Champions League: Das Enfant terrible der Trainerwelt

Diego Simeone
Diego SimeoneREUTERS
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Vor dem Halbfinalrückspiel gegen den FC Bayern herrscht schon wieder Aufregung um Atlético-Coach Diego Simeone.

Wien. Wenn es um den Erfolg geht, ist Diego Simeone jedes Mittel recht. Das ist spätestens seit der Ballwurfaffäre bekannt. Der Trainer von Atlético Madrid soll dabei einen Ballbuben aufgefordert haben, das Spiel zu unterbrechen. Die aussichtsreiche Konterchance des Gegners Malaga war dahin, Atlético gewann 1:0. Beweise gegen Simeone gab es keine, er wurde dennoch bis zum Saisonende gesperrt und muss in der Liga seither auf der Tribüne Platz nehmen.

Und dort hat der Argentinier, ohnehin zum Enfant terrible der europäischen Trainerelite aufgestiegen, am Wochenende für den nächsten Eklat gesorgt. Allem Anschein nach hat er sich über das Coaching-Verbot hinweggesetzt. Direkt neben Simeone saß Torwarttrainer Pablo Vercellone – ausgestattet mit Headset. Auch auf der Trainerbank trugen sie Headsets, über Funkkontakt gelangten also Simeones Anweisungen an seine Assistenten. So hat er offenbar auch die Einwechslung von Antoine Griezmann angeordnet. Der Torjäger traf umgehend, Atlético besiegte auch Rayo Vallecano 1:0.

Der 46-Jährige ist nicht bloß ein mit allen Wassern gewaschener Trickser, er ist auch einer der erfolgreichsten Trainer Europas der vergangenen Jahre. Mit ihm gewann Atlético die spanische Meisterschaft und die Europa League, stand im Champions-League-Finale. Begleitet waren die Erfolge von Simeones Ausrastern. Stets bewegte er sich auf einem schmalen Grat, geriet mit gegnerischen Spielern und mit dem Schiedsrichter aneinander. Aber auch in seiner fünften Saison bei Atlético sind die Madrilenen nicht nur mittendrin im spanischen Titelrennen, auch der Champions-League-Triumph ist realistisch.

Müller soll es richten

Um wie schon 2014 ins Finale einzuziehen, muss Atlético heute gegen den FC Bayern das 1:0 aus dem Hinspiel über die Bühne bringen (20.45, live ORF eins, ZDF, Sky). Die gute Nachricht für Simeone: In der Champions League gilt seine Sperre nicht, er wird also in München wie gewohnt ganz in Schwarz an der Seitenlinie herumtoben. Außerdem wird sein zuletzt angeschlagener Abwehrchef Diego Godin wieder mit von der Partie sein. Die schlechte Nachricht: Auch Thomas Müller („Ich bin keiner, der sich in großen Spielen versteckt“) wird von Beginn an stürmen. In Madrid hat der scheidende Bayern-Coach Pep Guardiola noch auf seinen Torjäger (acht Treffer in der Champions-League-Saison) verzichtet und dafür viel Kritik geerntet.

Ins offene Messer will man jedoch nicht laufen. Bei einem Treffer der Gäste müssten die Bayern schon drei erzielen. So viele Gegentreffer hat Atlético in dieser Saison erst einmal kassiert, im Cup gegen Celta Vigo. Zuletzt glich der Atlético-Strafraum einer Festung. Nur fünf Gegentore hat das Defensivbollwerk in der Königsklasse bisher zugelassen, in der spanischen Liga nach 36 Runden nur 16. Der abgeklärte slowenische Schlussmann Jan Oblak musste seit sechs Spielen nicht mehr hinter sich greifen. „Wir sind zuversichtlich, dass wir Atlético noch biegen können“, erklärte David Alaba. Ob der ÖFB-Star die ausverkaufte Allianz-Arena als Innenverteidiger oder als Linksverteidiger genießen wird, ist noch offen. Nach der Rückkehr von Abwehrchef Jerome Boateng könnte Alaba wieder nach links beordert werden.

Während also der große FC Bayern dem Triple hinterherhechelt, zelebriert Simeone seine Rolle als Underdog. In München kann er sein Selbstbild vom schuftenden Arbeiter kultivieren, das er als harter Abräumer schon in seiner Spielerkarriere aufgebaut hat. Denn die Bayern mögen zwar spielerisch im Vorteil sein, Atlético hat aber schon häufig gezeigt, wie man mit Leidenschaft, Kampfgeist und dem einen oder anderen Mätzchen einen Vorsprung gegen eine vermeintlich bessere Mannschaft über die Zeit schaukelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2016)

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