Ende der Teamkarriere: Lionel Messi, der Unvollendete

TOPSHOT-FBL-COPAM2016-ARG-CHI
TOPSHOT-FBL-COPAM2016-ARG-CHI(c) APA/AFP/DON EMMERT
  • Drucken

Nach der Finalniederlage und einem verschossenen Elfer gegen Chile bei der Copa América erklärte der Argentinier seine Teamkarriere für beendet – viele wollen es nicht glauben.

New York/Wien. Am liebsten wäre der Kapitän im Erdboden versunken, direkt auf dem Rasen des MetLife-Stadions in East Rutherford, der Football-Arena der New York Giants, keine 15 Meilen entfernt von der Skyline Manhattans. Vor mehr als 80.000 Zuschauern war für Lionel Messi eine Welt zusammengebrochen: Gerade hatte er den ersten Elfmeter im Penaltyschießen des Finales der Copa América gegen Chile über die Latte gejagt – der Anfang vom Ende der argentinischen Titelträume. Chile hatte, wie im Vorjahr im Copa-Finale gegen Argentinien in Santiago, das bessere Ende für sich.

Wieder hat der 29-Jährige im entscheidenden Moment versagt, wieder blieb dem besten Fußballer der Welt der große Triumph versagt. Der Megastar des FC Barcelona schlug die Hände über den Kopf zusammen und zog sein Trikot halb über das Gesicht, er schlich mit hängenden Schultern über das Feld und hockte sich, in sich versunken, auf den Rasen, und starrte ins Leere – ein Häuflein Elend. Sein Freund und Mitspieler Sergio Aguëro versuchte ihn zu trösten – vergeblich. Die Enttäuschung hatte Lionel Messi übermannt, Tränen liefen über seine Wangen.

Verloren und versagt

Als er schließlich aus der Kabine kam, erklärte er tief frustriert die Teamkarriere für beendet. „In der Kabine habe ich gedacht, das ist das Ende für mich in der Nationalmannschaft. Es soll nicht sein für mich. Es herrscht, wieder einmal, eine riesige Enttäuschung“, gab er offenherzig zu. „Es tut mir mehr weh als jedem anderen, dass ich nicht imstande bin, mit Argentinien einen Titel zu gewinnen.“

Drei Mal war Messi im Finale der Copa América gestanden, einmal – 2014 gegen Deutschland – im WM-Finale. Und jedesmal ging er als Verlierer vom Feld, gedemütigt und als Versager gescholten. Bei Barcelona, an der Seite Ronaldinhos und Thierry Henrys, war er bereits zum Weltstar avanciert, doch im Trikot der Albiceleste blieb er oft viel schuldig – vor allem im Duell gegen Brasilien, den Erzrivalen. Er schien der Verantwortung nicht gewachsen, die Bürde drückte schwer auf seine schmalen Schultern – erst recht, als der stille Weltfußballer als Kapitän eine noch größere Rolle im Nationalteam übernahm.

Maradona & Co. mäkelten routinemäßig an ihm herum, und auch die Fans schmähten ihn dafür, dass er in der Nationalmannschaft Führungsqualitäten vermissen ließ. Tatsächlich hatte es oft den Anschein, als würde er sich aus der Verantwortung davonstehlen und sich hinter anderen verstecken. Nur selten entfaltete sein Spiel den Zauber Barcelonas, hoben seine Tempodribblings und Doppelpässe seine Mitspieler auf ein höheres Niveau.

Insbesondere nach der Finalniederlage vor zwei Jahren in Brasilien wirkte Messi geknickt, und nur widerwillig akzeptierte er im Maracanã-Stadion in Rio die Auszeichnung als bester Spieler des Turniers. Trotz der Belastung durch den Prozess wegen Steuerhinterziehung und die Geheimkonten in Panama spielte er zuletzt bei der Copa América in den USA entfesselt auf, im Semifinale gegen den Gastgeber stieg er sogar zum Rekordtorschützen seines Landes auf.

Und nun, nach 113 Länderspielen und 55 Toren, soll alles vorbei sein für den Unvollendeten? Viele Fans und Mitspieler wollen daran nicht glauben, obwohl auch Javier Mascherano, Co-Star bei Barcelona, seine Teamkarriere beendet hat. Sie hoffen auf einen Rücktritt vom Rücktritt und haben schon eine Online-Kampagne lanciert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Messi und Maradona auf einem Archivbild aus dem Jahr 2010
Fußball-International

Staatspräsident und Maradona wollen Messi umstimmen

Der Weltfußballer hatte seinen Rücktritt aus dem argentinischen Nationalteam verkündet.
FBL-COPAM2016-ARG-CHI
Fußball

Messi: "Für mich ist das Nationalteam vorbei"

Der argentinische Topstürmer beendet nach der Niederlage im Copa-America gegen Chile seine Teamkarriere.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.