Franz Beckenbauer, 70, ist im Skandal um mögliche Bestechung vor der Vergabe der Weltmeisterschaft endgültig in den Fokus gerückt - eine Unterschrift bringt ihn arg in Bedrängnis.
Frankfurt/Wien. Kein Tag ohne neue Vorwürfe, Rücktritte oder Enthüllungen in Fußball-Deutschland. Am Dienstag geriet Franz Beckenbauer in das Visier der Ermittler. Ein nun enthüllter, brisanter Vertragsentwurf trägt die Unterschrift des damaligen Bewerbungskomitee-Präsidenten. In diesem Dokument seien der Konföderation des stimmberechtigten Exekutivmitglieds Jack Warner diverse Leistungen von deutscher Seite zugesagt worden, erklärte Rainer Koch, Interimspräsident des DFB.
Es soll sich dabei nicht um „direkte Geldleistungen“ gehandelt haben, sondern unter anderem um Vereinbarungen über Spiele, Unterstützung von Trainern beim Kontinentalverband Concacaf oder Ticketzusagen für WM-Spiele an Warner selbst, erklärte Koch. Ob dieser Vertrag tatsächlich in Kraft getreten sei, ist derzeit noch unklar. Beckenbauer sei damals jedenfalls nicht allein vertretungsberechtigt für den DFB gewesen, daher seien alle festgehaltenen Absprachen abhängig von einer Zustimmung des DFB-Präsidiums gewesen. Das Schreiben sei am 2. Juli 2000 unterzeichnet worden, vier Tage später wurde die Weltmeisterschaft an Deutschland vergeben. Der Beckenbauer-Vertraute Fedor Radmann, später auch Mitglied des Organisationskomitees, soll den Entwurf paraphiert haben. Der DFB geht angesichts der Unterschrift von Beckenbauer von einem möglichen Bestechungsversuch aus
Warners dunkle Seite
Vier Jahre nach seinem Rücktritt von allen Ämtern war Warner Ende September dieses Jahres lebenslang von der Fifa-Ethikkommission gesperrt worden. Der Funktionär aus Trinidad und Tobago galt als eine der korruptesten Figuren im Weltfußball und wurde von der Kammer als „Drahtzieher von Systemen, die die Gewährung, Annahme und den Empfang verdeckter und illegaler Zahlungen beinhalteten“ bezeichnet. Warner war bei der Wahl vor 15 Jahren eines von 24 stimmberechtigten Mitgliedern der Fifa-Exekutive.
Die Verbindung zu Warner bringt Beckenbauer in große Erklärungsnot. Bisher hatte der OK-Präsident zwar den „Fehler“ eingeräumt, auf einen Vorschlag der Fifa-Finanzkommission eingegangen zu sein, einen Stimmenkauf aber vehement abgestritten. „Wir haben die Bitte, dass er sich intensiver einbringt in die Aufklärung der Vorgänge“, sagte Interimspräsident Rainer Koch, der gemeinsam mit Ligapräsident Reinhard Rauball vorläufig die DFB-Geschäfte führen wird. Der 70-jährige Beckenbauer hatte bereits vor zwei Wochen vor den externen DFB-Ermittlern ausgesagt – offenbar sind Fragen unbeantwortet geblieben.
Auch die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag forderte Aufklärung. „Es ist ganz wichtig, deutlich zu machen, dass Wolfgang Niersbach nur eine der handelnden Personen war“, sagte die SPD-Politikerin dem Südwestrundfunk. „Am Montag hat es erste Forderungen aus dem DFB von Interimspräsident Rainer Koch gegeben, dass zum Beispiel Franz Beckenbauer seine sehr deutliche Zurückhaltung aufgeben und Antworten liefern muss. Es geht auch nicht anders. Es gibt andere, die viel mehr wissen als Wolfgang Niersbach.“
Der DFB strebt nun bis spätestens zur EM 2016 die Wahl eines Nachfolgers für Niersbach an. „Gehen Sie davon aus, wir werden bei der EM ganz sicher vollständig geordnet aufgestellt sein“, sagte Koch am Dienstag am Rande eines Diskussionsforums des Bayerischen Rundfunks. (red/ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2015)