Champions League: Gegner im eigenen „Wohnzimmer“

(c) EPA (ROBERTO TEDESCHI)
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In Barcelona hat Pep Guardiola eines der besten Teams der Fußballgeschichte geformt, nun kehrt er mit Bayern als Gegner zurück. Die Katalanen sind bestens vorbereitet.

Pep Guardiola kennt in Barcelona jeden Grashalm. Er war dort Balljunge, Jugendspieler, Profi, Kapitän. Dann Betreuer des B-Teams und schließlich der erfolgreichste Trainer, den der Klub je hatte. In Barcelona wurde Guardiola zum Architekten einer neuen Fußball-Stilepoche. Die Stadt ist seine Heimat, er ist Vereinsmitglied und als Verfechter der Unabhängigkeit ein Held für die meisten Katalanen.

Wenn also Guardiola am Dienstag (20.45 Uhr, live ZDF) mit dem FC Bayern im Halbfinalhinspiel der Champions League im ausverkauften Camp Nou gastiert, spielt er zu einem gewissen Grad gegen sich selbst. Mit Sicherheit ist es das emotionalste Spiel seiner Trainerlaufbahn. „Natürlich ist es speziell für mich“, gestand der 44-Jährige, der einst Seite an Seite mit dem nunmehrigen Barcelona-Trainer Luis Enrique gespielt hatte.

Die Vorzeichen sind unterschiedlich, deshalb ist Barcelona zu favorisieren. Der katalanische Angriff ist der beste der Vereinsgeschichte. Die Bayern haben zwar den Meistertitel fixiert, zuletzt hat es aber zwei Niederlagen gesetzt, und in der Offensive plagen Verletzungssorgen.

Die fantastischen Drei

Die größte Gefahr für den FC Bayern ist der südamerikanische Angriff von Barcelona mit Lionel Messi, Luis Suárez und Neymar. Das Trio bestehend aus dem viermaligen Weltfußballer, dem Premier-League-Torschützenkönig und dem besten Brasilianer seiner Generation hat in dieser Saison 108 der insgesamt 159 Tore geschossen. Gemeinsam verbesserten sie den Klubrekord der Triple-Saison 2009 von Messi, Samuel Eto'o und Thierry Henry, die es auf 100 Tore gebracht hatten.

Zuletzt feierte Barcelona einen 8:0-Kantersieg über Córdoba, davor ein 6:0 gegen Getafe. In Córdoba gelang Suárez sein erster Dreierpack für die Katalanen. Wenn es eine Schlüsselfigur im neuerlichen Aufschwung von Barcelona gibt, dann ist es Suárez. Durch seine Besetzung der Sturmmitte wurde das Spiel geradliniger, direkter. Auch das Publikum sah seinen Stolz, für Barcelona zu spielen; es liebte ihn von Beginn an. „Luis hat sich sehr schnell eingefügt. Wir sind in Topform und wollen den Titel holen, wenn wir so knapp davorstehen“, sagte Messi. Dass sein ehemaliger Förderer Guardiola Barcelona in- und auswendig kenne, liege auf der Hand: „Aber auch wir wissen, wie er gern spielt.“

Im Angriff habe Barcelona „an Geschwindigkeit hinzugewonnen“, urteilte auch Bayerns Publikumsliebling Thiago vor dem Duell mit seinen früheren Teamkollegen. Besonders gegen Messi sei es „immer kompliziert zu spielen“. In der Champions League hat das Barcelona-Sturmtrio in zehn Spielen 20-mal getroffen, das ist ein Zwei-Tore-Schnitt. „Das ist ein außergewöhnlicher Sturm, der da auf uns zukommt“, gestand Bayerns Abwehrchef Jérôme Boateng, der wie der Großteil der Bayern-Stars bei der 0:2-Niederlage am Wochenende gegen Leverkusen geschont worden war.

Barcelonas Torhüter-Juwel

Von den drei besten Torschützen der Münchner ist nur der Einsatz von Thomas Müller gesichert. Für Arjen Robben ist die Saison vorbei, Robert Lewandowski ist fraglich. Der polnische Angreifer hatte sich in der Vorwoche beim Cup-Aus gegen Dortmund Oberkiefer und Nasenbein gebrochen. Er könnte mit einer Schutzmaske im Camp Nou auflaufen, die Entscheidung fällt am Dienstag. „Alles okay, ich habe keine Angst“, meinte Lewandowski. Die Langzeitverletzten Franck Ribéry, Holger Badstuber und David Alaba blieben zu Hause.

Wenn der katalanische Angriff aufgehalten werden soll, wird es auch auf Manuel Neuer ankommen. Der Bayern-Torhüter steht außerdem im direkten Vergleich mit seinem Gegenüber Marc-André ter Stegen, der als Neuers Nachfolger im deutschen Nationalteam gilt. Bei Barcelona kommt der 23-Jährige nur in der Champions League und im Pokal zum Einsatz, in der Liga spielt Claudio Bravo. In allen drei Bewerben ist der Titel noch möglich, die Katalanen liegen auf Triple-Kurs. Dieses Kunststück gelang Barcelona zuletzt 2009. Trainer war Pep Guardiola. (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2015)

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