VW-Macht: Fußball als Vermarktungsstrategie

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Nach dem Aufstieg von Ingolstadt hält Volkswagen Anteile an drei Bundesligaklubs. Hinzu kommen Sponsorenverträge mit 14 Erst- und Zweitligisten. Die VW-Macht im Fußball wird immer größer, Widerstand regt sich kaum.

Wolfsburg. Ohne Audi gäbe es keinen Profifußball in Ingolstadt. Die Tochter Quattro GmbH hält 19,94 Prozent am FC Ingolstadt, das Stadion gehört dem Unternehmen komplett und auch das Trainingsgelände mit hochdekorierter Nachwuchsakademie hat der Automobilhersteller bezahlt. Nicht verwunderlich, dass mit dem bereits fixierten Aufstieg des „Werksklubs“ in die Bundesliga wieder die Debatte um Tradition und Moderne aufkommt: kriselnde Klubs mit Historie da und fremdfinanzierte Neureiche dort.

In der Liga herrscht eine gewisse Furcht vor dem reichen Neuling aus der oberbayerischen Stadt, in der jeder Vierte der 130.000 Einwohner beim Autobauer arbeitet. Immerhin ist der Verein erst vor elf Jahren aus einer Fusion zweier zerstrittener Altklubs hervorgegangen. Audi, der Jahresumsatz beläuft sich auf knapp 54 Milliarden Euro, ist Sponsor der ersten Stunde und seit zwei Jahren Mitbesitzer des Klubs. Vier von sechs Aufsichtsräten kommen aus dem Konzern. In Ingolstadt redet man aber nicht so gern darüber in der Öffentlichkeit.

„Emotional und nicht elitär“

„Wir sind ein Verein, deswegen weigere ich mich auch, über dieses Werksklub-Gelaber zu diskutieren, weil es definitiv nicht so ist“, sagt Vorstandschef Peter Jackwerth. „Der Verein hält über 80 Prozent, dann wäre Bayern ja auch ein Werksklub.“ Zum Vergleich: Die Münchner halten 75 Prozent, den Rest (je 8,33 Prozent) teilen sich Audi, Adidas und Allianz. Wie bei Ingolstadt gibt es jedoch personelle Verflechtungen: Volkswagen-Boss Martin Winterkorn und Audi-Chef Rupert Stadler sitzen bei den Bayern im Aufsichtsrat.

Bei Wolfsburg erübrigt sich diese Diskussion, dort ist die VW-Nähe deutlich. Der Konzern hält 100 Prozent am Verein, der mit angeblich 95 Millionen Euro pro Saison das größte Fußballinvestment des Autobauers ist. Das Stadion, die Immobilien und das Trainingsgelände gehören der Wolfsburg AG, einer öffentlich-privaten Partnerschaft aus Stadt und Konzern.

Ohne VW wären Stars wie Kevin de Bruyne (um 22 Millionen Euro von Chelsea) und André Schürrle (32 Millionen, ebenfalls von Chelsea) nicht in Wolfsburg. Die genaue Höhe des VW-Engagements ist ein aber Geheimnis. Die Wolfsburg-Bilanz verschwindet über die VW-Tochter Autovision in der Konzernbilanz, sie umfasst einen Jahresumsatz von 202 Milliarden Euro. Weitere Förderungen laufen über Konzerntöchter.

Volkswagen spielt mit Marken wie Seat und MAN sowie der VW-Bank bei 13 weiteren Erst- und Zweitligisten wie Schalke, Werder Bremen und Eintracht Braunschweig eine Sponsorenrolle. Mit dem DFB-Pokal und dem größten Nachwuchsturnier („VW Junior Masters“) hat der Konzern auch eigene Wettbewerbe im Portfolio. Angeblich ist VW sogar als möglicher Auto-Sponsor der Champions League im Gespräch. Insgesamt soll das Fußballinvestment im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich liegen.

Fußball gehört beim zweitgrößten Automobilhersteller der Welt zur Vermarktungsstrategie. „Fußball ist in den meisten Märkten Volkssport, dazu ist er hochemotional, nicht elitär und passt somit perfekt zur Marke“, lässt der Konzern ausrichten. Das Engagement „spiegelt sich in schnöden Zahlen wider“, wie es Stefan Grühsem, der Leiter der Konzernkommunikation, formuliert. Einzig der vor einem Monat zurückgetretene Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch soll kein Freund des Fußballs gewesen sein.

Lex Volkswagen

Rechtlich hat alles seine Richtigkeit, obwohl der Ligaverband erst vor Kurzem eine Beschränkung der Mehrfachbeteiligung von Investoren beschlossen hat. Demnach darf ein Anteilseigner nur noch bei einem Verein mit bis zu 49 Prozent und bei zwei weiteren Klubs mit bis zu zehn Prozent beteiligt sein. Gemäß Liga-Chef Christian Seifert gibt es aber eine Ausnahme: „Für den Volkswagen-Konzern besteht ein Bestandsschutz.“ Schon bei der sogenannten 50+1-Regel (Red-Bull-Thematik), die es Kapitalanlegern verbieten soll, die Stimmenmehrheit bei Profimannschaften zu übernehmen, wurde für Wolfsburg (und Bayer Leverkusen) eine Ausnahme gemacht. Joachim Watzke warnt als Geschäftsführer von Borussia Dortmund vor den finanziellen Möglichkeiten der Konzerns: „Wenn VW das richtig ernst nimmt, werden alle Grenzen gesprengt.“ Allerdings, auch Watzke profitiert von VW-Geldern. Immerhin gehört die Konzerntochter MAN zu den Sponsoren des BVB.

Die Fans stellen sich aber derzeit folgende Frage: Was passiert, wenn Ingolstadt Punkte im Abstiegskampf benötigt und auf den FC Bayern trifft, der den Meistertitel bereits fixiert hat? Oder auf die als Vizemeister feststehenden Wolfsburger...? (joe)

AUF EINEN BLICK

Volkswagen gehört der VfL Wolfsburg. Über Audi ist VW am FC Bayern (8,33 Prozent) und am FC Ingolstadt (19,94 Prozent) beteiligt. Zusätzlich sponsert der Konzern zahlreiche deutsche Erst-und Zweitligisten.

VW: Werder Bremen, Schalke, Greuther Fürth, RB Leipzig, 1860 München.

Audi: Hertha Berlin, Hoffenheim, Mönchengladbach, Nürnberg.

MAN: Hamburger SV, Borussia Dortmund, Kaiserslautern.

VW Nutzfahrzeuge: Hannover

Seat und VW-Bank: Braunschweig

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2015)

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