Auferstehung der Verbannten – mit Altlasten

Themenbild: Rangersfan vor dem Ibrox Stadion in Glasgow
Themenbild: Rangersfan vor dem Ibrox Stadion in GlasgowReuters
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Die Glasgow Rangers treffen am Sonntag im Cuphalbfinale auf Stadtrivalen Celtic. Es ist das erste Duell, seit der Wiederaufstieg feststeht. Der Ex-Schotte Thomas Flögel schrieb mit Heart Geschichte mit einem Sieg gegen die Rangers.

Glasgow/Wien. „Es war ein Tag, der in die Geschichte einging.“ Fünf Jahre lang war der Ex-Austrianer Thomas Flögel, nun Assistenztrainer beim Zweitligisten Floridsdorfer AC, ab 1997 Fußballlegionär in Schottland. Auch wenn es gut 15 Jahre her ist, die Erinnerung an den 15. Mai 1998 ist lebendig, als ob es gestern wäre. 2:1 hat Flögel mit seinem Klub Heart of Midlothian gewonnen. Der erste Cuptitel für den Verein nach 40 Jahren.

Nicht gegen einen schottischen Fußball-Nobody gelang der Erfolg, sondern gegen die Glasgow Rangers. Das ist der 1873 gegründete Traditionsklub, der 54-mal Landesmeister war und 2012 wegen hoher Schulden in die vierte schottische Liga verbannt wurde. Das sind jene Blau-Weißen, die Anfang April die Rückkehr in die erste Liga, die Premiership, vor fast 50.000 Zuschauern mit einem 1:0 gegen Dumbarton fixiert haben. Einen Vorgeschmack, was das für die nächste Saison bedeutet, bekommen die Fans schon morgen, Sonntag. Denn da steht im Cupsemifinale das 401. Derby gegen das 1888 gegründete Celtic Glasgow auf dem Spielplan.

Wie eine Religion

Old Firm nennen sie auf der Insel dieses international gesehen meistgespielte Stadtderby. Das bedeutet so viel wie das „alte Beständige“. Für Fußballinteressierte ist es beständig ein mit aller Leidenschaft ausgetragenes Duell. Für die Anhänger der beiden Glasgower Traditionsvereine ist es mehr. Eine missionarische Sache. Wie Fußball für viele Schotten überhaupt. Der nach Wien heimgekehrte Flögel formuliert es so: „In Schottland ist es wirklich wie eine Religion für die Menschen. Da hat Fußball einen ganz anderen Stellenwert.“ Da würden Menschen tatsächlich noch arbeiten, um sich am Wochenende eine Eintrittskarte zu einem Fußballmatch leisten zu können. Das heißt viel, wenn das ein ehemaliger Spieler von Austria sagt, der selbst Derbys gegen Rapid in Wien gespielt hat. Wo Violett gegen Grün-Weiß für manche Fans ebenfalls beinahe religiösen Charakter hat.

Weltrekord als Viertligist

Beim Derby Rangers gegen Celtic trifft das sicher zu. Der Rangers Football Club, kurz Gers, ist der Verein der Protestanten, Celtic jener der Katholiken und ähnlich Rapid der grün-weiße Arbeiterklub. Ganz ist die Zeit nicht stehen geblieben. Die größte Sünde, ein direkter Wechsel zum Stadtrivalen, ist inzwischen möglich. Ähnlich wie zwischen Austria und Rapid, auch wenn das eingefleischte Fans noch immer nicht gern sehen.

Der Fußball in Schottland lebt von dieser Rivalität, die weit über Glasgow hinaus die Menschen in ihren Bann zieht. Seit dem schuldenbedingten Zwangsabstieg ins vierte Fußballuntergeschoß lieferten die Rangers reihenweise internationale Rekorde. Wo sonst gibt es in der vierten Liga wie bei den Rangers 50.000 Zuschauer? Klar, dass die Heimstätte im Ibrox-Park ausverkauft war, als vier Runden vor Ende der heurigen Saison der letzte Schritt zurück in die Erstklassigkeit gesetzt wurde.

Es ist aber nur sportlich ein glänzendes Comeback. Die Rangers traten mit 167 Millionen Euro Schulden den Abstieg an. Noch immer drücken Schulden. Thomas Flögel zeichnet auf seine Art ein Bild: „Die Rangers waren der Klub, der mehr Geld ausgegeben hat.“ Der Verein habe diese Probleme „nie in den Griff gekriegt“. Da konnte der Ibrox-Park noch so gut besucht sein, da nützten auch die Besucherrekorde in der Unterklassigkeit nichts. Der Unterschied zum grün-weißen Derbygegner drückt sich auch bei den Mitgliederzahlen aus. „Celtic war immer überragend, was die Members betrifft“, schildert Flögel.

Verlockende Premier League

Der schottische Fußball – und damit die Glasgower Großklubs – leidet freilich daran, dass sich Rangers und Celtic in den meisten Jahren den Meistertitel unter sich ausmachen. Die Herausforderung fehlt in der Premiership. Das ist ein Mitgrund, warum die Glasgower Vereine gern in der englischen Premier League mitspielen würden. Noch dazu, da diese jetzt dank irrer TV-Einnahmen regelrecht in Geld schwimmt. Der schottische Verband will hingegen seine Liga-Zugpferde nicht ziehen lassen.

International liegen die ganz großen Zeiten Jahre zurück. 2008 verloren die Rangers im Uefa-Cup-Finale, 1972 haben sie aus Europa den Pokalsiegercup heimgebracht. Auf Landesebene war man bis zum Zwangsabstieg wie Celtic stets vorn dabei, international fließt bei anderen Vereinen mehr Geld. Aber das spielt morgen, Sonntag, wenn sich Rangers und Celtic quasi auf neutralem Boden, im Glasgower Nationalstadion Hampdon Park, zu Mittag gegenüberstehen werden, für zumindest 90 Minuten garantiert keine Rolle.

ZUR PERSON

Thomas Flögel war fünf Jahre lang als Fußballer in Schottland aktiv. 1998 holte der ehemalige Austrianer mit Heart of Midlothian mit einem 2:1 den Cupsieg gegen die Glasgow Rangers. Der 44-Jährige stand 37-mal im österreichischen Nationalteam und ist nun Assistenzcoach beim FAC.

Der Rangers Football Club wurde 1873 gegründet und hält mit 54 Meistertiteln den Rekord nicht nur in Schottland. Nach dem Zwangsabstieg 2012 ist nun die Rückkehr in die erste Liga fix – damit auch Neuauflagen des Old Firm, des Derbys in der 600.000-Einwohner-Stadt gegen Celtic. [ Jakob Gruber/EXPA/picturedesk.com ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2016)

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