Stöger: "Der FC-Trainer ist Kulturgut"

1. FC Koeln - Borussia Dortmund
1. FC Koeln - Borussia DortmundAPA/dpa/Jonas Güttler
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Köln ist völlig anders als Wien, meint Peter Stöger, der dem 1. FC Köln zum Höhenflug verhalf. Er schildert das Besondere des Klubs, der Fans – und das extreme Interesse der Medien.

Ein Wiener ist auf dem besten Weg, der längstdienende Trainer des 1. FC Köln zu werden. Ist Ihnen dieser Aspekt wichtig?

Peter Stöger: Ich weiß die Vertragsverlängerung bis 2020 einzuordnen als Zeichen der Bestätigung für die Arbeit, die wir gemacht haben. Wir alle haben das Gefühl, dass wir noch nicht am Zenit angekommen sind.

Wie kommt man als Österreicher mit dem doch sehr eigenen Karneval in Köln zurecht?

Wenn man das von außen sieht, denkt man vielleicht, ganz normal ist das nicht. Das verstehe ich, es ist auch eigen. Wenn man aber mittendrin ist, hat das schon etwas. Da freuen sich die Leute, wenn der FC am Rosenmontagszug teilnimmt, was wir jetzt zur Institution gemacht haben. Die Menschen beim Zug sind oft dieselben wie die, die zum FC stehen. Beides spiegelt das Lebensgefühl der Kölner wider.

Und wie kompatibel sind Wiener mit Köln?

Das passt gut, ich habe mich schnell eingewöhnt und komme inzwischen auch gut damit klar, dass die Ansprache des Personals in Brauhäusern nicht wirklich gastfreundlich ist. In Österreich ist man gefühlt extrem freundlich – mit dem Wissen, dass es auch nicht unbedingt vom Herzen kommt. Da habe ich am Anfang schon meine Probleme gehabt, aber mittlerweile habe ich festgestellt, dass das dazugehört. Ich weiß, dass ich nicht der Einzige bin, den man so behandelt hat.

Stichwort Behandlung: Sie haben beim Verein offensichtlich viel Ruhe hineingebracht.

Das ist nicht mein Verdienst. Schon als ich hergekommen bin, habe ich den Verein nicht so aufgeregt vorgefunden. Die Ruhe geht nicht nur von der Mannschaft aus, sondern auch von den Leuten rundherum, insbesondere von Vorstand und Geschäftsführung. Wir haben intern unsere Diskussionen, aber die tragen wir nicht nach außen.

Und durch die sportlichen Erfolge hat sich das bestätigt – das macht es auch leichter.

Ich bin froh, dass wir für den Verein einen guten Job gemacht haben und die Vereinsführung niemandem erklären muss, wie sie nur auf die Idee kommen konnte, einen österreichischen Trainer aus dem Vertrag zu kaufen, den man in Deutschland kaum kennt.


Was ist denn das Besondere am 1. FC Köln?

Vieles kann man nicht beschreiben, man muss es erlebt haben. Besonders ist etwa, dass der FC in der Stadt omnipräsent ist. Da kann kein anderer Verein, keine andere Sportart mithalten.

Nicht so wie in Wien?

Das ist ein Riesenunterschied. In Wien ist die eine Hälfte Austria, die andere Rapid. Das gibt es hier nicht. In Köln ist eine ganz andere Stimmung als in allen anderen Stadien. Ich freue auf jedes Heimspiel und habe das Gefühl, die Leute kommen gern her. Diese Begeisterung gab es sogar in der zweiten Liga, auch da waren wir permanent ausverkauft. Das gibt es sonst nirgends.

Köln steht aktuell im Mittelfeld der Tabelle. Was ist noch drin, wo ist die Decke?

Wir sehen, dass wir noch Potenzial haben. Bei der Wirtschaftlichkeit sind wir gut unterwegs. Wenn man ein außergewöhnliches Jahr hat, kann man auch sportlich schaffen, was normalerweise nicht realistisch ist.

Zum Beispiel?

Augsburg oder Mainz haben jahrelang in der Bundesliga gespielt – und irgendwann haben sie es in den Europacup geschafft. Wir sind das zweite Jahr da, vielleicht gelingt uns das auch irgendwann. Realistisch gesehen muss man aber sagen, dass Europacup für Köln eigentlich nicht möglich ist. Weil viele andere Vereine Möglichkeiten haben, die weit über unseren liegen. Wir müssen uns Schritt für Schritt annähern.

Also eine Jahreszahl zu nennen, bis der Klub im Europacup spielt, wäre sinnlos?

Richtig. Wenn wir uns so wie erhofft weiterentwickeln und die anderen sieben, acht Teams, die ganz andere Voraussetzungen haben, das auch tun, wird es sich trotzdem nicht ausgehen. Wir müssen eine außergewöhnliche Saison spielen und hoffen, dass jemand oben auslässt. Das gilt aber auch für uns und in die andere Richtung – und dann stünden wir mitten im Abstiegskampf.

Fußball ist in Deutschland ein ganz anderes Pflaster, die Aufmerksamkeit der Medien ist enorm. Wie nehmen Sie das wahr?

Extrem. Wir haben nach jedem Training so etwas wie eine Pressekonferenz. Es sind jeden Tag Fotografen und Journalisten da – vier Kölner Tageszeitungen, Fachblätter, privates und öffentlich-rechtliches Radio und Fernsehen, die berichten permanent vor Ort.

Man hat also weniger Ruhe?

Wenn wir nicht bewusst unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainieren, sind wir mehr oder weniger gläsern. Einen Wutausbruch beim öffentlichen Training, zu dem ja auch viele Fans kommen, kriegt jeder mit.

Wie funktioniert der Kontakt mit den Fans?

Als FC-Trainer ist man, wie kann man das sagen, Kulturgut. Ich weiß, dass sich die Leute freuen, wenn sie mit mir ein Selfie machen können. Und sie nehmen das nicht als selbstverständlich. Sie fragen vorher, sie bedanken sich. Ich bin bekennender Wiener, aber der Respekt im Umgang ist hier ein anderer als in Österreich.

Aber Sie drücken trotzdem Österreich bei der Europameisterschaft die Daumen?

Ich habe viel Sympathie für den deutschen Sport, weil ich sehe, mit welcher Zielstrebigkeit Dinge angegangen werden. Aber ich werde immer den größten Spaß haben, wenn wir die Deutschen schlagen. Ich fühle mich mehr als wohl in Köln, es würde mir leidtun, nicht mehr hier sein zu können. Aber das ändert nichts daran, dass ich österreichisches Blut in meinen Adern habe. Und dann denke ich an die Jungs aus dem Klub: Es wäre schön, wenn wir es schaffen, dass Philipp Hosiner in die Nationalmannschaft kommt. Und wenn unser deutscher Nationalspieler Jonas Hector ebenso dabei ist wie ein Dusan Svento, Mergim Mavraj oder Pawel Olkowski mit ihren Teams.

Steckbrief

Peter Stöger
(*11. April 1966, Wien) betreut seit der Saison 2013/14 den 1. FC Köln.

Erfolge als Spieler
Er wurde dreimal mit Austria und einmal mit Rapid Meister, 65 Länderspiele (WM 98).

Erfolge als Trainer
Meister Regionalliga mit Vienna (2009),
Meister Bundesliga
mit Austria 2013,
Aufstieg mit Köln (2014) und Klassenerhalt (2015).

12 »Ösi-Trainer«
Max Merkel (1860, Nürnberg, Schalke, Karlsruhe),
Robert Körner (1. FC Nürnberg),
Ernst Ocwirk (Köln),
Franz Binder (1860),
Ernst Happel (HSV), Helmut Senekowitsch (Eintracht Frankfurt),
Felix Latzke (Waldhof Mannheim),
Josef Hickersberger (Fortuna Düsseldorf), Peter Pacult (1860),
Kurt Jara (HSV, 1. FC Kaiserslautern),
Peter Stöger (Köln),
Ralph Hasenhüttl (Ingolstadt). Imago

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2016)

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