Buddha und Fußball

(c) REUTERS (JORGE SILVA)
  • Drucken

Leicester City kann heute die Premier League gewinnen, ein Sieg in Manchester genügt. Aber auch in Thailand sorgt der Fuchs-Klub für Furore - dank Investor Vichai Srivaddhanaprabha.

Steht ein Spiel von Leicester City auf dem Programm, sind die Bildschirme in den Bars Bangkoks schon Stunden vorher eingeschaltet. Die Premier League ist in Thailand seit jeher beliebt, doch dem Überraschungsteam dieser Saison fliegen derzeit die Sympathien zu. Der Grund: Der thailändische Geschäftsmann Vichai Srivaddhanaprabha, der mit seinem Duty-Free-Handel King Tower ein Vermögen gemacht hatte, kaufte Leicester 2010 auf. Seitdem ist Leicester quasi auch Thailands Klub. Und der Verein von ÖFB-Kapitän Christian Fuchs kann heute bereits die Sensation vollenden, gelingt gegen Manchester United (15.05 Uhr, live Sky) ein Sieg, ist der Titelgewinn fixiert.

Am Hauptsitz von King Power fiebern die Angestellten mit den „siamesischen Füchsen“, wie sie liebevoll genannt werden, bei jedem Spiel mit. Die Fanbasis wächst unaufhaltsam. Viele Anhänger, die ehedem Liverpool oder United die Daumen gedrückt haben, unterstützen jetzt Leicester City. Die Thais sind stolz, Vichai hat sein Quasi-Monopol am internationalen Flughafen von Bangkok, wo jährlich 50 Millionen Fluggäste verreisen, zu Merchandising-Zwecken genutzt und verkauft in den Duty-Free-Shops Fanartikel von Leicester City.

Der Suvarnabhumi Airport wirkt längst wie ein überdimensionierter Fanshop von Leicester City. Seitdem sich der Klub auf dem Höhenflug befindet, ist ein Run auf die blauen Trikots ausgebrochen. Die Shirts sind mittlerweile ausverkauft und man bittet Interessenten, das Produkt über das Vereinigte Königreich zu beziehen. Die gefälschten Trikots von Arsenal oder Chelsea, die in den Shopping-Malls feilgeboten werden, sind zum Ladenhüter verkommen.

Marketing in Asien wird für englische Teams immer wichtiger. Zur Saisonvorbereitung reiste Leicester City zu einer Promotion-Tour nach Bangkok und bestritt ein Freundschaftsspiel gegen Everton. Das Spiel vor 8000 Zuschauern im Supachalasai Stadium gewann Leicester mit 1:0, der eigentliche Sieg aber zeigt sich in Absatzzahlen und Umsätzen. Stürmerstar Jamie Vardy (heute gegen Manchester gesperrt) thront längst als Pappfigur in vielen Shops, in Bangkoks verstopftem Straßennetz grüßen die Fußballstars von riesigen Werbetafeln. Sogar buddhistische Mönche schmücken sich mit den Insignien des Klubs. Wobei zu fragen wäre, was hier eigentlich die Religion ist – Buddhismus oder Fußball?


Mönche segneten den Rasen. Im September 2014 flog Klubbesitzer Vichai ein Dutzend Mönche nach Leicester, die den heiligen Rasen des Stadions segneten. Mönche auf dem Fußballrasen – auch das eine eher seltene Aufnahme im Milliardengeschäft Premier League. Beobachter sagen, der neue Klubchef habe auch eine neue Form der (Thai-)Kultur in den Verein gebracht. Das soll sich auch auf den Führungsstil und das Management auswirken. Den Trainern würden bei dem eigentlich zu Ligastart noch als krassen Außenseiter und Abstiegskandidaten gehandelten Klub mehr Zeit und Geduld entgegengebracht.

Doch mit der thailändischen Gelassenheit nahm es schnell ein Ende, als im vergangenen Jahr im Internet ein Sextape von James Pearson, dem Sohn des Managers, auftauchte, in dem dieser und zwei weitere Profis thailändische Prostituierte sexistisch und rassistisch beschimpften. Die Spieler hatten den Thailand-Trip für eine Sexorgie genutzt. Sie wurden suspendiert, der Manager entlassen. Der Skandal war höchst unangenehm für Vichai, die thailändischen Medien reagierten empört. Um den Imageschaden zu reparieren, heuerte er den beliebten Teamchef Kiatisak „Zico“ Senamuang als Markenbotschafter an.

Vichai betreibt weiter Imagepflege. Der Klub hat ein Porträt des thailändischen Königs Bhumibol im Stadion aufgehängt und einen eigenen YouTube-Kanal auf Thailändisch lanciert, der Videos mit dem Slogan „Pride of Thais“ (Stolz der Thais) ausstrahlt. Vichai will, dass sich sein Engagement rentiert.


Bier, Politik und Business. 125 Millionen Euro hat der Mäzen seit der Übernahme 2010 in den Klub gesteckt. Dabei ist Vichai nicht der erste Thai, der in den englischen Fußball investiert. Der Brauereikonzern ThaiBev ist mit seiner Biermarke Chang seit 2004 Trikotsponsor des FC Everton. 2014 stieg ein Thai-Konsortium um Khunying Sasima Srivkorn beim FC Reading ein. Und der geputschte Premier Thaksin Shinawatra kaufte 2007 Manchester City auf, stieß den Klub aber ein Jahr später wieder ab. Der umstrittene Thaksin soll nicht allzu viel vom Fußball verstanden haben.

Vichai dagegen, der das Licht der Öffentlichkeit scheut, will sein Engagement nicht dazu nutzen, politisch an Profil zu gewinnen, sondern ausschließlich dazu, um seine Markenpräsenz im Land zu stärken. Thailand ist mit 68 Millionen Einwohnern ein großer Wachstumsmarkt – und Talentepool für Spieler. Ende 2015 schickte Leicester unter Führung von Senamuang eine Delegation von Übungsleitern an Schulen, um mit Nachwuchsspielern zu trainieren. Einige Talente wurden sogar zum Probetraining nach England eingeladen.

Arsenal unterhält schon seit Längerem eine eigene Akademie in Bangkok. Aber bislang hat noch kein Thai den Sprung in die Premier League geschafft. Der Erfolg von Leicester könnte den Sport im Land aber nun noch populärer machen.

Steckbrief

Leicester City
Der Klub wurde 1884 gegründet, spielt seit 2014 wieder in der Premier League und steht nun vor dem ersten Titelgewinn (1929 Vizemeister).

The Foxes
spielen seit 2002 im King Power Stadium (32.500 Zuschauer).

League-Cup-Siege
1964, 1997 und 2000 gewann der Klub von Christian Fuchs diesen Liga-Pokal und wurde 1971 Shield-Sieger.

Sieg und Niederlage
13:0 gegen Notts County (1894) war der höchste Sieg der Klubgeschichte, 0:12 die höchste Niederlage (1908, Nottingham Forest).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.05.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Leicester
Fußball-International

Meisterfeier vertagt: Leicester vergibt ersten Matchball

Die Mannschaft von Christian Fuchs musste sich gegen Manchester United mit einem 1:1 begnügen.
SOCCER - PL, Leicester vs Southampton
Fußball-International

ÖFB-Legionäre: Vier Auslandsmeister warten auf Gesellschaft

Neben Christian Fuchs durften Aleksandar Dragović, Marc Janko und Emir Dilaver bereits feiern, David Alaba könnte bald folgen.
Gesschafft! Leicester ist erstmals englischer Meister
Fußball-International

Fuchs mit Leicester Meister der Premier League

Die Sensation ist perfekt: Nach einem 2:2 von Tottenham bei Chelsea hat der Klub von Teamkapitän Christian Fuchs erstmals die begehrte Trophäe heimgeholt.
Fußball-International

Eine Stadt erlebt ihr blaues Wunder

Die Foxes ließen den ersten Matchball gegen Manchester United ungenutzt, die große Fußballsensation ist damit vertagt. Doch die Fans hoffen weiter.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.