Fußballer als Vermögensanlage

BRITAIN SOCCER ENGLISH PREMIER LEAGUE
BRITAIN SOCCER ENGLISH PREMIER LEAGUE(c) APA/EPA/PETER POWELL (PETER POWELL)
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Das Portal kickrs.net bietet Privatpersonen die Möglichkeit, in Fußballer zu investieren. In einem Crowdfunding-Pilotprojekt läuft eine Kooperation mit Belgiens Erstligisten St. Truiden.

62,5 Millionen Euro für Raheem Sterling (vom FC Liverpool zu Manchester City). 46,5 Millionen Euro für Christian Benteke (von Aston Villa zum FC Liverpool). 41 Millionen Euro für Roberto Firmino (von der TSG Hoffenheim zum FC Liverpool) – bei den Summen, die von Premier-League-Klubs für Fußballer aufgerufen werden, kann einem schon mal schwindlig werden. Dank eines milliardenschweren TV-Vertrags, der einem Aufsteiger mehr Fernsehgelder als dem deutschen Branchenprimus Bayern München einbringt, können die englischen Vereine munter auf Einkaufstour gehen. Spielerberater wie Jorge Mendes und Mino Raiola kassieren stattliche Provisionen. Doch dieses Geschäft könnte sich bald ändern.

Mit einem neuen Investment-Modell will das Schweizer Start-up Next Sports Rights den Transfermarkt aufmischen. Auf der Crowdfunding-Plattform kickrs.net können nun Fans in Fußballspieler investieren. Mit ein paar Mausklicks wird man zum Anleger.

Das Portal funktioniert so: Man registriert sich, kreiert einen Account und investiert in eine Kampagne. Derzeit läuft die Kampagne des griechischen U19-Nationalspielers Panagiotis Kynigopoulos, der in der Sommerpause vom Zweitligisten AP Aiginiakos zum belgischen Erstliga-Klub VVSt.Truiden gewechselt ist. Kynigopoulos spielte unter anderem auch bei der U19-EM mit, beim 0:0 gegen Österreich blieb er aber unauffällig und wurde vorzeitig ausgetauscht.

Sein klammer Klub jedenfalls suchte nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten und wurde bei der Crowdfunding-Plattform fündig. Privatpersonen können hier bis zu 10.000 Euro als Darlehen investieren und so Beteiligungsrechte erwerben.

Bislang haben 273 Investoren 89.374 Euro beigesteuert, das Ziel sind 300.000 Euro – rund das Doppelte des aktuellen Marktwerts, denn die für gewöhnlich gut informierte Plattform transfermarkt.de taxiert den Griechen lediglich auf 150.000 Euro. Bis Ende September können Investoren in dieses „Top-Talent“ investieren. Damit werden die Kosten für die Verpflichtung des Spielers sowie die Vertragskosten (Gehalt, Prämien etc.) übernommen. Im Gegenzug beteiligt der Klub den Investor an der Marktwert-Entwicklung des Spielers. Der realisierte Marktwert wird nach einem sogenannten Cash Event bestimmt – zum Beispiel, wenn St. Truiden den Spieler weiterverkauft.


Geschäft oder Flop? Angenommen, die Kampagne ist zu 100 Prozent finanziert und der Verein schließt mit Kynigopoulos einen Dreijahresvertrag ab. Der Spieler entwickelt sich gut und sein Marktwert steigt. Nach zwei Jahren kommt es zu einem Cash-Event, der Marktwert beträgt 500.000 Euro. In diesem Szenario erzielt ein Investor, der einen Darlehensbetrag von 100 Euro investiert hat, eine Rendite von 44 Prozent (ausgehend von 300.000 Euro). Es ist eine klassische Win-win-Situation: Der Klub kann einen Transfer (teil-)finanzieren, und die Investoren profitieren vom Weiterverkauf.

Was aber geschieht, wenn der Grieche ein Flop bleibt, was, wenn er sich verletzt und seine Karriere beendet ist? Wer hat dann verloren? „Auf diesem Weg können Fans zu Spielermaklern werden“, hält hingegen St. Truidens Generaldirektor Philippe Bormans in einer Pressemitteilung fest. „Ein Fan kann bewerten, ob ein Spieler es wert ist, zu investieren. Ich beschreibe es als einen Mix von Aktienmarkt, Wetten und Unterstützung.“ Die Kampagnen-Investoren unterstützen den Spieler über ein zweckgebundenes, nachrangiges Darlehen. Das ist wohl der Haken, sie erhalten keine Rechte an dem Spieler, diese verbleiben weiterhin einzig und allein beim jeweiligen Verein, der diese Optionen anbietet. Die finanziellen Mittel, die kickrs.net durch die Kampagne nun akquiriert, werden den Vereinen zur Förderung junger Talente bereitgestellt.


Gegenstück zu Third-Party-Ownership. Das genossenschaftlich orientierte Modell ist der Gegenentwurf zur Praxis in Portugal und Brasilien, wo Drittparteien (meist Banken) Rechte an Spielern erwerben und im Falle eines Transfers beteiligt werden. So verdienten beim Wechsel des argentinischen Spielers Carlos Tévez in die Premier League obskure Offshore-Firmen und dubiose Geschäftsmänner. Das Third-Party-Ownership wurde im Mai vom Weltfußballverband Fifa verboten.

Die Initiatoren von kickrs.net preisen ihr Projekt als „Demokratisierung des Transfermarkts“. „Unser Anliegen ist es, den Fans etwas zurückzugeben, sie näher an den Fußball heranzurücken und hinter den Vorhang blicken zu lassen“, sagt Mitbegründer Daniel Hildebrand. „Wir sehen uns als transparentes Gegenmodell zu Oligarchen oder Hedgefonds.“ Die kleinen Klubs nutzen die Plattform vor allem als Finanzierungstool, die großen Vereine als Mittel zur Aktivierung ihrer Fans – zuvorderst im Ausland. Derzeit steht das Schweizer Start-up in Gesprächen mit einem spanischen Großklub, der so seine Jugendakademie in Asien teilfinanzieren will. Das Ziel sei es, sich als „Standard-Finanzierungstool“ im europäischen Fußball zu etablieren, erklärt Mitbegründer Hildebrand.

Gewiss, die großen Summen werden auf dem Portal wohl nicht zusammenkommen. Doch die Crowdfunding-Plattform ermöglicht es Kleinanlegern, in talentierte Jungprofis zu investieren – und ein wenig am großen Fußballgeschäft zu partizipieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2015)

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