Fifa-Skandal: Ex-Vize Warner stellt sich, Millionen-Kaution festgesetzt

Fifa-Skandal: Sechs Funktionäre gestehen
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Chaos im Weltfußballverband: Sieben Fifa-Funktionäre, darunter zwei Vizepräsidenten wurden festgenommen. Der frühere Vizepräsident Jack Warner hat sich gestellt, die Kaution soll sich auf 2,5 Millionen Dollar belaufen.

Nur zwei Tage vor der Fifa-Präsidentschaftswahl wird der Fußball-Weltverband von einem handfesten Skandal erschüttert. Am frühen Mittwochmorgen betraten Schweizer Kantonsbeamte in Zivil das Zürcher Nobelhotel Baur au Lac und nahmen sieben zum Teil hochrangige Fifa-Offizielle auf Anordnung der US-Justizbehörde fest. Ihnen wird organisiertes Verbrechen, Betrug sowie Absprache zur Geldwäsche vorgeworfen. „Die Verdächtigen haben sich über 24 Jahre lang durch Korruption am internationalen Fußball bereichert“, hieß es in der Aussendung des US-Justizministeriums. Die Ermittlungen stünden erst am Anfang, bekräftigte US-Justizministerin Loretta Lynch.

Die wenig später veröffentlichte Liste der Verdächtigen umfasst 14 Namen, darunter mit Jeffrey Webb von den Cayman-Inseln (Präsident des Verbandes von Nord- und Mittelamerika Concacaf) sowie dem Uruguayer Eugenio Figueredo (Ex-Präsident des südamerikanischen Verbandes Conmebol) auch zwei Fifa-Vizepräsidenten und damit direkte Stellvertreter von Fifa-Präsident Joseph Blatter. Hinzu kommen sieben weitere aktuelle oder ehemalige Fifa-Funktionäre sowie fünf Chefs von Sportmarketing-Firmen. Die ersten sechs Personen sollen bereits ein Geständnis abgelegt haben.

Die Fifa sperrte am Abend elf Funktionäre vorläufig für sämtliche Fußball-Aktivitäten, darunter auch Webb und Figueredo.

Ex-Vizepräsident Warner selbst gestellt

Der frühere Fifa-Viezpräsident Jack Warner hat sich der Polizei in seinem Heimatland Trinidad und Tobago gestellt. Er soll bald gegen die Zahlung einer Kaution in Höhe von 2,5 Millionen Dollar auf freien Fuß gesetzt werden, wie örtliche Medien am Mittwoch berichteten. Zunächst sei Warner aber noch in Gewahrsam geblieben, korrigierte die Zeitung "Trinidad Express" frühere Angaben. Der ehemalige Fifa-Funktionär müsse auch seinen Pass abgeben und sich zweimal pro Woche bei der Polizei melden. Der nächste Gerichtstermin findet im Juli statt.

Zuvor hatte das US-Justizministerium die Auslieferung Warners beantragt. Die Ermittler werfen ihm organisierte Kriminalität, Korruption und Geldwäsche vor. In den Vereinigten Staaten laufen seit längerer Zeit Untersuchungen des FBI gegen ehemalige Fifa-Offizielle.

Während die Fifa-Riege beriet, ereilte sie bereits die nächste Hiobsbotschaft: Die Schweizer Bundesstaatsanwalt eröffnete ein Strafverfahren rund um die Vergaben der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar. Es besteht der Verdacht „der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie der Geldwäscherei“. Elektronische Daten und Dokumente im Fifa-Hauptquartier wurden sichergestellt, zudem Bankunterlagen angefordert und Konten gesperrt. Verfahren und Festnahmen sollen allerdings nicht miteinander in Verbindung stehen.

Uefa fordert Wahl-Verschiebung

Angesichts gleich zwei solcher Erdbeben war es dann auch in der Fifa-Zentrale mit der Ruhe vorbei. In einer eilig anberaumten Pressekonferenz bemühte sich Kommunikationschef Walter de Gregorio um Schadensbegrenzung, lieferte dabei jedoch eine zum Teil bizarre Show ab. „Es ist kein schöner Tag für uns, aber ein guter“, kommentierte der Schweizer die jüngsten Ereignisse. Die Fifa begrüße die Maßnahme der Staatsanwaltschaft, schließlich habe der Weltverband selbst die Ermittlungen zu den WM-Vergaben lanciert. „Das ist die Konsequenz dessen, was wir begonnen haben. Die Überraschung ist nicht, dass es passiert, sondern dass es jetzt passiert ist“, sagte de Gregorio und gab zu: „Das Timing ist nicht das beste.“ Die für heute geplante Eröffnung des Fifa-Kongresses soll aber ebenso wie die für Freitag angesetzte Wahl des Fifa-Präsidenten stattfinden, denn „das eine hat nichts mit dem anderen zu tun.“ Die UEFA fordert allerdings eine Verschiebung.

„Die Fifa ist die geschädigte Partei“, predigte de Gregorio ein bereits aus der Vergangenheit bekanntes Credo und ergänzte erst auf Nachfrage, dass natürlich auch Millionen Fußballfans betroffen seien. Immer wieder betonte der Medienchef, dass weder Fifa-Präsident Joseph Blatter noch Generalsekretär Jerome Valcke unter den Verdächtigen seien. Ob Blatter dennoch nicht wie in anderen Unternehmen die Verantwortung für derartige Skandale tragen und zurücktreten sollte? „Warum? Der Präsident ist nicht involviert.“ Dass der Fifa kurz vor dem Kongress Herzstücke aus ihrem innersten Führungszirkel gerissen wurden und die Organisation dadurch erneut in einem mehr als schiefen Licht steht, wollte er hingegen nicht kommentieren.

Blatter: "Schwierige Zeit für den Fußball" 

Blatter selbst äußerte sich am Mittwoch nicht zu einer möglichen Verschiebung der Präsidentschaftswahl. "Dies ist eine schwierige Zeit für den Fußball, seine Anhänger und die FIFA", ließ der 79 Jahre alte Schweizer in seiner ersten Stellungnahme verlauten. Sein Verband werde mit den betroffenen Behörden weiterhin zusammenarbeiten. "Solches Verhalten hat keinen Platz im Fußball und wir versichern, dass jene, die darin verwickelt sind, vom Spiel ausgeschlossen werden."

Auch wenn Blatter, der die Geschicke des Fußball-Weltverbandes seit 1998 führt und am Freitag seine vierte Wiederwahl anstrebt, nicht direkt beschuldigt wird, handelt es sich bei den Verdächtigen durchwegs um Vertraute des Schweizers. Allen voran Jeffrey Webb, der als sein wichtigster Mann für die Finanzen im Weltverband fungiert und ironischerweise auch Chef der Anti-Diskriminierungs-Task-Force ist. Webb gilt sogar als Blatters auserkorener Nachfolger, nun droht dem Kronprinzen allerdings ein tiefer Fall. Dabei hatte der 50-Jährige noch wenige Stunden vor seiner Festnahme vor Journalisten Blatters „demokratischen Weg“ gerühmt und betont, dass eine fünfte Amtszeit des Schweizers „großartig für die Fifa“ wäre. Davon hatte Webb selbstverständlich zuvor auch seine Gefolgsleute im Concacaf überzeugt. Als Blatter vor einem Monat dem Kongress auf den Bahamas beiwohnte, stellte Osiris Guzman, Verbandspräsident der Dominikanischen Republik, den Fifa-Präsidenten sogar auf eine Stufe mit Moses, Jesus und Nelson Mandela.

Guzman selbst wiederum war einer von 31 Personen, die 2011 in den Karibik-Bestechungsskandal verwickelt waren. Damals soll Präsidentschaftskandidat und Blatter-Herausforderer Mohammed bin Hammam versucht haben, sich für die Wahl Stimmen der Inselstaaten zu erkaufen und wurde dafür von der Fifa lebenslang gesperrt. Mittendrin war damals auch Jack Warner, dessen Name sich nun wenig überraschend ebenfalls auf der Liste findet. Der Geschäftsmann aus Trinidad und Tobago ist so etwas wie die Konstante in fast jedem größeren oder kleineren Fifa-Skandal. Das FBI ermittelt seit Jahren gegen den 72-Jährigen, es geht um Absprachen zu TV-Rechtevergaben, Ticketverkäufen auf dem Schwarzmarkt und nicht zuletzt soll er sich seine Stimme für Katar 1,5 Millionen Dollar kosten haben lassen.

Im Zuge des Karibik-Skandals musste Warner alle seine Fifa-Ämter zurücklegen, eine Abkehr vom System im Concacaf-Verband darf bezweifelt werden: Schließlich ist sein Nachfolger der nun ebenfalls beschuldigte Jeffrey Webb. Dieser befindet sich nun ebenso wie die anderen Festgenommenen in Auslieferungshaft, bis auf eine Person widersetzen sie sich jedoch der Überstellung in die USA. Dort drohen Haftstrafen von bis zu 20 Jahren.

„Es wird in Katar und Russland gespielt“

In Bezug auf das Strafverfahren zu den umstrittenen WM-Vergaben an Russland und Katar ließ de Gregorio auf der Fifa-Pressekonferenz keinen Zweifel aufkommen: „Die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 finden in Russland und Katar statt. Ich fange nicht an zu spekulieren.“ Speziell die Austragung der Endrunde im Wüstenstaat entwickelte sich für die Fifa bald nach der Vergabe 2010 zum dauerhaften Problemfall: Vorwürfe und Spekulationen um Bestechung rankten sich von Beginn an um die Abstimmung. Der Streit um die unumgängliche Terminverlegung angesichts der sommerlichen Hitze in Katar beschäftigt längst nicht mehr nur den Weltverband und die europäischen Ligen, sondern auch IOC und FIS, die um die Aufmerksamkeit für Olympischen Winterspiele und Wintersportarten fürchten. Nicht zuletzt muss sich die Fifa ständig gegenüber neuen Berichten rechtfertigen, die die schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter auf Katars WM-Baustellen anprangern.

2011 versprach Blatter Aufklärung und ordnete eine interne Untersuchung der WM-Vergaben unter der Leitung des ehemaligen US-Staatsanwalts Michael Garcia an. Auf 430 Seiten trug der Vorsitzende der neu strukturierten Ethikkommission bis vergangenen November seine Ermittlungen zusammen, der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert wurde in der Folge mit der Durchsicht beauftragt und stellte „keine gravierenden Verstöße“ fest. Garcia kritisierte die verkürzte Darstellung als „unvollständig und fehlerhaft“ und forderte eine Veröffentlichung seines Berichts, sein Einspruch wurde jedoch abgewiesen. Der Amerikaner erklärte daraufhin seinen Rücktritt, für die Fifa war der Fall damit erledigt. Bis zum Mittwoch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.5.2015, APA/dpa)

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