Die Tradition des Kommerzes

Fuszball DFB Pokal Saison 2016 2017 SG Dynamo Dresden 1 Hauptrunde SG Dynamo Dresden RB Leip
Fuszball DFB Pokal Saison 2016 2017 SG Dynamo Dresden 1 Hauptrunde SG Dynamo Dresden RB Leipimago/Robert Michael
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Anfeindungen gehören für RB Leipzig zum Alltag, auch in der Premierensaison in der Bundesliga ist Red Bull Widerstand gewiss. Vorstand und Fans lassen sich davon nicht beirren.

Der Weg in die deutsche Bundesliga war für RB Leipzig ein steiniger. Nicht nur sinnbildlich, sondern auch real. Mitte Juli verteilten Unbekannte Steine und Schrauben vor dem Testspiel beim unterklassigen 1. FC Frankfurt/Oder auf dem Rasen. Für den neureichen Klub aus dem Osten längst nichts Neues mehr. Seit Red Bull 2009 die Lizenz des Fünftligisten SSV Markranstädt übernommen hat, begleiten Beschimpfungen, Boykotte und Sabotagen gegnerischer Fans den Werdegang. Am letzten Samstag kulminierten die Geschmacklosigkeiten bei Leipzigs Pokal-Gastspiel in Dresden, als aus dem Dynamo-Sektor ein blutiger Rindskopf an den Spielfeldrand flog.

„Man muss uns nicht mögen, aber niemand wird uns von unserem Weg abbringen“, betonte Sportdirektor Ralf Rangnick. Das erste große Etappenziel ist bereits erreicht, heute (17.30 Uhr, live, Sky) gibt Leipzig seine Bundesliga-Premiere – just bei Hoffenheim, das dank Milliardär Dietmar Hopp den Sprung bis nach ganz oben geschafft hat und vor Leipzig als ultimatives Feindbild geächtet worden war.


Image besser als der Ruf. „Kommerz statt Tradition“ lautet auch der Vorwurf an das Projekt von Dietrich Mateschitz, ein Ruf, der in Österreich nach der Red-Bull-Übernahme von Salzburg 2005 noch nicht verhallt ist. In der Mozartstadt wurden spätestens mit dem Streit um die Trikotfarbe die letzten Ur-Violetten vergrault, Animositäten sind vor dem heutigen Schlager zwischen Rapid und Salzburg (16.30 Uhr, live, ORF eins) nach wie vor zu spüren. Insgesamt aber, so scheint es, hat sich die heimische Liga mit ihrem Krösus abgefunden. Groß ist der Aufschrei und Ärger immer dann, wenn Profis den finanziellen Anreizen aus Salzburg erliegen, so wird Ex-Rapidler Stefan Stangl heute kein schöner Empfang erwarten.

Vielleicht waren es Lehren aus Salzburg, die Entscheidung für Leipzig wurde jedenfalls gewissenhaft getroffen. Drei Jahre dauerte die Suche nach dem Standort, als der schließlich die 550.000-Einwohner-Stadt in Sachsen auserkoren wurde. Der Osten Deutschlands glich schon damals fußballerischem Brachland, just in dem Jahr, als Red Bull einstieg, verabschiedete sich mit Cottbus der letzte Klub aus der ehemaligen DDR aus der Bundesliga. In Leipzig wurde 1900 der DFB gegründet, dank der WM 2006 gab es dort auch ein neues Stadion, mit Sachsen und Lok jedoch nur Fünftligafußball. Die Traditionsvereine winkten ab, so wurde es der Vorortklub Markranstädt. Als „gute Sache“ sahen immerhin 75 Prozent damals die Übernahme in einer Umfrage der „Leipziger Volkszeitung“.

„Herr Mateschitz hat viel Liebe und Engagement in den Verein gesteckt“, betonte Leipzig-Vorstandschef Oliver Mintzlaff, eines von nur 17 stimmberechtigten Mitgliedern im Klub. Die plumpe Umgehung des 50:1-Eigentümerverhältnisses erzürnt Traditionsverfechter ebenso wie das Wappen, das frappant dem Sponsorlogo gleicht. Die Menschen in Leipzig und Umgebung aber stoßen sich daran nicht. Mit rund 29.000 Zuschauern hatte der Klub in der vergangenen Zweitliga-Saison zusammen mit Nürnberg und St. Pauli den höchsten Schnitt, für die Bundesliga waren die 20.000 Dauerkarten binnen weniger Tage verkauft. Vor allem Familien mit Kindern wissen die vergleichsweise noch etwas sterile, aber weniger hitzige und gewaltfreie Atmosphäre auf den Tribünen zu schätzen.

In Mitteldeutschland ist RB Leipzig laut einer Studie der Karlsruher Marktforschungsagentur Intelligent Research in Sports bereits zum drittbeliebtesten Klub hinter Bayern und Dortmund aufgestiegen. Auch die Imagewerte steigen: So legte der umstrittene Aufsteiger in Sachen Glaubwürdigkeit auf 48 Prozent im Vergleich zu 39 im Vorjahr zu. Der Eigenschaft „ambitioniert“ stimmten 78 (davor 74), „leidenschaftlich“ 56 (41), „regional verwurzelt“ 54 (45) und „sympathisch“ immer noch 49 Prozent (45) aller Befragten zu. „Das unterstreicht, was wir seit Monaten sagen und spüren: Wir sind längst salonfähig“, sagte Mintzlaff.


Noch kein Monopoly. Der Faktor Geld spielt selbstverständlich eine gewichtige Rolle, ohne die Millionen aus Fuschl wären die Erfolge der letzten sieben Jahre wesentlich magerer ausgefallen. Mit stattlichen 40 Millionen Euro Budget soll die Mannschaft von Ralph Hasenhüttl für ihre Debütsaison gerüstet sein und rangiert damit im Mittelfeld der 18 Erstligisten. Noch soll eine interne Regelung Gehälter über drei Millionen Euro verbieten, weshalb man von den Verpflichtungen von Kevin Volland (letztlich Leverkusen) und Breel Embolo (Schalke) Abstand genommen hat, als es laut Rangnick „zu einer Art Monopoly“ wurde. „Wir machen unseren Job, haben eine Philosophie. Es wird eben nicht alles mit Geld geregelt“, erklärte der Sportdirektor.

Dieses Credo dürfte jedoch ein Ablaufdatum haben, schließlich verfolgt Mateschitz klare Ziele. Bis zu seinem 80. Geburtstag, so soll er einmal gesagt haben, will er die Meisterschale in Händen halten. Bis dahin sind es noch acht Jahre, in denen zwangsläufig noch mehr Geld in die Hand genommen und auch in etablierte Spieler investiert werden muss, um mit den Platzhirschen mithalten zu können. Spätestens dann, wenn eines Tages RB Leipzig dem Rekordmeister aus München seine besten Spieler abwirbt, könnte die Stimmung – zumindest im Anti-Bayern-Kosmos – ins Positive kippen. Bis dahin aber ist dem Klub noch einiges an Spott und Häme gewiss.

Zahlenspiel

4Aufstiege
wurden seit dem Einstieg von Red Bull 2009 gefeiert: Auf dem Weg von der fünften Liga in die Bundesliga wurden zwei Ehrenrunden in der Regionalliga sowie eine in der

2. Liga eingelegt.

3Österreicher
sind in der Premierensaison am Werk: Trainer Ralph Hasenhüttl sowie die ÖFB-Teamspieler Marcel Sabitzer und Stefan Ilsanker.

40Millionen Euro
soll das Budget für diese Saison betragen, eine Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr. Damit liegt der Klub im Mittelfeld der 18 Erstligisten.

180Euro
kostet die billigste Dauerkarte. 20.000 wurden für diese Saison bereits abgesetzt, dann wurde der Verkauf gestoppt. Die

Leipzig-Arena fasst

42.959 Zuschauer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2016)

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