Europa-League-Finale: Dnjepr, die Hoffnung der Ukraine

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Außenseiter Dnjepropetrowsk will gegen Titelverteidiger FC Sevilla gewinnen und die Heimat mit Stolz erfüllen. Für einen Abend steht der Krieg im Abseits.

Warschau. Der Fußball erhält wieder einmal eine humanitäre Aufgabe. Ein Krieg spaltet die Ukraine, doch der Fußball soll das Land einen. Das Europa-League-Finale gegen Sevilla am Mittwoch in Warschau (ab 20.30 Uhr, ORF1) ist für den Verein aus der Frontstadt Dnjepropetrowsk mehr als nur ein Spiel. Hoffnungslos überfüllte Lokale, Public Viewing und ein Autokonvoi nach Polen – bei diesem Endspiel will die krisengeschüttelte Ukraine für 90 Minuten den Krieg vergessen. Der blutige Konflikt gegen prorussische Separatisten im Osten des Landes und die schwere Wirtschaftskrise sollen dann im Abseits stehen.

Ihre Mannschaft, das ist Dnjepr Dnjepropetrowsk. „Wir haben nichts – aber wir geben alles“, sagt Dnjepr-Anhänger Sergej. Im Zentrum der Frontstadt wird die Live-Übertragung der Partie auf eine 120 Quadratmeter große Leinwand Tausende anlocken. „Das wird eine Riesenparty“, meint Jewgeni. „Ich komme mittags und stelle ein Sofa auf.“

Ukrainer in Endspielen immer siegreich

Vorfreude herrscht bei den Dnjepropetrowsk-Anhängern, und auch für den Klub läuft es gut. Mit einem 3:2-Erfolg gegen Schachtjor Donezk tankte Dnjepr am Wochenende Selbstvertrauen für das Finale. Der Verein liegt vor dem letzten Spieltag der ukrainischen Premier-Liga auf Europa-League-Rang drei und kämpft um die Qualifikation zur Champions League. Trainer Miron Markewitsch verfolgt aber andere Ziele, logisch – so greifbar nah war ein Triumph schon lang nicht mehr. Und, Sevilla sollte gewarnt sein. Erreicht ein ukrainisches Team ein Europacupfinale, gewinnt es auch. Dynamo Kiew gewann 1975 und 1986 den Pokal der Pokalsieger und Schachtjor Donezk 2009 den Uefa-Cup. Nun hofft eine ganze Nation auf eine Fortsetzung dieser Serie – und somit auf das „Wunder von Warschau“.

Tausende ukrainische Fans sind auf den Weg in Polens Hauptstadt. Sie verabreden sich im Internet zu Mitfahrgelegenheiten und einem Konvoi. Das Gros aber hat kein Visum erhalten oder kann sich die Fahrt in das Nachbarland nicht leisten, wie Dnjepr-Vereinsmitglied Pawel der Zeitung „Segodnja“ erzählt. Daher feiern viele in Kiew, natürlich nahe dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz. „Ich bin sicher, das ganze Land freut sich. Blau-Weiß spielt jetzt im Namen des Volkes.“

Für die Fußball-Ukraine gilt Polen als gutes Pflaster. Dnjepr hat zwar erst einmal in Warschau gespielt, das ist fast 30 Jahre her, aber das Team erreichte im damaligen Uefa-Cupspiel ein 0:0 gegen Gastgeber Legia. Die ukrainische Nationalmannschaft gewann in der Qualifikation für die WM 2014 in Polen mit 3:1 – und zwar im Nationalstadion von Warschau, das auch am Mittwochabend die große Bühne bietet. „Das ist zwar Schnee von gestern, aber immerhin: Weder Deutschland noch etwa England oder Portugal konnten bisher in der neuen Arena gewinnen“, sagt Markewitsch mit einem Lächeln.

Der Dnjepr-Trainer hat viele Freunde in Polen. Seine Heimatstadt Lwiw (Lemberg) liegt in der Westukraine, die früher ein Teil Polens war. Auch deswegen hat der Ort starke Beziehungen zum Nachbarland. Markewitsch spricht gut Polnisch und schätzt als Klavierspieler den polnischen Komponisten Frédéric Chopin (1810–1849). Ein Stück des Künstlers könnte dem ukrainischen Außenseiter an diesem Mittwoch als Hymne dienen: Die Polonaise As-Dur, genannt „Die Heldenhafte“. (dpa/fin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2015)

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