Funktionärs-Fiasko: Ein Fest ohne Gastgeber

Aktuell Fuszball EURO 2016 Pressekonferenz von UEFA Praesident Platini zum Start des Kartenvorverkau
Aktuell Fuszball EURO 2016 Pressekonferenz von UEFA Praesident Platini zum Start des Kartenvorverkauimago/PanoramiC
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Aufgrund der Sperre und des Rücktritts von Michel Platini sowie in Ermangelung qualifizierter Nachfolger findet die Fußball-EM in Frankreich ohne Uefa-Präsidenten statt.

Paris. Auf der Homepage der Uefa lächelt immer noch Ex-Präsident Michel Platini. Der erzwungene Rücktritt des Verbandschefs nur wenige Wochen vor dem von ihm auf 24 Mannschaften aufgestockten EM-Turnier offenbart die schwierige Lage des Kontinentalverbandes. Das Fest findet in Wahrheit ohne den Gastgeber statt.

Auf der Sonnenterrasse des schicken Uefa-Hotels nahe dem Eiffelturm ist von Anspannung wenig zu spüren. Mitarbeiter des Veranstalters speisen Crêpes und Crevetten zu den ortsüblich hohen Preisen. In der Lobby herrscht Geschäftigkeit, kurz vor dem EM-Start versucht die Uefa, eine Normalität zu demonstrieren, die es nach dem Ende des als Ethiksünders entlarvten Platini nicht geben kann.

„Die EM wird stattfinden, ob mit Präsidenten im Amt oder ohne. Die EM ist durch die Administrative und den französischen Verband exzellent vorbereitet. Es ist kein Leck erkennbar“, sagte Wolfgang Niersbach schon vor dem endgültigen Platini-Aus.

Nun hat das deutsche Uefa-Exekutivmitglied selbst große Sorgen, denn die Fifa-Ethikhüter fordern für seine Vergehen in der Aufarbeitung des WM-Skandals eine Zweijahresstrafe.

Theodore wer?

Auch als DFB-Präsident ist Niersbach längst Geschichte. Seine Causa ist jedoch nur eine Marginalie unter den diversen Folgeschäden der skandalösen Enthüllungen über Funktionäre weltweit. Auch der EM-Besuch des in die russischen Doping-Praktiken offenbar direkt verwickelten Sportministers Witali Mutko wird toleriert. Nur Platini, der Architekt und Ideengeber der XXL-EM mit 24 Mannschaften, wird bei der am Freitag anhebenden Endrunde komplett außer Acht gelassen. Es ist eine bittere, aber auch sehr späte Demütigung für den mit neun Toren im Jahr der letzten Heim-EM 1984 vorerst noch amtierenden Turnierrekordtorschützen.

Über PR-Manager ließ Platini mitteilen, dass er trotz Einladung des französischen Verbandes keines der 51 Spiele im Stadion sehen will. Er vergaß geflissentlich ein Detail: Das Ethikreglement des Weltverbandes verbietet ihm das sowieso. Der Phantomschmerz nach dem angesichts von vier Jahren Sperre unvermeidlichen Uefa-Abschied hält an. Kein Wort verlieren seine Weggefährten zu dem Bann wegen der dubiosen Millionenzahlung durch Ex-Fifa-Chef Joseph Blatter. Die persönliche Tragik für Platini ist eine Sache. Die Schieflage der Uefa ausgerechnet vor dem Milliardenevent eine ganz andere.

Ein legitimer Nachfolger war in Ermangelung strahlender Kandidaten auf die Schnelle nicht zu finden. Formaler Vertreter ist daher Angel Maria Villar Llona, ein guter Freund von Sepp Blatter. Also war Theodore Theodoridis der ranghöchste Repräsentant bei der Pressekonferenz zur Turniereröffnung am Mittwoch. Theodore wer? Selbst Insidern aus der Funktionärs-Galaxie war der Grieche bis vor Kurzem kein Begriff.

Als Wahlkampfmanager für den neuen, wegen Personalfragen, Gehaltswünschen und ominösen Zuwendungen bei der Finanzierung von Flügen im Privatjet bereits höchst umstrittenen Fifa-Chef Gianni Infantino trat er zu Neujahr in Erscheinung. Nun ist er bis zur Neuwahl eines Präsidenten am 14. September in Athen der Generalsekretär der Uefa und muss die EM entscheidend mitorganisieren. Die zweite und dritte Reihe der Uefa muss sich angesichts des Vakuums an der Spitze nun in den Turnierwochen beweisen – ob sich in Frankreich ein neuer Präsident herauskristallisiert? Warum nicht – wie sagte schon Ludwig XIV.? „L'État, c'est moi!“ (red)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2016)

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