Joseph Blatter will trotz Strafverfahren seine Präsidentschaft fortzusetzen, das Ethikkomitee schweigt. Uefa-Präsident Michel Platini droht Ungemach.
Zürich. Seit Einleitung des Strafverfahrens gegen Präsident Joseph Blatter wird mit Spannung auf eine Reaktion seitens des Fußballweltverbandes gewartet. Am Dienstag gab es dann endlich ein offizielles Kommuniqué, doch die Personalie größter Relevanz fand darin keine Berücksichtigung. Statt über das Vorgehen mit dem unter Verdacht geratenen Präsidenten informierte die Ethikkommission über die lebenslange Sperre für Jack Warner, der in Trinidad und Tobago auf die Auslieferung in die USA wartet.
Während andere Verdächtige längst von ihren Fifa-Ämtern suspendiert worden sind, zuletzt Generalsekretär Jérôme Valcke, darf Blatter trotz des offiziell erhobenen Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung und Veruntreuung weiter den Standhaften mimen. Es überrascht nur noch bedingt, dass der 79-Jährige bereits angekündigt hat, seine Präsidentschaft wie geplant bis zur Neuwahl am 26. Februar fortsetzen zu wollen. Er kooperiere mit den Behörden und habe „nichts Illegales oder Unzulässiges“ gemacht, ließ Blatter über seinen Anwalt mitteilen.
Blatter-Kritiker schießen scharf gegen die Untätigkeit der Fifa-Ethikkommission. „Sie kann sich nicht ihrer Verantwortung entziehen“, wetterte der Brasilianer Zico, einer der potenziellen Wahlkandidaten, und forderte eine „sofortige Klarstellung“. Außerdem ermahnte der 62-Jährige das Gremium, mit „großer Transparenz zu handeln und alle ihre Verfahren öffentlich zu machen, damit die Reformen und Wahlen der Fifa nicht durch Korruptionsverdacht beschmutzt werden“. Noch drastischer formulierte es mit Chung Moon-joon ein offizieller Präsidentschaftskandidat. Der Fußballweltverband stehe vor dem Kollaps, sagte der frühere Vizepräsident aus Südkorea und forderte die Konföderationen auf, die Fifa zur Einrichtung einer Notfall-Taskforce zu bewegen.
Schließlich steht nach Bekanntwerden einer Zahlung auch Michel Platini im Zwielicht. Im Fall Blatter noch als Auskunftsperson befragt, könnte dem Franzosen bald selbst juristischer Ärger blühen. Wie die deutsche „Welt“ berichtet, soll die Schweizer Bundesanwaltschaft demnächst auch gegen den Uefa-Präsident ein Strafverfahren einleiten, denn dieser soll deutlich mehr Geld als bisher bekannt erhalten haben. Demnach sei der 60-Jährige für seine Fifa-Tätigkeit zwischen 1999 und 2001 nach regulärem Arbeitsvertrag mit bis zu 500.000 Franken jährlich entlohnt worden, die Zahlung von zwei Millionen Franken hätte hingegen weder er noch Blatter bislang stichhaltig erklären können.
„Ich bin mir bewusst, dass diese Ereignisse mein Bild in der Öffentlichkeit und meinen Ruf beeinträchtigen können, und damit auch das Bild der Uefa“, erklärte Platini, der freiwillig bei der Fifa-Ethikkommission vorsprechen will. Zugleich aber wollte der europäische Verband weder eine genaue Auflistung der gezahlten Fifa-Beträge an seinen Präsidenten noch Details über die geleisteten Tätigkeiten preisgeben – bedingungslose Aufklärung sieht anders aus. (swi)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2015)