Islands Teamchef: "Wir sind keine Holzfäller"

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Lars Lagerbäck, Teamchef von Österreichs Gruppengegner Island, über Fußball, Insel und Schafe.

Haben Sie kurz Zeit für ein Gespräch über Fußball, Euro und Österreich?

Lars Lagerbäck: Aber sicher doch, gern. Es hat ja nicht viel gefehlt – und wir hätten öfter miteinander zu tun bekommen.

Wie darf man das verstehen?

Österreich hat einmal Interesse daran gehabt, mich als Teamchef zu holen. Wir haben verhandelt – es ist nichts daraus geworden. Vielleicht war mein Deutsch nicht gut genug. Wer weiß, was entscheidend war.

Sind Sie darüber noch enttäuscht oder womöglich sogar verärgert?

Nein, ich hätte es natürlich gern gemacht. Aber Absagen gehören natürlich zu unserem Geschäft. Und ich freue mich, dass Österreich jetzt mit Marcel Koller so einen guten Mann bekommen hat.

Österreich und Island werden bei der EM in Frankreich gegeneinander spielen. Was halten Sie vom österreichischen Fußball?

Fußball hat in Österreich eine große Tradition. Das kann man mit Island nicht vergleichen. Österreich hat an mehreren Weltmeisterschaften teilgenommen und immer wieder Stars hervorgebracht.

An wen denken Sie da?

Da gibt es mehrere. Krankl, Prohaska – und jetzt diesen David Alaba. Ein Universalgenie offenbar. Ich glaube, Trainer Pep Guardiola tut ihm sehr gut. Ich freue mich für ihn, dass er seinen Vertrag – so viel ich weiß – schon verlängert hat.

Nach der erfolgreichen Qualifikation zur Euro wurden Sie in Island als Held gefeiert. Sind Sie ein Held?

Mir war das ein wenig unangenehm, ich bin doch nur der Trainer. Die Helden sind auf dem Rasen gestanden. Die Mannschaft hat Großartiges geleistet. Die Europameisterschaft ist die Belohnung dafür. Wir sollten aber keine Wunderdinge erwarten, wer uns jedoch unterschätzt, der ist selbst schuld.

Glauben Sie, dass das Duell Österreich gegen Island über den Aufstieg in Gruppe G entscheiden wird?

Das kann leicht möglich sein, das würde mich sogar sehr freuen. Wobei ich sagen muss, dass gegen Österreich sehr unangenehm zu spielen ist. Ich habe großen Respekt vor dieser Mannschaft. Sie wirkt taktisch reif, hat einige Superlegionäre. Wer Österreich schlagen will, muss sehr gut agieren. Ich weiß nicht, ob wir das schaffen. Es geht gar nicht darum, dass wir keinen Alaba haben, wir haben auch keinen Arnautović oder Fuchs. Ich beneide die Teamchefs, die ihre Spieler in der deutschen Bundesliga oder in England beobachten können und dürfen, das ist ein Privileg. Ich genieße das leider nicht – aber ich will mich wirklich nicht beklagen.

Aber Island hat in der Qualifikation doch für reichlich Furore gesorgt. Island war lang unbesiegt, hat sogar Teams wie die Niederlande und die Türkei abgefertigt. Das kann doch kein Zufall sein, oder?

Natürlich gibt es Zufälle im Fußball. Man darf in diesem Sport Siege nicht überbewerten und soll Niederlagen nicht gleich dramatisieren. Unser Erfolg gegen die Holländer hat sich ja dann auch relativiert.

Mag sein, die Niederlande muss man aber auch erst einmal mit 2:0 schlagen, oder die Türkei mit 3:0.

Das stimmt schon. Aber wir können das richtig einordnen und es wird uns bei der EM-Endrunde auch nicht mehr helfen. Da sind die Karten dann neu gemischt. Wir wollen das Beste daraus machen. Dass wir Europameister werden, ist zu bezweifeln. Das gilt aber für Österreich auch, oder?

Die sogenannten Kleinen träumen doch immer davon, in die Rolle von Dänemark 1992 zu schlüpfen und die Sensation zu schaffen.

Das ist jedoch unrealistisch.

Es schien auch unrealistisch zu sein, dass Griechenland 2004 Europameister wird. Hellas hat es dennoch geschafft. Ist diese Mannschaft ein Vorbild für Sie?

Um ehrlich zu sein, eigentlich nicht.

Warum nicht?

Ich kann mich doch nicht mit Trainer Otto Rehhagel auf eine Stufe stellen. Und noch etwas – das soll allerdings nicht überheblich wirken. Wir wollen schon einen anderen Fußball zeigen. Wir wollen so spielen, dass die Zuschauer sagen: „Sieh an, die von der Insel, die können ja kicken. Unglaublich.“

Sport in Island ist stark vom Wetter, vom Klima abhängig. Welche Rolle spielen folglich die eigens dafür gebauten Hallen?

Wir haben sieben Hallen, jede ist sind so groß wie ein Flugzeughangar. Sieben erscheint vielleicht nicht viel – aber manche schreiben davon, dass das stählerne Symbole eines ungeahnten Aufschwungs sind.

Mit Handball und Fußball ist es bergauf gegangen, es sind Islands Aushängeschilder. Der Fußball scheint auf einem Hightech-Kunstrasen gewachsen zu sein.

Fußball auf Island war in Wahrheit eine recht komplizierte Angelegenheit. Draußen konnten Sie nur von April bis September spielen. Dann wird das Wetter zu ungemütlich. Es gibt da sogar eine höchst amüsante Erzählung von einem Erstligaspiel. Ein Elfmeterschuss flog weit über das Tor, der Sturm wehte den Ball in den Fjord – und er wurde Tage später von einem Spieler beim Fischen in 25 Kilometer Entfernung nahe einer kleinen Insel wiedergefunden. Und ein Ball wird vielleicht irgendwann einmal irgendwo vor Frankreich gefunden werden... Ich bin in dieser Sache allerdings unschuldig. Mein Name steht dort sicher nicht drauf.

Wie würden Sie denn den isländischen Fußball beschreiben?

Was glauben Sie? Wir sind keine Schafzüchter und keine Holzfäller. Und auch keine – wie sagt man auf Deutsch – Nasenbohrer...

EIN SCHWEDE FÜR ISLAND

Lars Lagerbäck wurde am 16. Juli 1948 in Katrineholm geboren.

Spielerkarriere
Als aktiver Spieler spielte Lagerbäck nie höher als in der dritten schwedischen Liga. Seine erste Station war zwischen 1960 und 1969 Gimonäs CK, anschließend spielte er von 1970 bis 1974 bei Alby.

Stationen als Trainer
KIlafors, Arbra, Hudiksvall, Schweden (Jugend, B, Ko-Trainer, A-Team), Nigeria, Island (2011). Imago

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.05.2016)

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