Champions League: Die Angst vor der eigenen Courage

Football Soccer - Real Madrid training
Football Soccer - Real Madrid training(c) REUTERS (SUSANA VERA)
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Wolfsburg hofft auf die Sensation und versucht, Real Madrid auszuschalten. Das 2:0 aus dem Viertelfinal-Heimspiel ist Dienstag im Estadio Bernabéu jedoch nur ein kleiner Polster.

Madrid/München. Nicht nur in der Champions League geht es um Geld, auch in den jeweiligen Ligen, in denen sich Klubs für die Königsklasse empfehlen respektive für Höheres qualifizieren müssen. Aus Deutschland sind im Viertelfinale noch zwei Klubs im Rennen, Bayern München und Wolfsburg, das Dienstag nach dem 2:0-Heimsieg in Madrid (20.45 Uhr, live in Sky) um eine Sensation spielt. Im Parallelspiel messen sich Manchester City und Paris, die Engländer genießen nach dem 2:2 aus dem Hinspiel vorerst den Vorteil der Auswärtstorregel.

Die Taktik für das große Rückspiel ist für Wolfsburg-Trainer Dieter Hecking relativ simpel. „Gar nicht drüber sprechen“, brummt der Coach; nur spielen. Die Euphorie nach dem nicht für möglich gehaltenen 2:0 im Hinspiel ist enorm, das Schlimmste, das Hecking nun passieren kann, ist die Angst vor der eigenen Courage. Vor allem aus Ehrfurcht vor dem berüchtigten Estadio Santiago Bernabéu, dessen Mythos und der hitzigen Atmosphäre, befeuert von 80.000 Zuschauern.

Polemik und Statistik

Aber auch Zinédine Zidane zittert, „Zizou“ steht unter Druck. Das Aus gegen die Wölfe wäre gleichbedeutend mit seinem Ende als Real-Trainer. „El Mundo“ stellte bereits die Gretchenfrage: „Bleibt Zidane, wenn Madrid gegen Wolfsburg ausscheidet?“ „Marca“ wollte davon nichts wissen: „Sí se puede!“, „Ja: Wir können!“

Im Bernabéu wurden Gegner vom Weißen Ballett zuletzt auch regelrecht überrollt: 5:0 gegen La Coruña, 5:1 gegen Gijón, 6:0 gegen Espanyol, 4:2 gegen Bilbao, 7:1 gegen Celta de Vigo, Sevilla (4:0) und Eibar (4:0) waren ebenso chancenlos. Gegen Wolfsburg muss die „Remontada“ (Aufholjagd) gelingen, und Spieler wie Dani Carvajal bemühten via Twitter dafür sogar plumpe Polemik. „Dienstag wird wie ein Krieg mit 80.000 Zuschauern. Wir werden versuchen, über Wolfsburg drüberzufahren.“ Auch Lucas Vázquez verwechselte Sport mit Krieg. „Wir werden bis zum Tod spielen!“

Auf Seiten der Wolfsburger war man tunlichst darum bemüht, all diesen Ansagen keinerlei Gehör zu schenken. Sportchef Klaus Allofs äußerte sich besonnen: „Wir sind keine blutigen Anfänger, dass wir da mit feuchten Händen hinfahren. Wir haben die Chance, Real aus dem Bewerb zu kicken. Dafür werden wir auch alles tun. Ich will unbedingt ins Halbfinale.“ Seine Vorgabe: ein Tor schießen. Nur, das gelang bislang noch keinem Klub in dieser Champions-League-Saison bei Real, das im Wettbewerb auch all seine Heimspiele gewann.

Den Wölfen reicht ein Remis, ein 0:1. „Das ist eine gute Ausgangsposition, aber wir sind nicht der Favorit“, sagt Allofs. „Doch bei uns sitzt keiner mit hochroten Wangen.“ Allofs spricht auch aus eigener Erfahrung, 1986 ging er mit dem 1. FC Köln in Madrid doch eher deutlich mit 1:5 unter.

Deutschen Vereinen sind in 28 Europacup-Partien im Bernabéu erst drei Siege gelungen, wobei alle drei Spiele in der Königsklasse stattfanden. Zweimal schlug Bayern zu, im Vorjahr gewann Schalke das Achtelfinal-Rückspiel mit 4:3.

Live-TV als Geldmaschine

Abseits des Rasens ist eine Überraschung bereits fixiert, deutsche Klubs erwartet ein Geldsegen. Der Milliarden-Poker um die TV-Rechte der deutschen Bundesliga wurde vom Kartellamt „angepfiffen“. Die Behörde gab der Deutschen Fußball Liga grünes Licht für ihr Vermarktungsmodell, damit wurde das Alleinerwerbsverbot gekippt. Folglich darf ein Sender allein nicht mehr alle Liga-Livespiele kaufen. Bislang wurden in Deutschland sämtliche Partien der Bundesliga und 2. Liga live vom Pay-TV-Sender Sky gezeigt. Der Dachverband erwartet mit Beginn der Saison 2017/2018 Einnahmen von einer Milliarde Euro jährlich. Das Wettbieten beginnt. (fin/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2016)

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