Aleksandar Dragović: "Ruhm ist vergänglich"

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Teamverteidiger Aleksandar Dragović hält die eigene Ablösesumme für utopisch. Er schwört auf Kurzarmtrikots, die EM möchte er "schätzen und genießen".

Wieder einmal gab es während einer Transferperiode plakative Spekulationen um Ihre Person, doch Sie sind immer noch in Kiew. Warum kam es zu keiner Vollzugsmeldung?

Aleksandar Dragović: Diese Gerüchte kommen nicht von mir, die kommen von euch Journalisten. Langsam finde ich es auch langweilig, ich bin doch schon mit praktisch jedem Klub auf dieser Welt in Verbindung gebracht worden. Das stimmt doch alles gar nicht.

Dinamo-Präsident Igor Surkis soll angeblich 34 Millionen Euro Ablöse fordern. Sind Sie denn so viel Geld wert?

Nein, sicher nicht. 34 Millionen, das ist doch ein Wahnsinn. Bleiben wir realistisch, so gut ich manchmal auch spiele.

Sie werden in Kiew gewiss fürstlich entlohnt. Welchen Stellenwert, welche Bedeutung hat Geld für Sie?

Geld ist ein wichtiger Bestandteil, aber bestimmt nicht alles. Gesundheit kann man sich davon nicht kaufen, Liebe genauso wenig. Und Ruhm ist vergänglich, also Nebensache.

Was stellen Sie mit Geld an?

Ich versuche so viel wie möglich zu sparen und investiere in Immobilien, habe diesbezüglich einige Projekte. Irgendwann wird meine Karriere vorbei sein, dann ist es wichtig, dass man ausreichend Geld hat. Ich möchte meiner Familie, wenn ich dann eine eigene haben werde, alles bieten können.

Stichwort Familie: Ihre Großeltern nehmen einen besonderen Platz in Ihrem Leben ein.

Ich habe ihnen sehr viel zu verdanken, möchte ihnen etwas zurückgeben. Deshalb leben sie auch bei mir in Kiew, sind bei den Spielen im Stadion. Durch meinen Opa bin ich überhaupt erst zum Fußball gekommen, er ist mein größter Kritiker und Fan. Wenn ich schlecht spiele oder eine Rote Karte sehe, dann schimpft er.


Haben Sie als kleiner Junge von einer solchen Karriere geträumt?

Nein, ich wusste doch lang nicht einmal, ob ich es zum Profi schaffe. Als ich in die Pubertät kam, war mir klar, dass ich Fußballer werden will. Aber wer weiß schon, ob es letztlich auch klappt?

Die Liebe für die Position des Innenverteidigers haben Sie erst spät entdeckt.

Anfangs war ich Stürmer, dann offensiver Mittelfeldspieler. Erst Karl Daxbacher hat mich bei der Austria zu einem defensiven Mittelfeldspieler umgewandelt, später hat er mich in die Innenverteidigung beordert – zum Glück.

Torhüter kam nicht für Sie infrage?

Mir wäre es damals egal gewesen. Hätte mich Daxbacher ins Tor gestellt, hätte ich es genauso gemacht. Bloß wären wohl mehr Gegentore gefallen . . .

Als Sie im Juli 2013 Basel verließen und in Kiew anheuerten, gab es allgemeine Verwunderung. Ist die Unterzeichnung eines Fünfjahresvertrags nicht auch ein Risiko?

Sicherlich war es das, vor allem zu Beginn unter Trainer Oleg Blochin. Wenn du nicht spielst oder der Trainer mit dir herumschreit, dann machst du dir deine Gedanken. Das war sicher das härteste Jahr meiner Karriere. Aber ich habe diesen Schritt als Herausforderung gesehen, mir immer wieder gesagt, dass ich es schaffen werde. Ich wollte etwas Neues ausprobieren, ein Teil der großen Geschichte dieses Klubs werden und dabei helfen, dass Dinamo Kiew in der Fußballwelt wieder beachtet wird. Jetzt stehen wir erstmals seit elf Jahren wieder im Achtelfinale der Champions League. Das ist doch etwas, worauf man stolz sein kann.

Der Gegner heißt am 24. Februar Manchester City. Eine ausgezeichnete Gelegenheit, sich wie in der Gruppenphase gegen Chelsea auf der von ihnen geliebten Insel zu präsentieren.

Manchester City ist Favorit, wir haben nichts zu verlieren. Und das Spiel gegen Chelsea in London werde ich nie vergessen. Zuerst das Eigentor, da wäre ich am liebsten aus dem Stadion gelaufen. Und dann treffe ich zum zwischenzeitlichen Ausgleich. Das waren besondere Emotionen.

Es heißt, Sie haben sich vor dem Spiel die Haare blond gefärbt, um aufzufallen.

Nein, das hatte einen anderen Grund. Drei Tage davor war Halloween, ich wollte sie vor dem Spiel nochmals umfärben, aber die Friseurin war krank. Beim Spiel gegen Manchester City wird es keine andere Haarfarbe geben.

Sind Sie abergläubisch?

In gewisser Weise, ja. Ich glaube: Wenn man lange Ärmel trägt, dann spielt man schlechter und verliert. Es ist auch nicht erst einmal passiert, dass ich ein Spiel mit langen Ärmeln begonnen, mich in der Halbzeit umgezogen habe und wir das Spiel noch drehen konnten. Mittlerweile gibt es bei Spielen für mich nur noch kurze Ärmel. Egal, wie kalt es ist.

Sprechen wir über die Europameisterschaft: Was erwarten Sie sich von der Endrunde?

Dass wir sie schätzen und genießen. Europameisterschaften, Weltmeisterschaften, Champions League – das sind besondere Momente einer Karriere, die möchte jeder Fußballer erleben.

Und welche Rolle kann Österreich spielen?

Wir sollten im Vorfeld keine großen Töne spucken. Natürlich fahren wir nicht mit dem Gedanken nach Frankreich, dass wir ohnehin nicht Europameister werden können. Alles ist möglich, wir haben eine geile Truppe, sind Freunde, eine Einheit. Aber lassen wir die Kirche im Dorf und sind doch einmal froh darüber, dass wir uns qualifiziert haben. Und falls wir tatsächlich Europameister werden, dann steht nicht einmal mehr Wien (lacht).

Das Erreichen des Achtelfinales scheint ein realistisches Vorhaben.

Ungarn, Portugal, Island – alle unsere Gruppengegner verdienen sich aufgrund ihrer EM-Teilnahme Respekt. Island hat die Qualifikation souverän gemeistert, Portugal hat Ronaldo und Ungarn überraschte in der Barrage gegen Norwegen. Einfach ist diese Gruppe sicher nicht.

Sie sind seit 2009 Teil des Nationalteams. Hatten Sie niemals Zweifel am Erfolg?

Nein, nie. Das Potenzial war doch immer vorhanden, man muss bloß an den Erfolg glauben. Seit meinem Debüt haben sich alle Spieler weiterentwickelt, teils sogar unglaublich. Die Vielzahl an Legionären hilft uns. Sie haben Erfahrung, sind an das hohe internationale Tempo gewöhnt, kennen die Belastung. Aber egal, ob Legionär oder heimischer Bundesligaspieler: Wichtig ist, dass du dich nie ausruhst, immer an dir arbeitest. Der Weg nach oben ist steinig, aber um oben zu bleiben, musst du noch mehr investieren als zuvor.

Steckbrief

Aleksandar Dragović
wurde am 6. März 1991 in Wien geboren.

Nach Engagements bei Austria (2008 bis 2011) und Basel (2011 bis 2013) folgte im Juli 2013 der Wechsel zu Dinamo Kiew. Die Ablöse betrug neun Millionen Euro, Dragović ist damit bis dato der teuerste ÖFB-Fußballer.

In der Champions League erreichte Dragović mit Kiew das Achtelfinale, Gegner ist Manchester City (Hinspiel am 24. 2. in Kiew, Rückspiel am 15. 3. in Manchester).

Weitere Duelle
im Achtelfinale


16. 2.: Benfica – Zenit, PSG – Chelsea
17. 2.: Roma – Real, Gent – Wolfsburg
23. 2.: Arsenal – Barcelona, Juventus – Bayern
24. 2.: PSV – Atlético

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2016)

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