überforderte Spieler aus der College-Liga und ausgebrannte Altstars aus Europa sorgen für ein sportliches Niveau, das bestenfalls der zweiten Leistungsstufe in England oder Deutschland nahekommt.

Das ist für die Eigentümer des New York City FC eine Herausforderung. Denn sie sind Weltklasse gewohnt. Der Klub gehört zu 80 Prozent jenem Investmentvehikel, über das der 35-jährige Scheich Mansur von Abu Dhabi den englischen Meister Manchester City besitzt sowie am Melbourne City FC in Australien und den Yokohama Marinos in Japan beteiligt ist. Scheich Mansurs Geschäftspartner in New York sind die Steinbrenner-Brüder, denen die Yankees gehören, sozusagen das Bayern München des Baseballs.


Big Apple als Muss. Scheich Mansur hat seit dem Erwerb der MLS-Lizenz vor zwei Jahren akribisch geplant. Zum FC-Präsidenten krönte er Sportmarketingfachmann Tom Glick. Er hatte den krisengeschüttelten englischen Traditionsklub Derby County finanziell und sportlich saniert. Danach eignete er sich als kaufmännischer Vorstand von Manchester City den Stallgeruch an. Sportvorstand ist der frühere US-Teamspieler Claudio Reyna, der einst selbst bei City gespielt und auch die Kapitänsschleife des VfL Wolfsburg getragen hat. Für die Fitness sorgt der Spanier Oscar Pitillas, der zuletzt für den spanischen Meister und Champions-League-Finalisten Atlético Madrid gearbeitet hat. Trainiert werden die New Yorker von Jason Kreis, der 2009 mit Salt Lake als bislang jüngster Coach die Liga gewonnen hat. Doch der Aufbau einer Klassemannschaft in New York ist unter den derzeitigen Wettbewerbsbedingungen unmöglich. Das liegt nicht nur daran, dass der Klub trotz angestrengter Suche kein Grundstück für den Bau einer eigenen, rund 28.000 Zuschauer fassenden Arena findet. Das Hauptproblem liegt darin, dass die MLS im Grund genommen ein Kartell reicher Geschäftsmänner ist. Sie halten Anteile an der Liga, die wiederum sämtliche Verträge mit der Spielergewerkschaft ausmacht und ihre Gehälter bezahlt. Es gibt weder Ab- noch Aufsteiger, dafür aber eine Gehaltsobergrenze wie in den anderen US-Sportligen.

In der vorigen Saison durfte gemäß dieses Salary Cap jeder Klub 3,1 Millionen Dollar pro Jahr (2,9 Millionen Euro) für seinen Kader aufwenden. Heuer werden es 3,3 Millionen Dollar sein. Das Höchstgehalt pro Jahr betrug 2013/2014 387.500 Dollar. 83 Prozent der MLS-Spieler verdienten zuletzt weniger als den Durchschnittslohn von 226.000 Dollar, der Medianwert betrug gar nur 92.000 Dollar. Zum Vergleich: Stars kassieren solche Summen in England pro Woche...

Die Designated Player Rule versucht dieses Problem zu lösen. Jeder MLS-Klub kann bis zu drei Spielern Gagen jenseits der individuellen und kollektiven Gehaltsobergrenzen zahlen. In New York setzt man in erster Linie auf den 33-jährigen David Villa, der nach seinem letzten Meistertitel mit Atlético nun in der Bronx bomben soll. Ihm zur Seite wird nach Ende der englischen Saison im Juni der dann 37-jährige frühere Teamspieler Frank Lampard aus Manchester stehen. Doch es wird schwierig, angesichts der Gehaltslimits um diese beiden in Würde gealterten Haudegen eine reizvolle Truppe aufzubauen.


Schnurrbart und Fehlpässe. Der Besuch der „Presse am Sonntag“ beim Match gegen Sporting Kansas City machte das Qualitätsproblem deutlich. Auffälligster Spieler in der höchst wackligen Verteidigung war rechts hinten Jeb Brovsky, allerdings in erster Linie wegen seines verwegenen Hipster-Schnurrbarts. Im zentralen Mittelfeld sollte der norwegischstämmige US-Teamspieler Mix Diskerud als Zehner kurbeln, seine technischen Schwächen und die Langsamkeit im Umschalten veranschaulichten allerdings, wieso Trondheim und Gent im europäischen Klubfußball den Leistungsplafond für ihn dargestellt haben. Am stärksten wirkte im linken Mittelfeld Ned Grabavoy, 31. Aus der MLS ist er im Lauf seiner Karriere nie herausgekommen, für die Nationalmannschaft hat es nicht gereicht. Der Schlamperei der Kansas-Stürmer sowie einigen Glanzparaden des Tormanns Josh Saunders (34, zwei Länderspiele für Puerto Rico) war es zu verdanken, dass die Partie nur mit 0:1 verloren ging.

„Wir müssen uns in allen Bereichen verbessern“, sagte Coach Kreis nach dem Spiel. „Das ist erst unser viertes Pflichtspiel überhaupt. Wir wollen auf allen Positionen noch neue Spieler hinzufügen.“

Die US-Liga mindert ihren Reiz für gute Spieler zudem durch die fragwürdige Spielansetzung. Sie ist nicht mit dem Ländermatch-Kalender koordiniert, das liegt daran, dass TV-Sender entscheiden, wann sie welche Sportart zeigen. Football, Basketball, Baseball und Eishockey haben weiterhin Vorrang. Somit fand die Partie gegen Kansas City an einem Wochenende statt, an dem Euro-Qualifikationsspiele und zahlreiche Freundschaftsspiele stattfanden. Gleich darauf jedoch war zwei Wochen spielfrei.

Und so sieht es danach aus, als würde der New York City FC das paradoxe Schicksal der übrigen Klubs in der MLS teilen: enormer Zuschauerzuspruch im Stadion trotz mäßiger Leistungen. „Wir sind erfreut über die Zahl und Energie unserer Fans“, sagte Marty von Wuthenau, Pressesprecher des Klubs. 60 Prozent der Zuschauer hätten sich erstmals ein Saison-Abo gekauft. Und es gibt noch mehr Potenzial. Die New Yorker haben vergangene Woche ihre 16.000. Saisonkarte verkauft – nach nur vier Pflichtspielen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.