Fußball: China im Kaufrausch

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Der Transfermarkt im Reich der Mitte boomt, Fußballklubs geben neuerdings Rekordsummen für Spieler aus. Schon ist von einem Trend die Rede, der zum Problem werden könnte.

Peking. Noch vor wenigen Jahren hätten chinesische Fußballklubs in Europa oder Lateinamerika nicht einmal in Regionalligen mithalten können. Ihnen fehlte es an Nachwuchs, einige Vereine waren regelmäßig in Korruptionsskandale verwickelt, Spieler aus dem Ausland zeigten kein Interesse am Reich der Mitte. In der Gegenwart sieht alles aber ganz anders aus. In China boomt der Transfermarkt – er ist sogar der finanzstärkste der Welt.

Für 42 Millionen Euro nahm Guangzhou Evergrande den bisherigen Atlético-Stürmer Jackson Martinez (Bild) unter Vertrag. Das ist Transferrekord im asiatischen Fußball und in keiner Nationalliga wurde in der Wintertransferzeit so viel Geld für neue Spieler hingeblättert wie in China. Mit 154 Millionen Euro haben Chinas Klubs sogar mehr Geld für Spieler ausgegeben als die Vereine der englischen Premier League. Auch in Chinas zweiter Liga sitzt das Geld locker. Deren Vereine haben mit rund zehn Millionen Euro mehr investiert als die deutschen Erstligavereine im gleichen Zeitraum.

Vor allem Brasilianer sind in China gefragt. Renato Augusto (um acht Mio. Euro zu Peking Guoan) oder Carlos Silva (zehn Mio. Euro, Shandong Luneng) werden als Stars vermarktet, jetzt kommen Martinez und Ramires (28 Mio., von Chelsea zum außerhalb Chinas kaum bekannten Verein JS Suning) hinzu. Ebenfalls als Neuzugänge wurden Fredi Guarin von Inter Mailand und der ivorische Stürmer Gervinho, ehemals AS Rom, präsentiert. Und vielleicht kommen bald weitere, namhafte Kicker hinzu. John Terry überlegt ein Engagement, Lukas Podolski soll abgesagt haben – trotz Traumgage von neun Millionen Euro netto pro Jahr.

Wenn ein Zweitligist 40 Millionen Euro für Spieler ausgibt, hat er Großes vor. Nur, woher kommt all das Geld? „Chinas Vereine haben sich spielerisch nicht behauptet“, kritisiert der Fußballexperte Lu Zhiyuan. Trotzdem würden Rekordsummen gezahlt. „Es sieht verdächtig nach einer Blase aus.“

Dass im chinesischen Fußball derzeit so viel Geld fließt, ist auf Staatspräsident Xi Jinping zurückzuführen. Der Fußballfan hat vor zwei Jahren den Aufbau einer Profiliga zur „nationalen Prestigefrage“ erklärt. „Ein Aufleben des Fußballs ist entscheidend für Chinas Weg zu einer Sportnation“, waren seine Worte. Die Nationalmannschaft belegte im Fifa-Ranking damals Platz 78. Inzwischen ist China nur noch 84., trotzdem wird in der Liga kräftig geklotzt.

Spielzeug für Milliardäre

Nicht nur hat die Regierung landesweit Hunderte von Fußballschulen errichten lassen, um junge Spieler zu trainieren. Auch reiche Unternehmer folgten dem Aufruf ihres Staatschefs. 2015 kaufte der Internetkonzern Alibaba für 140 Millionen Euro Chinas Guangzhou Evergrande – eine für chinesische Verhältnisse ungewöhnlich hohe Summe. Auf einen Schlag rangierte das Team aus dem ehemaligen Kanton weltweit auf Platz 16 der wertvollsten Klubs und war damit höher bewertet als Atlético Madrid.

Zuvor hatte bereits Immobilienhai Wang Jianlin, der es mit seinem Unterhaltungskonzern Wanda zum derzeit reichsten Chinesen (kolportierte 30 Milliarden Euro) geschafft hat, den Fußballklub seiner Heimatstadt Dalian für rund 60 Millionen Euro gekauft. Auch andere Milliardäre investieren seitdem kräftig in chinesische Fußballklubs, die wiederum Rekordsummen für neue Spieler ausgeben.

Kritiker befürchten, dass dieser massive Legionärszukauf dem Ziel der Zentralregierung womöglich sogar entgegenstehen könnte. Schließlich nehmen sie Chinesen Möglichkeiten und Spielzeit. Für Einsätze im Nationalteam seien sie folglich unzureichend vorbereitet.

Fußballexperte Liu befürchtet sogar noch weitaus verheerendere Folgen. Trotz der hohen Transfersummen bleibe das Niveau der Vereine schlecht, internationale Erfolge blieben aus. Das Gros der Legionäre würde China von sich aus schnell wieder verlassen, prophezeit Liu. Wie in vielen anderen Ländern auch. Spätestens dann platze Chinas Fußballblase.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2016)

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