„Servus Basti“ – der Abschied einer Leitfigur

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FBL-GER-FIN-FRIENDLY-PRESSER(c) APA/AFP/dpa/FEDERICO GAMBARINI
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Bastian Schweinsteiger tauchte einst als blonder Lausbub bei Bayern und im Team auf, 2016 beendete er als ergrauter Weltmeister nach 121 Spielen seine DFB-Karriere. In Manchester wurde er aussortiert, lockt ihn noch Amerika?

Mönchengladbach. Es gibt sie noch, diese Form der Heldenverehrung. Treten erfolgreiche Sympathieträger, die man jahrelang in Stadien verfolgt, deren Höhen und Tiefen man miterlebt hat, einmal ab, wird prompt Wehmut munter. Man erinnert sich an ihre Anfänge, knapp dem Kindesalter entwachsen. Die ersten Tore, Titel, Skandale, Verletzungen, Affären – oder, wie im Fall von Bastian Schweinsteiger, den WM-Triumph in Brasilien 2014. Und, man sucht zumeist prompt nach Ersatz und Nachfolger und wird immer öfter dabei enttäuscht.

Schweinsteiger, 32, beging am Mittwoch im Test gegen Finnland, in seinem 121. DFB-Länderspiel, seinen höchst emotionalen Abschied vom Nationalteam. Zurück bleiben Erinnerungen an einen Fußballer, der 2002 als Eigengewächs bei Bayerns A-Mannschaft (342 Spiele, 45 Tore) und zwei Jahre später als blonder Lausbub im Team auftauchte. Ein Bub aus Kolbermoor nahe Rosenheim war in der Fußballwelt jahrelang als „Schweini“ populär, und nun, als ergrauter Herr, wurde er bei Manchester United aussortiert und überlegt nun ernsthaft, ob er sich am Ende seiner Laufbahn tatsächlich nach der Herausforderung in Amerika sehnt.

Schweinsteiger galt als Erfolgsmodell des deutschen Fußballs, des FC Bayern. Er war einer der besten Mittelfeldspieler der Welt, wurde acht Mal Meister, gewann 2013 die Champions League, erhielt Orden und Auszeichnungen sonder Zahl.

Was bleibt erinnerlich, wenn ein (Alt-)Star geht? Seine Tore, Tränen, Triumphe oder doch nur die brutale Degradierung durch José Mourinho? Das verlorene „Finale dahoam 2012“ im Elferschießen gegen Chelsea war jedenfalls seine schlimmste Niederlage. „Am Tag danach hatte ich zum ersten Mal keine Lust mehr auf Fußball.“

Fußball ist ein hartes, für Profis aber lohnendes Geschäft. Sorgen sind ihm also fremd, auch privat hat der Deutsche längst sein Glück gefunden. Er wirkt nun aufgeräumt, ja befreit. Die neue Lebensphase nach der Hochzeit mit der serbischen Tennisspielerin Ana Ivanović hat ihn verwandelt. Er scheint reifer, eventuell erwachsen – aber böse Worte verliert einer wie er zum Abschied ohnehin nicht.

Bayern und United, er erfüllte sich seine Kinderträume. Er spielte bei EM und WM, gewann den „Pott“ 2014 und – erst die Lebenserfahrung und der Prozess des Älterwerdens lassen diese Erkenntnis zu – die Einsicht, dass es an der Zeit sei, aufzuhören. Hätte er noch Zeit, Kraft und Willen für eine vierte WM, die Qualifikation, Reisen, Spiele? Wäre er denn aber überhaupt noch nominiert worden von Joachim Löw, der ihm all die Jahre stets die Treue hielt?

Es seien wunderbare Jahre gewesen, sagt Schweinsteiger, er blicke stolz darauf zurück. Dass er den Rekord von Lothar Matthäus (150 Länderspiele) nicht brechen konnte, ist den Verletzungen geschuldet. Aber das sei nur eine Zahl, viel wichtiger war der finale Vorhang. Daheim, vor allen Freunden, der Familie – mit dem Hauch Wehmut: „Servus Basti.“ (fin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2016)

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