Wenn der Erfolg zu teuer wird

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Fußballklubs wie Borussia Dortmund sichern sich gegen sportliche Risken ab, auch im Erfolgsfall. Das Versicherungsgeschäft gilt allerdings als reichlich intransparent.

Selten gab es in der deutschen Bundesliga so viele Überraschungsteams wie in der vergangenen Saison. Der FC Augsburg stürmte sensationell in die Europa League, Borussia Mönchengladbach erreichte die direkte Champions-League-Qualifikation. Doch so schön der Erfolg für die Vereine ist, so sehr kann er eine finanzielle Belastung darstellen: Die Spieler kassieren Prämien, ihre Bezüge erhöhen sich, die Ablösesummen für Spieler werden teurer. Sportlicher Erfolg kostet Geld.

2010 landete der FC Portsmouth in der Erfolgsfalle: Der Klub hatte zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren das FA-Cup-Finale erreicht, konnte sich aber die Erfolgsprämien seiner Spieler nicht leisten. Stürmerstar Kanu und John Utaka sowie die Mittelfeldspieler Richard Hughes und Papa Bouba Diop hatten eine Klausel in ihrem Vertrag, die ihnen im Fall eines Pokalsiegs Prämien zwischen 100.000 und 500.000 Pfund beschert hätten. Das hätte sich der hoch verschuldete FC Portsmouth nicht leisten können. Der Klub stand vor einem Dilemma: Entweder hätte er auf seine Stammspieler verzichtet und damit seine Erfolgschancen minimiert. Oder er hätte die Stars aufs Feld geschickt mit dem Risiko, sich im Erfolgsfall finanziell zu ruinieren. Die Boni wurden daraufhin mit den Beratern neu verhandelt. Doch es half nichts. Das Finale ging knapp mit 0:1 gegen Chelsea verloren, Portsmouth stellte einen Insolvenzantrag und stieg in die zweite Liga ab.

Vereine können sich gegen derlei Risken absichern. Der englische Fußballverband (FA) führte 2012 die sogenannte Bonus Insurance Scheme Policy ein, die es Vereinen erlaubt, sich gegen etwaige Sonderzahlungen im Erfolgsfall zu versichern. Immer mehr Versicherer bieten solche Polizzen an. „Klubs und Sponsoren im Allgemeinen hedgen ihre vertragliche Bonuszahlungen im Erfolgsfall, etwa dem Ligagewinn, Aufstieg oder Erreichen des Pokalfinales“, sagt David Lyons vom irischen Buchmacher Paddy. „Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Klub X schickt sich an, seinen Spielern einen Bonus von einer Million Euro im Fall einer Champions-League-Qualifikation zu zahlen. Wir kalkulieren, dass es eine zehnprozentige Chance für dieses Ereignis gibt. Der Klub würde uns 100.000 Euro, zehn Prozent des Bonus, zahlen, um die Summe von einer Million Euro abzudecken. Wenn sich der Verein für die Champions League qualifiziert, zahlen wir ihm die eine Million Euro. Wenn nicht, behalten wir die Prämie. So einfach ist das.“ Konkrete Namen der Kunden will er nicht nennen.


Kalkulierbares Risiko. Fußballvereine sichern sich nicht nur gegen Bonuszahlungen ab, sondern auch gegen Misserfolg: Abstieg oder das Nichterreichen der Champions League. Letzteres kann für einen Verein ein erhebliches finanzielles Risiko darstellen. Wie der Nachrichtendienst Bloomberg meldete, hat sich Borussia Dortmund mit einer ungewöhnlichen Versicherungspolizze gegen Einnahmenverluste abgesichert. Der Versicherungsvertrag, den der einzige börsenotierte deutsche Fußballverein mit einem Konsortium aus zwölf Mitgliedern abgeschlossen hat, fängt die Einnahmenausfälle (mindestens 20 Millionen Euro) aus einer verpassten Champions-League-Teilnahme auf. „Die Einnahmen der Klubs sind eng an die Leistung auf hohem Niveau geknüpft und ein Abstieg oder eine Nichtqualifikation für die europäischen Wettbewerbe können dramatische Konsequenzen haben, etwa einen Rückgang der Dauerkarten, reduziertes Sponsoring und geringere TV-Einnahmen“, konstatiert Lyons. Im Millionengeschäft Fußball wollen sich Topvereine gegen jedwede Risken absichern – so wie sich Unternehmen gegen die Volatilität des Ölpreises versichern. Sportlicher Misserfolg als kalkulierbares Risiko, das versicherbar ist. „Indem Borussia Dortmund das Risiko für eine Nichtteilnahme an der Champions League gehedgt hat, haben sie ihr finanzielles Risiko gesenkt, was ihnen Budgetsicherheit für die nächste Saison gewährt“, analysiert Lyons.

Gleichwohl sind solche Versicherungen umstritten. Je nachdem, wie hoch die Prämie ist, könnte für die Klubs ein Anreiz bestehen, schlecht zu spielen, um sich durch Niederlagen finanziell besserzustellen. Moral Hazard nennen Ökonomen dieses Phänomen. In England ist das Hedging gegen negative Outcomes deshalb verboten. „Die Höhe der Versicherungsprämie basiert auf statistischen Wahrscheinlichkeiten“, sagt ein Insider, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Ein Klub wie Real Madrid, der seit 1997 ununterbrochen in der Champions League spielt, würde eine Prämie von 500.000 Euro beziehungsweise fünf Prozent bezahlen, um eine Versicherungssumme von zehn Millionen Euro zu kassieren. Bei Dortmund lag die Prämie bei 30 Prozent des versicherten Verlustes. Das Tax Justice Network rechnet vor, dass der BVB bei einer Vertragslaufzeit von drei Jahren und zwei Champions-League-Teilnahmen in der dritten Saison bei einer Nichtqualifikation Gewinn gemacht hätte. Hätte sich Dortmund dagegen für die Champions League qualifiziert, hätte der Klub leichte Verluste verbucht. Ein grotesker Umstand. Die Sorge besteht, dass man durch solche Versicherungen gegen sportlichen Erfolg wetten kann – zumal die Polizzen von Buchmachern offeriert werden.


Schattenseiten des Geschäfts. Trotz moralischer Bedenken scheint die Nachfrage nach solchen Versicherungen zu wachsen. „Das Hedging gegen negative Outcomes wird in unserem Markt verbreiteter“, sagt Versicherungsmakler Lyons. Dieter Prestin, Chef der Sportversicherungsmakler GmbH, bestätigt auf Anfrage: „Ja, es gibt weitere solcher Polizzen. Wir hatten einige Anfragen aus der Bundesliga.“ Anders als in England gibt es in der Bundesliga keine Beschränkungen für Ausfallversicherungen. Die meisten Klubs dementieren allerdings solche Kontrakte. „Es gibt bei uns keine Risiko- oder Ausfallversicherungen“, sagt Christian Heidel, der Manager des FSV Mainz 05. Stephan Werthmüller, Verwaltungsrat für Finanzen beim FC Basel, teilt auf Nachfrage mit: „Der FC Basel 1893 hat weder Versicherungen für den Misserfolgsfall (zum Beispiel nicht eintreffende Champions-League-Prämien) noch für den Erfolgsfall (zum Beispiel zu bezahlende Spielerprämien für Meistertitel) abgeschlossen. Dies entspricht einem vom Verwaltungsrat unseres Unternehmens gefällten Grundsatzentscheid.“

Doch je mehr Geld im Spiel ist, desto größer werden auch die potenziellen Ausfallrisken – und damit der Bedarf für Versicherungen. Die Frage ist, wer dieses Versicherungsgeschäft reguliert und welchen Transparenzvorschriften die Polizzen genügen müssen. Müssen auch nichtbörsenotierte Vereine solche Versicherungen offenlegen? Hier scheint es noch Klärungsbedarf zu geben. Sonst droht der sportliche (Miss-)Erfolg einen üblen Beigeschmack zu bekommen.

2012 führte der englische Fußballverband die sogenannte „Bonus Insurance Scheme Policy“ ein. Sie erlaubt es Vereinen, sich im Erfolgsfall gegen etwaige Sonderzahlungen zu versichern.

5 Prozent der Versicherungssumme, also zum Beispiel 500.000 Euro, zahlt Real Madrid, um eine Versicherungssumme von zehn Millionen Euro zu kassieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2015)

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