Heinz Palme: "Katar hat ein Imageproblem"

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Der Steirer Heinz Palme ist in Katar für die Sicherheit von Sportveranstaltungen verantwortlich. Er räumt mit Vorurteilen auf, spricht über Geld und die Rolle Österreichs in Europa.

Sie sind vor über drei Jahren nach Katar gezogen. Welchen Eindruck haben Sie von diesem Land bislang gewonnen?

Heinz Palme: Der erste Eindruck war eher negativ. Ich habe Zeit gebraucht, um mich an Umgebung, Kultur und Mentalität zu gewöhnen. Mittlerweile bin ich der Meinung, dass man hier ganz normal leben kann. Natürlich gibt es gesellschaftliche Unterschiede, aber die gibt es in jedem Land. Ich kann mich hier frei bewegen, es gibt keine Restriktionen, Frauen können ganz normal mit dem Auto fahren. Es herrscht der Irrglaube, dass Frauen aus dem Westen hier verschleiert sein müssen, das ist absoluter Blödsinn. Wichtig ist, dass man die ansässige Kultur respektiert. Das erwarten wir umgekehrt doch genauso. Es würden doch nicht zwei Millionen Ausländer hier leben, wenn es jedem so schlecht gehen würde.

Man könnte glauben, mit einem ansprechenden Gehalt lässt es sich überall aushalten . . .

Ich bin nicht wegen des Geldes hier, sondern wegen des Jobs, wegen der Herausforderung. Ich hatte immer das Glück, einen Job zu haben, der kein Standardjob war. Das, was ich mache, kann nicht jeder machen. Das grenzt schon ein bisschen an Verrücktheit, verlangt sehr viel Arbeit.

Unbestritten ist, dass es vielen Menschen in Katar nicht so gut geht wie Ihnen.

Auch das ist ein Faktum. Hier werken Bauarbeiter unter schwersten Bedingungen. Nur muss man dazu wissen, dass sie in ihrer Heimat überhaupt keine Arbeit hätten, hier können sie mit dem wenigen Geld, das sie verdienen, ihre Familien in Indien, Pakistan oder Nepal ernähren. Katar ist einer der größten Arbeitgeber der Welt in Relation zur einheimischen Bevölkerung. Wenn man ein bisschen in der Welt herumreist, kann man Vergleiche ziehen. Ich war anlässlich der Fußball-WM 2010 zwei Jahren in Südafrika. Dort herrscht wirkliches Elend.

Katar tritt verstärkt als Gastgeber von Sportgroßereignissen in den Fokus, ein Ende ist nicht absehbar.

Und eines ist klar: Katar lässt nicht locker. Der Emir begnügt sich nicht mit einer Fußball-WM, auch Handball, Schwimmen oder Fechten bekommen eine Plattform.


Olympische Spiele wären die Krönung.

Für mich steht und fällt dieses Thema mit dem Zeitraum. Wenn es möglich ist, Olympische Sommerspiele erst im Oktober oder November zu veranstalten, steht dem nicht viel im Weg.

Was möchte Katar mit all seinen Investitionen und Bemühungen im Sport am Ende des Tages erreichen?

Man will eines der bedeutendsten Sportländer der Welt werden. Der eingeschlagene Weg scheint richtig, weil sich Katar selbst keine Restriktionen auferlegt. In anderen Ländern gibt es aufgrund von politischen oder gesellschaftlichen Gegebenheiten nicht mehr diese Möglichkeiten. In Katar treffen einige wenige Menschen Entscheidungen, die rasch umgesetzt werden. Katar hat, was das Geld betrifft, ohnehin ein Imageproblem. Wenn die Aufgaben im Sport aber gut erledigt werden, kann man einige Pluspunkte sammeln.

Sie sprechen das Image Katars an. Dem Land eilt der Ruf voraus, den Zuschlag für so manches Event aufgrund gewisser monetärer Vorzüge erhalten zu haben . . .

Diesbezüglich braucht man wirklich nicht naiv zu sein und zu glauben, es funktioniert anders. Ich habe im Rahmen der Fußball-EM-Bewerbung für 2004 zwei Jahren lang rund um die Uhr für die Kandidatur von Österreich und Ungarn gearbeitet. Als es dann Richtung Abstimmung ging und wir uns trotz aller Probleme mit Ungarn gute Chancen auf einen Zuschlag ausgerechnet haben, habe ich von einigen stimmberechtigten Mitgliedern gehört, dass ihre Stimme an Portugal gehen wird. Der portugiesische Sportminister hatte alle stimmberechtigten Länder bereist, der Ministerpräsident etwa die Hälfte. Zudem hatte Portugal von der EU zu dieser Zeit Fördermittel in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro bekommen. Geld hat also auf anderer Ebene eine Rolle gespielt. Damit muss man leben.

Die mangelnde katarische Sportbegeisterung wird ebenso kritisch beäugt.

Es wird notwendig sein, Verständnis und Begeisterung für den Sport zu entwickeln. Dieses Unterfangen wird schwierig und mindestens zehn, 15 Jahre in Anspruch nehmen, davon bin ich überzeugt.

Anders als Katar verfolgt Österreich keine sportliche Vision. Großereignisse sind rar gesät, der Sportstättenbau ist seit vielen Jahren ein leidiges Thema.

Das ist einfach nur schade, weil Österreich ein prädestinierter Gastgeber wäre. Mit der Fußball-EM 2008 hat man die letzte Chance, große Veränderungen vorzunehmen. Dass das Happel-Stadion irgendwann ein Auslaufmodell sein wird, wusste man schon lang. Jetzt gibt es keine Alternative dazu. Jeder, der im österreichischen Sport tätig ist, sollte die Augen öffnen und sich ansehen, in welche Richtung die internationale Entwicklung geht. 30 Nationen haben sich für die Austragung für EM-Spiele 2020 beworben, Österreich kann nicht einmal das. Aber um fair zu sein und es auch von einer anderen Seite zu sehen: Es ist auch ein legitimer Zugang zu sagen, wir brauchen und wollen diese Großereignisse nicht.

Vor zwei Jahren hat sich die Wiener Bevölkerung deutlich gegen eine Bewerbung für Olympia 2028 ausgesprochen.

Ich behaupte nicht, dass Wien eine Chance hätte, wenn es um Geld geht. Würden die notwendigen Sportstätten aber geschaffen werden, hätte Wien eine Riesenchance. Wien hat die richtige Größe, ist sicher, sauber, hat eine gute Infrastruktur, eine gute Hotellerie. Egal, wo ich auf der Welt gerade bin: Wenn ich mit jemandem über Wien spreche, beginnt das Schwärmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2015)

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