Europameisterschaft im Ramadan: Siegen oder fasten?

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FBL-FRA-EURO-2016-FRANCEAPA/AFP/FRANCK FIFE
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Am Montag begann der Fastenmonat für weltweit 1,6 Milliarden Muslime, bei der Euro 2016 drängt diese Situation manche Spieler in einen Glaubenskonflikt. Paul Pogba oder Mesut Özil werden die Fastentage nachholen.

Paris. Der gerade begonnene Ramadan stürzt einige muslimische Fußballer bei der EM in einen Gewissenskonflikt. Sie müssen nun zwischen Glaube und Gesundheit abwägen, sich zwischen einem Gebot des Korans und ihrer Leistungsfähigkeit entscheiden.

Die Fastenzeit (heuer: 6. Juni bis 5. Juli) beginnt jedes Jahr bei Sonnenaufgang am ersten Tag im Ramadan, wie der neunte und 30 Tage dauernde Monat des islamischen Mondkalenders genannt wird. Muslime, weltweit 1,6 Milliarden, dürfen in diesem Zeitraum ihrem Körper von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang keinerlei Lebens- und Genussmittel zuführen und müssen sexuell enthaltsam sein.

Diese Zeit der Besinnung soll den Glauben und die Selbstdisziplin der Gläubigen stärken, die Fasttage dienen wie bei Juden und Christen als Bußübung. Vom Fasten ausgenommen sind schwer arbeitende, kranke sowie alte Menschen, Kinder, Reisende, schwangere und stillende Frauen. Sie alle aber haben, wie in der zweiten Sure festgeschrieben steht, Kompensation zu leisten – oder den Ramadan nachzuholen.

Ein Grundpfeiler des Islam

An diesem Grundpfeiler des Islam und seiner Bedeutung ließ auch Frankreichs Teamspieler Paul Pogba keine Zweifel aufkommen. „Guten Ramadan an alle meine Brüder und Schwestern. Möge Gott uns unsere Sünden vergeben und unsere Gebete erhören“, lautete die Botschaft des 23-Jährigen auf Instagram. Das Fastengebot wird der Mittelfeldspieler von Juventus Turin aber genauso wenig einhalten wie zur WM 2014 in Brasilien. Auch seine Mitspieler N'Golo Kante und Bacary Sagna haben in Absprache mit den Verantwortlichen der Les Bleus entschieden, bei der EM nicht zu fasten, berichtet die Sportzeitung „L'Equipe“.

Unstrittig ist, dass Sportler ohne Energiezufuhr Leistungseinbußen hinnehmen müssen. „Flüssigkeitshaushalt und Kohlenhydratspeicher werden in der Zeit zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang nicht aufgefüllt“, erklärt der deutsche Sport- und Ernährungswissenschaftler Hans Braun: „Bei einer Belastung länger als 60 Minuten kann es zu einem Mangel und einem Leistungsabfall kommen.“ Seine Meinung wurde eingeholt vom DFB, Weltmeister Mesut Özil hat aber unlängst bereits erklärt, dass sich der Ramadan für ihn nicht mit der EM vereinbaren lasse. „Es ist für mich unmöglich.“

Sami Khedira, der tunesische Wurzeln hat, sieht es genauso: „Wir brauchen einfach unsere Nahrung und auch unsere Flüssigkeit, um 100 Prozent Leistung geben zu können.“ Das Gleiche gilt für Emre Can und Shkodran Mustafi, den beiden weiteren muslimischen Spielern im deutschen Team. In der ÖFB-Equipe denkt Ersatztorhüter Ramazan Özcan ähnlich.

Religiöses Rechtsgutachten

Sportler oder Menschen, die harte körperliche Arbeit verrichten, halten sich häufig nicht an das Gebot. „Eigentlich gelten aber keine Ausnahmen“, sagt Talat Kamran, Leiter der Yavuz-Sultan-Selim-Moschee, die an das Institut für Integration und interreligiösen Dialog in Mannheim angeschlossen ist. Die Interpretationsmöglichkeiten des Korans können Profis aber für sich geltend machen. „Wenn zum Beispiel ein gläubiger Fußballer ein wichtiges Spiel hat, wird er Gott um Vergebung bitten und die Fastentage nachholen, sobald es der Beruf zulässt.“

Seit 2010 liegt dazu ein religiöses Rechtsgutachten der Kairoer al-Azhar-Universität vor, es war eigens vom Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) und dem Deutschen Fußballbund in Auftrag gegeben worden. (fin/DPA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2016)

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