Jürgen Klopp, der Unbeugsame von Anfield

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FBL-EUR-C3-LIVERPOOL-VILLARREAL(c) APA/AFP/OLI SCARFF
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Nur Jürgen Klopp trotzt der iberischen Übermacht: Der FC Liverpool steht als einziges nicht spanisches Team in einem Europacup-Finale. Sevilla will den historischen Hattrick.

Liverpool. In England genießt die Europa League traditionell keinen hohen Stellenwert. Ein Turnier zweiter Klasse, gemacht für die Überbleibsel der Champions League, ein Trostbewerb. Doch mit ihrem Einzug ins Endspiel haben Jürgen Klopp und der FC Liverpool dem „Loser-Pokal“ (Tormannlegende Sepp Maier) nicht nur auf der Insel neuen Glanz verliehen.

Bei seinem ersten Auftritt als Liverpool-Coach in Deutschland warf Klopp den FC Augsburg aus dem Bewerb, danach Manchester United, dann in einem denkwürdigen Duell ausgerechnet seinen Exklub Borussia Dortmund. Und nun hat seine trotz der kurzen Amtszeit ohnehin schon enorme Popularität mit dem Sieg über Villarreal und dem Finaleinzug wieder einen Schub bekommen. Die englische Presse huldigt dem 48-Jährigen. „Klopps Stern strahlt an der Anfield Road“, schrieb „Daily Mail“. Der „Mirror“ stellte fest: „Er ist einfach gemacht für Anfield.“ Klopp sei es, der die wirklichen Impulse gebe, urteilte „Daily Express“.

Mit dem Erreichen des Europa-League-Endspiels trotzt Liverpool außerdem als einziger Klub der iberischen Übermacht. Beinahe hätte Spanien als erste Nation alle vier Finalisten in Champions League und Europa League gestellt. Das Endspiel der Königsklasse am 28. Mai in Mailand ist zugleich Madrider Stadtderby zwischen Atlético und Real, in der Europa League zog der FC Sevilla mit einem 3:1 (Hinspiel 2:2) gegen Schachtar Donezk in das Finale (18. Mai, Basel) ein. Nur Klopp hat mit seinem Halbfinalerfolg gegen Villarreal spanische Titelkämpfe verhindert.

Streit unter Trainern

Das 3:0 (gesamt 3:1) der Reds im Rückspiel zelebrierte der Coach gebührend. Mit ausladenden Gesten animierte er die Fans zum Jubel, er lieferte eine Soloshow im Mittelkreis und genoss die Stimmung an der Anfield Road. Seine Schützlinge lobte er überschwänglich: „Was für eine Power in der ersten Hälfte.“ Klopp war also ganz in seinem Element. Wegen Auftritten wie diesem lieben sie ihn auf der Insel.

Beim Gegner war man weniger erfreut, es folgte ein verbales Scharmützel mit Trainerkollege Marcelino. „Ich will nach einem Sieg nicht so sein wie er“, meinte der Villarreal-Coach. „Ein großartiger Trainer – den Rest behalte ich für mich.“ Der Konter ließ nicht lang auf sich warten. „Ich will nicht eine Sekunde meines Lebens so sein wie er“, erklärte Klopp, nicht ohne zu erwähnen, dass auch Marcelino „ein großartiger Trainer“ sei.

Bei seinem Amtsantritt im Oktober 2015 hat Klopp angekündigt, mit Liverpool Titel zu gewinnen. Die erste Gelegenheit im englischen Ligacup-Endspiel hat er verpasst (1:3 im Elferschießen gegen Manchester City), und mit Sevilla wartet nun ein Europa-League-Spezialist auf die Reds.

Der spanische Tabellensiebente hat die Chance auf den Europa-League-Hattrick, bereits 2014 und 2015 hat Sevilla triumphiert. Als erste Mannschaft seit Juventus Turin (1995 bis 1998) hat das Team von Trainer Unai Emery außerdem drei Europacup-Finalteilnahmen in Serie geschafft.

Für Liverpool und Klopp geht es in Basel um weit mehr als den ersten gemeinsamen Titel. Denn während der Klub international begeistert, drohen die Reds als Tabellenachter der Premier League einen Europacup-Platz zu verpassen. Bei einem Europa-League-Triumph dürfte die Klopp-Truppe in der kommenden Saison allerdings in der Champions League antreten. „Mitte Mai fahren wir nach Basel, und wir werden alles geben für diesen wunderbaren Verein“, erklärte Klopp. Zum fünften Mal in fünf Jahren hat er ein Finale erreicht. Aber nur eines davon hat er gewonnen, es war das allererste mit Dortmund im DFB-Pokal 2012 gegen den FC Bayern. (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2016)

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